Entwurf für ein liberales Einwanderungsgesetz

POLITIK Deutschland braucht Einwanderer. Doch wie könnte ein Gesetz aussehen? Eine Regelung, die nur einigen Tausend Hochqualifizierten nützt, hilft niemand – weder Deutschland noch den Menschen, die zu uns kommen. Die taz stellt deshalb ein liberales Einwanderungsgesetz zur Diskussion

Foto: Text und Konzept: taz/CHR

Artikel 1 – Änderung des Grundgesetzes
Im Grundgesetz wird nach Art. 20 a eingefügt:

Art 20 b Einwanderung Deutschland ist ein Einwanderungsland.

Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Artikel 2 – Gesetz zur Umsetzung von Artikel 20 b ­Grundgesetz – Einwanderungsgesetz (EinwG)
Kapitel 1 – Ziele und Grundsätze

§ 1 – Einwanderungsland (1) Deutschland ist ein Einwanderungsland.

(2) Deutschland sieht Einwanderung als Chance und Notwendigkeit, um sein wirtschaftliches und soziales Niveau stabil zu halten und zu erhöhen.

§ 2 – Willkommenskultur (1) Deutschland ist ein einwandererfreundliches Land.

(2) Alle staatlichen Einrichtungen wirken daran mit,

a) Einwanderern und Einwandererinnen ein Gefühl des Willkommenseins zu vermitteln,

b) der gesamten Bevölkerung die Chancen und Notwendig­keiten von Einwanderung zu verdeutlichen.

(3) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird um­benannt in Bundesamt für Einwanderung. Es koordiniert alle Aspekte der Willkommenskultur.

§ 3 – Meinungsfreiheit Wer Einwanderung ablehnt, genießt im Rahmen der gesetzlichen Ordnung Meinungsfreiheit und darf von Behörden nicht benachteiligt werden.

Kapitel 2 – Recht auf Einwanderung

§ 4 – Einwanderungsbedarf (1) Jährlich zum 1. Januar wird durch Rechtsverordnung der Bundesregierung der Einwanderungs­bedarf festgelegt.

(2) Der Einwanderungsbedarf wird berechnet, indem

a) die Differenz zwischen Todesfällen und Geburten im Vorjahr festgestellt wird und

b) die Zahl der Personen addiert wird, die im Vorjahr Deutschland dauerhaft verlassen haben.

(3) Der Einwanderungsbedarf ist eine unverbindliche Zielmarke.

§ 5 – Asyl (1) Wer als schutzbedürftig anerkannt ist, erhält mit sofortiger Wirkung den Rechtsstatus als Einwanderer oder Einwandererin (Einwandererstatus).

(2) Als schutzbedürfig im Sinne von Absatz 1 gilt,

a) wer als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Grundgesetz an­erkannt ist,

b) wer als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt ist,

c) wem subsidiärer Schutz im Sinne der EU–Richtlinie 2011/95 gegen Folter, Todesstrafe und Bürgerkriegsgewalt zugebilligt wurde.

§ 6 – Wiedergutmachung Angehörige von Völkern, ethnischen und religiösen Gruppen, an denen im Namen oder im Auftrag des Deutschen Reichs (1871–1945) Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, erhalten auf Antrag den Einwandererstatus.

§ 7 – Einwanderung im nationalen Interesse (1) Wer ­mitwirken will, Deutschland zu einem wirtschaftlich besonders leistungsfähigen, ökologisch besonders nachhaltigen, sozial besonders gerechten sowie besonders demokratischen und besonders liberalen Land zu machen, erhält nach Eidesleistung gemäß Absatz 2 den Einwandererstatus.

(2) Die Mitwirkungsbereitschaft im Sinne von Absatz 1 ist binnen zwei Monaten nach der Ankunft in Deutschland beim Bundesamt für Einwanderung per Eid zu bekräftigen. Der Eid kann mit oder ohne religiöse Beteuerungsformel geleistet werden.

§ 8 – Einreise(1) Personen mit begründeter Aussicht auf Erhalt des Einwandererstatus erhalten Visa zur Einreise nach Deutschland.

(2) Bedürftige können beim Bundesamt für Einwanderung gegen Nachweis ihrer Einkommensverhältnisse einen angemessenen Reisekostenzuschuss beantragen.

§ 9 – Bleiberecht (1) Wer als Ausländer oder Ausländerin in Deutschland lebt und den Eid gemäß § 7 Abs. 2 ablegt, erhält den Einwandererstatus.

(2) Wer als Ausländer oder Ausländerin in Deutschland lebt, ohne den Eid gemäß § 7 Abs. 2 abzulegen, erhält auf Antrag ein Bleiberecht.

(3) Abschiebungen sind ausgeschlossen.

Kapitel 3 – Integration

§ 10 – Sprache (1) Mit dem Einwandererstatus ist das Recht auf Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache verbunden.

(2) Der Anspruch auf die Teilnahme an Sprachkursen und ­anderen geeigneten Maßnahmen besteht so lange, bis das sprachliche Niveau erreicht ist, das den beruflichen Zielen entspricht.

§ 11 – Ausbildung (1) Mit dem Einwandererstatus ist mit sofortiger Wirkung das gleiche Recht auf schulische, berufliche und wissenschaftliche Ausbildung verbunden, das deutschen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen zusteht.

(2) Zudem besteht ein Anspruch auf Ausgleich einwanderungsspezifischer Defizite.

§ 12 – Wohnungsbau Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert den öffentlichen und privaten Wohnungsbau entsprechend der Bevölkerungsentwicklung.

§ 13 – Wirtschaft (1) In Ostdeutschland (außer Leipzig und Berlin) wird für zehn Jahre eine Sonderwirtschaftszone Ost eingerichtet.

(2) In der Sonderwirtschaftszone Ost werden Unternehmensgewinne aus Produktion und Dienstleistung nur mit einem Drittel der geltenden Sätze besteuert.

(3) Auch in der Sonderwirtschaftszone Ost gilt das Mindestlohngesetz.

§ 14 – Sozialleistungen Mit dem Einwandererstatus ist der diskriminierungsfreie Zugang zu Sozialleistungen verbunden.

§ 15 – Staatsbürgerliche Rechte (1) Mit dem Einwandererstatus ist mit sofortiger Wirkung das kommunale Wahlrecht verbunden.

(2) Nach fünf Jahren besteht Anspruch auf Einbürgerung.

§ 16 – Familienzusammenführung (1) Mit dem Einwandererstatus ist mit sofortiger Wirkung das Recht auf Familienzusammenführung verbunden.

(2) Nachgezogene Familienangehörige erhalten den Einwandererstatus ohne Eidesleistung gemäß § 7 Abs. 2.

Kapitel 4 – Schlussbestimmungen

§ 17 – Evaluation(1) Die Bundesregierung erstellt jährlich einen Einwanderungsbericht, um über die wichtigsten Ent­wicklungen zu informieren und Verbesserungsbedarf zu identifizieren.

(2) Jeweils nach fünf Jahren wird ein unabhängiges Forschungsinstitut mit einer wissenschaftlichen Evaluation der Einwanderungsbedingungen und -ergebnisse beauftragt.

(3) Der Einwanderungsbericht und der Evaluationsbericht werden jeweils im Bundestag diskutiert.