: „Der Hochschulrat transportiert keinen politischen Willen“
Autonomie Die Landesregierung nimmt keinen Einfluss auf die Wahl der Hochschulrektoren, sagt Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange
geboren 1957, ist sächsische Staatsministerin für Bildung und Kunst. Während ihrer ersten Amtszeit (2006–2009) wurden Hochschulräte eingeführt. Stange (SPD) ist Lehrerin. Bis 2005 war sie Bundesvorsitzende der GEW.
Interview Michael Bartsch
taz: Frau Stange, SPD und Gewerkschaften wie die GEW, deren Bundesvorsitzende Sie einmal waren, haben die Einführung von Hochschulräten seit den 1990er Jahren kritisch begleitet. Warum kam der Hochschulrat in Ihrer ersten Amtszeit 2008 auch ins sächsische Hochschulgesetz?
Eva-Maria Stange:Die Diskussion über den Hochschulrat lag damals zwischen dem humboldtschen Ideal der autonomen, selbst gelenkten Universität und den konservativen Vorstellungen einer mehr unternehmerisch strukturierten Hochschule. Welchem gesellschaftlichen Einfluss unterliegt eine Hochschule, wenn sie denn nicht mehr so stark von den Ministerien und Parlamenten gesteuert werden soll? Eine solche Begleitung gab es in Sachsen auch schon vor 2008 durch das Kuratorium. Wir haben damals lange um die Zusammensetzung und die Kompetenzen des Hochschulrates gerungen. In der zentralen Frage der Rektorenwahl wurde festgelegt, dass der Hochschulrat nur drei Vorschläge unterbreitet. Gewählt wird der Rektor dann vom erweiterten Senat. Auch als noch das große Konzil den Rektor wählte, gab es eine Vorauswahl.
Damals wurde befürchtet, der Einfluss des Ministeriums würde durch den Einfluss des Hochschulrats abgelöst, zum Beispiel durch ökonomische Interessen. Wie sind die praktischen Erfahrungen seither?
Interessanterweise entzündet sich die aktuelle Debatte über die Macht der Hochschulräte nicht an einer inhaltlichen, sondern an einer personellen Frage. Hochschulräte agieren seit 2009 eher geräuschlos und als kritische Partner der Politik, wenn sie beispielsweise den Hochschulen im Widerstand gegen die Kürzungspolitik der vorigen Regierung zur Seite springen.
Studierende und Opposition kritisieren hingegen, allein durch die vom Wissenschaftsministerium beeinflusste Zusammensetzung des Rats regiere die Staatsregierung mittelbar hinein.
Die Mitglieder werden zwar formal von mir berufen, aber in aller Regel folgen wir auch bei den vom Ministerium vorzuschlagenden Mitgliedern den Empfehlungen der Hochschule. In Leipzig sind das vier von neun Räten. Wir ernennen nur dann weitere Mitglieder, wenn der Hochschulrat nicht das breite gesellschaftliche Spektrum abbildet. An einer Technischen Universität sollten eben auch Persönlichkeiten aus dem Kultur- oder dem Sozialbereich vertreten sein. Oder an einer geisteswissenschaftlichen Uni wie Leipzig Vertreter aus der Wirtschaft. Ein Hochschulrat wird aber nicht gegen den Willen der Hochschule etabliert.
Dennoch fordern Studierende und Oppositionspolitiker die Abschaffung oder die Beschneidung der Hochschulkompetenzen.
Ich wäre allein schon mit Blick auf die Zusammensetzung der Räte vorsichtiger. In Leipzig etwa sind das renommierte Persönlichkeiten, die sich ihrer hohen Verantwortung bewusst sind und nicht einfach einen politischen Willen transportieren. Ich war selber als GEW-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz schon in den Neunzigern Mitglied eine der ersten Hochschulräten. Ich bin gern bereit, über eine stärkere Demokratisierung zu reden, und habe das auch signalisiert. Wie sie im Detail aussehen soll, ist offen. Die demokratische Legitimierung der Hochschulräte erfolgt aber durch das Ernennungsverfahren und die gesetzliche Grundlage.
Wie lässt sich erklären, dass Rektorin Schücking jetzt von Leuten gestützt wird, die sie bei der Umsetzung der früheren Sparauflagen noch heftig kritisiert haben?
Ich möchte den Konflikt gern von der Person lösen, weil ich Frau Schücking als Rektorin schätze. Ich bin auch für Kontinuität, gerade an einer so großen Universität. Aber ich bin in diesen Entscheidungsprozess nicht einbezogen, die Rektorenfrage muss die Universität regeln. Für völlig abwegig halte ich den Verdacht, die Nichtnominierung der amtierenden Rektorin stünde im Zusammenhang mit ihren kritischen Äußerungen zum Personalabbau 2014. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass sich Rektoren bei Sparzwängen schützend vor ihre Hochschulen stellen. Was dabei hochschulintern gelaufen ist, sollte man bitte auch hochschulintern klären.
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