portrait: Hungernder in der Haftzelle
Mit Ernst, beinahe wütend, schaut Mohammed Allaan auf dem Plakat, das seine Mutter vor die Kameras hält. Der fromme Muslim trägt einen Vollbart und kurzes Haar, er hat kräftige Augenbrauen und volle Lippen. Seit dem 18. Juli nimmt der 31-Jährige nur noch Wasser zu sich. Jetzt besteht unmittelbare Lebensgefahr. Wenn Allaan stirbt, so kündigte der Islamische Dschihad im Gazastreifen an, sei es aus mit der Ruhe. Ginge es nach der israelischen Regierung, hätte der hartnäckige Palästinenser schon seit Tagen zwangsernährt werden müssen. Doch die Ärzte weigern sich, diese „gefährliche“ und „qualvolle“ Prozedur anzuwenden.
Allaan war am 6. November 2014 in seinem Heimatdorf im Westjordanland verhaftet worden. Seither wurde er nur ein einziges Mal einem Richter vorgeführt. Der verlängerte seine Administrativhaft um weitere sechs Monate. Noch nicht einmal sein Anwalt Dschamal Khatib weiß, was seinem Mandanten vorgeworfen wird. Es gibt keine Anklage, keinen Prozess und keine Verurteilung.
Allaan will sich in die Freiheit hungern. Er wäre kein Präzedenzfall. Erst Ende Juni erreichte der Palästinenser Adnan Khader ein Ende seiner Administrativhaft, nachdem er 55 Tage nur mit Wasser und Mineralien ausgehalten hatte. Israels Behörden zeigen sich ratlos gegenüber dem radikalen Protest der Häftlinge. Allaan könnte in die Freiheit entlassen werden, so ein Kompromissangebot, allerdings nur, wenn er bereit dazu wäre, für vier Jahre im Ausland zu leben.
Anwalt Khatib lehnte das Angebot ab. „Mein Mandat will entlassen werden, denn er ist unschuldig“, sagte er. Seit Freitag ist Allaan bewusstlos und wird künstlich beatmet. Die Ärzte schließen nicht aus, dass er bereits einen irreversiblen Gehirnschaden davongetragen hat.
Allaan ist unverheiratet. Er absolvierte sein Jurastudium an der Arab-American University in Nablus. Gefängnishaft ist für den Palästinenser, der Mitglied des Islamischen Dschihad ist, nicht neu. Im Jahr 2006 wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt und 2011 hielten ihn die israelischen Militärs erneut für 50 Tage zu Verhören hinter Gittern. Susanne Knaul
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