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„Der Dispo ist verführerisch“

Falle Nur wer nicht konsumorientiert denkt, wird dem Überziehungskredit widerstehen, sagt der Insolvenzverwalter Christop Niering

Foto: VID
Christoph Nierig

Der Anwalt für Insolvenzrecht ist Vorsitzender des Verbands Insolvenzverwalter Deutschlands. Der 52-Jährige arbeitet unter anderem als Sachverständiger für den Bundestag. Er hat das Insolvenzverfahren des Fußballclubs Fortuna Köln betreut.

taz: Herr Niering, warum kommen Menschen überhaupt in einen Dispokredit?

Christoph Niering: Es gibt hauptsächlich vier Gründe für Schulden: Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit und die Verlockungen, den Lebensstandart so zu gestalten, wie man ihn sich eigentlich nicht leisten kann. Das sind auch Gründe für einen Dispokredit.

Ist der Dispo denn auch genauso problematisch wie andere Schulden?

Der normale Kredit ist in der Regel an längere Rückzahlungsfristen gebunden. Der Dispokredit ist so verführerisch, weil man immer die Hoffnung hat, ihn am Monatsende wieder zurückführen zu können.

Warum ist es eigentlich so schwer, wenn man einmal im Dispo ist, da wieder rauszukommen?

Das Problem ist, dass man sich selbst falsch einschätzt. Es drücken einen ja keine Kreditraten. Wenn quartalsweise oder monatsweise Zinsen fällig werden, sieht man nur die, aber man wird nicht zur Rückführung gezwungen. Da ist es verführerisch, alles so zu lassen und sich nicht auf einen Lebensstandart einzustellen, der es möglich macht, die Schulden wieder zu tilgen.

Woran liegt es, dass manche Menschen der Verlockung Dis­pokredit so leicht nachgeben und andere gar nicht?

Das Problem ist vor allem die Absatzfinanzierung: Verlockung, Konsumgüter sehr billig zu finanzieren. Durch die niedrigen Monatsraten werden die tatsächlichen Kosten kaum wahrgenommen. Nur der, der nicht so konsum­orientiert denkt oder sehr gut rechnet und kalkuliert, erliegt dieser Verlockung nicht. Das fängt zum Beispiel schon im jungen Alter an: ein Smartphone mit Flatrate für die Kinder.

Wie kann man persönlich feststellen, ob man im Begriff ist, in die Schuldenfalle zu geraten?

Aufpassen sollte man, wenn im Dispo keine Bewegung mehr da ist. Normal ist es, dass der Kredit am Anfang des Monats getilgt wird und es vielleicht zum Ende hin nicht mehr reicht. Wenn er auf einem hohen Niveau bleibt, dann ist das eine Warnung.

Interview Dominik Schneider

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