piwik no script img

„Ich sehe nicht ein, dass ich elementare Fächer wegstreiche“

Sparpolitik Was Hochschulen bleibt, wenn sie die Vorgaben ihrer Landesregierung nicht umsetzen wollen, erklärt Rektor Udo Sträter

Udo Sträter

geboren 1952, ist seit 2010 Rektor der Martin-­Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 1992 arbeitet er als Professor für Kirchengeschichte.

Interview Ralf Pauli

taz: Herr Sträter, die Sparpläne der Landesregierung von Sachsen-Anhalt sahen für Ihre Universität vor, fünf Institute ganz zu schließen. Sie haben sich geweigert. Wie sparen Sie bis 2019 bis zu 24 Millionen Euro?

Udo Sträter:Der Entwurf sah vor, die Fächer Psychologie, Informatik, Sport, Geowissenschaften sowie die Medien- und Kommunikationswissenschaften ersatzlos zu streichen. Das Kabinett war sich darüber aber selbst uneins. Diese Gelegenheit habe ich genutzt und gesagt: Ich sehe nicht ein, dass ich ele­mentare Fächer kürze oder wegstreiche. Das ist schließlich nicht die erste Sparrunde in Sachsen-Anhalt. Wenn es mal Speck auf den Rippen gab, ist er längst weg.

Also müssen die kleinen Fächer dran glauben?

Noch vergangenes Jahr dachten Landesregierung und Universitäten, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das mehrfach angekündigte Hilfsprogramm für gefährdete Fächer einführen würde. Davon ist heute keine Rede mehr. Ohne dieses Programm wird es schwierig.

Der Bund hat die Länder gerade mit der Übernahme des Bafög entlastet. Was bleibt Ihnen, wenn die Bundesregierung nicht erneut zur Hilfe springt?

Wir arbeiten eng mit unseren Partneruniversitäten in Jena und Leipzig zusammen, um beispielsweise die Altertumswissenschaften oder die Orientwissenschaften Standort übergreifend zu koordinieren und auszubauen. So machen wir uns keine unnötige Konkurrenz und stärken das Fach.

Wie viele Fächer sind an Ihrer Uni von solchen Überlegungen betroffen?

In Halle sind nach den Kriterien der Mainzer Arbeitsstelle für Kleine Fächer rund 26 Fachrichtungen gelistet, die als potentiell gefährdet gelten, darunter beispielsweise Alte Geschichte, Islamwissenschaft oder Bioinformatik. Keines wird abgeschafft. Bei der Indologie und Japanologie überlegen wir jedoch gemäß einer Aufforderung des Wissenschaftsrats, sie mit Leipzig zu vereinigen.

Wenn Sie die kleinen Fächer verschonen, werden diejenigen protestieren, die mit vielen Drittmitteleinnahmen glänzen können.

In einem wirtschaftlich strukturschwachen Land wie Sachsen-Anhalt spielen Drittmittel aus der Wirtschaft generell eine geringere Rolle als in den restlichen Bundesländern. Wichtiger ist die Forschungsförderung etwa durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das BMBF oder die EU. Dabei können auch die kleinen Fächer punkten. Voraussetzung ist ein solides Grundbudget der Universität. Natürlich konkurrieren die Fakultäten um diese Gelder, die die Universität zum Teil nach der Leistung der einzelnen Fächer zuweist. Generell ist unsere Universität aber nicht bereit, kleine Fächer zu opfern. Bei Fächern mit nur einer Professur spart die Universität maximal 180.000 Euro im Jahr. Hier die Sense anzusetzen, lohnt nicht.

Aber bezahlen wollen sie die kleinen Fächer auch nicht unbedingt. Am Institut Christlicher Orient erhält seit Jahren eine Gastprofessur den Lehrbetrieb aufrecht. Und die ordentliche Professur wird ab Herbst vom Bund bezahlt.

Wenn ein Fach schon bundesweit einzigartig ist, soll es auch der Bund bezahlen. Niemand will das Fach Christlicher Orient auslaufen lassen. Auch der

Ministerpräsident hat sich für den Erhalt ausgesprochen. Nur wer das bezahlen sollte, konnte auch er nicht sagen. Wenn die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Fach für fünf Jahre finanziert, ist das ein Glücksfall. Wir garantieren im Gegenzug die Weiterfinanzierung.

Was, wenn Sie mit diesen Strategien die Sparvorgaben nicht einhalten können?

Nächstes Jahr stehen Landtagswahlen an. Möglicherweise ­ändern sich die Vorgaben wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen