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Studierende helfen Geflüchteten

Rechtsberatung In Hannover bauen JurastudentInnen eine „Refugee Law Clinic“ auf. In Hamburg gibt es die kostenlose Beratung schon seit 2012, auch Göttingen und Bremen haben ähnliche Angebote. Meist geht es dabei um das Asylrecht

von Jördis Früchtenicht

Der hiesige Behördendschungel mit seinen Anträgen, seinem Juristen-Deutsch ist bereits für Muttersprachler oft schwer zu durchdringen. Für Flüchtlinge ist es ungleich komplizierter. In immer mehr Städten bekommen sie nun Hilfe von Jurastudierenden: In „Refugee Law Clinics“ erhalten Flüchtlinge kostenlose Beratung.

Die Idee der Law Clinics stammt ursprünglich aus den USA: Jurastudierende führen Rechtsberatungen für Menschen durch, die sich keinen Anwalt leisten können. Und die Studierenden können im sonst praxisarmen Studium wertvolle Erfahrungen sammeln. Refugee Law Clinics gibt es beispielsweise in Köln oder München. In Hannover sollen Flüchtlinge ab 2016 beraten werden.

Dafür wurde der Verein „Refugee Law Clinic Hannover“ im März diesen Jahres von JurastudentInnen gegründet. Momentan laufen die Planungen, damit im Frühjahr die Rechtsberatung beginnen kann. Geplant ist, dass Berater zu bestimmten Sprechzeiten in kooperierende Unterkünfte gehen. Finanziert wird die Vereinsarbeit durch Spenden und Fördermitglieder. Fast täglich seien Hiobsbotschaften von brennenden Flüchtlingsheimen oder aus dem Mittelmeer in den Medien. „Wir haben das Weltgeschehen gesehen und gedacht, da muss man etwas machen“, erklärt Vorstandsmitglied Sandra Horn die Motivation.

Um auf die Beratertätigkeit vorzubereiten, werden ab Oktober ein Seminar und eine Vorlesung angeboten. Im Studium selbst wird das Asylrecht nämlich nicht behandelt. „Die Ausbildung soll möglichst breit gefächert sein, um die Beratungsqualität zu gewährleisten“, erläutert Horn. So werden etwa AsylrechtlerInnen, PsychologInnen oder SozialarbeiterInnen Vorträge halten. Zudem ist geplant, eng mit Anwälten und Flüchtlingsorganisationen zusammenzuarbeiten.

Bereits seit 2012 gibt es an der Bucerius Law School in Hamburg eine Law Clinic, die sich unter anderem mit Ausländerrecht beschäftigt; auch sie wurde auf Initiative von Studierenden gegründet. Etwa ein Drittel der Beratungen drehe sich um das Aufenthaltsrecht, so die Jurastudentin Paula Ciré. Um die Hilfesuchenden kümmert sich immer ein Team aus einem Anwalt und zwei sogenannten „Legal Advisern“, studentischen BeraterInnen. Das Team soll dabei möglichst gleichberechtigt arbeiten, die Studierenden die Gespräche führen. Die StudentInnen seien für den Kontakt gut, da bei ihnen meist die Person im Vordergrund stehe, meint Ciré, die Anwälte konzentrierten sich eher auf den Fall. Sie sichern dabei nicht nur die Beratungsqualität. Sie sind auch notwendig, da in Deutschland nur Rechtsanwälte professionell Rechtsrat erteilen dürfen.

Die Law Clinic, in der sich 19 Rechtsanwälte und über 60 Studierende ehrenamtlich engagieren, arbeitet in Kooperation mit der Hamburger Diakonie und „Arbeit und Leben Hamburg“. Nur Hilfesuchende aus den beteiligten Beratungseinrichtungen der beiden Organisationen haben Zugang zum Angebot der Klinik. So wolle man unter anderem sichergehen, dass die Personen das Kriterium der Bedürftigkeit erfüllen, erklärt Ciré.

Im Gegensatz zur sonst üblichen Praxis von Law Clinics, nur Beratungen durchzuführen, aber keine Mandate zu übernehmen, vertreten die Anwälte in Hamburg ihre Mandanten bei Bedarf vor Gericht und auch außergerichtlich. Seit Gründung der Law Clinic wurden über 200 Mandate übernommen und über 500 Beratungen durchgeführt. Letztere dauern meist etwa eine Stunde und können zum Beispiel im Bereich Arbeitsrecht mit einem Brief an den Arbeitgeber enden.

Die Plätze als Legal Adviser sind so begehrt, dass die Studierenden Bewerbungen einreichen müssen. Dabei werde besonders nach der Motivation geschaut, sagt Ciré: „Die Leute sollen hinter dem Projekt stehen.“ Je länger die Studierenden dabeibleiben, desto mehr profitiere die Klinik davon. „Es gibt natürlich unterschiedliche Gründe, warum die Leute hier mitmachen. Einer ist, dass man selbst privilegiert ist und nicht jeder Zugang zum Rechtssystem hat“, so Ciré. Nicht alle Erfahrungen, die die BeraterInnen machen, sind einfach zu verarbeiten. „Besonders schwierig ist die Erkenntnis, dass das, was man studiert, nicht immer zu Gerechtigkeit führt.“

Beratung für Bedürftige

An der Universität Göttingen gibt es ebenfalls ein Beratungsangebot für Bedürftige, in Kooperation mit der Göttinger Tafel. Wöchentlich gebe es eine zweistündige Sprechstunde, die das ganze Jahr hindurch gut gefüllt sei, erläutert Helen Wienands von der Studentischen Rechtsberatung. Auch hier wird die Beratungsqualität durch einen anwesenden Rechtsanwalt sichergestellt. Es findet eine Erstberatung statt, in der etwa für Analphabeten auch Schreiben vor Ort aufgesetzt werden. Unter den Ratsuchenden gibt es zwar auch Flüchtlinge, doch die Beratungen werden eher im Bereich des Miet- und Sozialrechts durchgeführt. „Abschiebung beispielsweise ist ein zu großes Thema für die Sprechstunde“, erklärt Wienands den Themenfokus. Zur Not werde an einen Fachanwalt verwiesen.

Hinter der Law Clinic der Uni Bremen steht ein anderes Konzept. Hier gibt es ein sogenanntes „vorklinisches“ Modell, welches die Studierenden an die Beratung heranführen soll. In zwei Semestern gibt es Seminare mit migrationsrechtlichem Schwerpunkt, in den Semesterferien dazwischen absolvieren die Studierenden ein Praktikum bei einer Anwaltskanzlei im Bereich Asylrecht. Als Ergebnis entstünden dann etwa Aufsätze zu bestimmten Fragen, erklärt Sebastian Eickenjäger, der die Law Clinic an der Uni Bremen betreut.

Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen sieht die studentische Rechtsberatung als zusätzlichen Baustein zum Beratungsangebot für Flüchtlinge von anderen Organisationen. „In den Ballungszentren gibt es gute Beratungsmöglichkeiten, in ländlichen Gegenden ist es schwierig, eine Beratung zu erhalten. Insgesamt sind die Kapazitäten ausgeschöpft“, sagt der Experte. Grundsätzlich wäre es schön, wenn es in Deutschland – wie in manchen anderen Ländern – Rechtsberatung oder einen Anwaltszugang für Flüchtlinge auf Kosten des Staates gäbe. Allerdings müsse bedacht werden, dass unabhängige Organisationen einen anderen Blickwinkel auf die Situation der Flüchtlinge haben könnten als mögliche staatliche Stellen, meint Walbrecht.

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