: TTIP: Transparenz war gestern
Geheim Jetzt gibt es Brüssel zu: Die Kommission schränkt Zugang zu Verhandlungsdokumenten ein – und bricht so Versprechen von Handelskommissarin Malmström
AuS BRÜSSEL Eric Bonse
Die EU-Kommission hat erstmals eingeräumt, dass der Zugang zu Dokumenten über das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP eingeschränkt wurde. Die Unterlagen über die letzte, zehnte Verhandlungsrunde seien bis auf Weiteres nur im Brüsseler Lesesaal einzusehen, bestätigte ein Sprecher der Kommission auf Anfrage der taz. Grund sei ein „Bruch der Verschwiegenheit-Pflicht“. Es handele sich aber nur um eine „vorübergehende“ Maßnahme. Noch in der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission eine solche Einschränkung der Transparenz gegenüber der taz dementiert. Die Ankündigung der Kommission steht in eklatantem Widerspruch zu früheren Versprechen. Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte bei ihrem Amtsantritt im Herbst 2014 mehr Transparenz gelobt und einige Dokumente zum geplanten Abkommen zwischen den USA und der EU online gestellt. Das bedeutet, dass sich sogar Minister und Abgeordnete aus den 28 EU-Ländern nach Brüssel bemühen müssen, wenn sie den neuesten Stand erfahren wollen.
Der Rückzieher ist offenbar eine Folge von mehreren undichten Stellen: Zuletzt waren immer wieder vertrauliche Dokumente im Internet aufgetaucht. Neben grünen Europaabgeordneten aus Deutschland und Österreich, die mehrere „TTIP-Leaks“ veröffentlicht hatten, machten auch die investigativen Journalisten des Recherche-Zentrums Correctiv Papiere öffentlich. Das ging Brüssel zu weit.
Dabei können sich die Bürger ohne die Dokumente kein Bild von den Verhandlungen zwischen der EU und den USA machen. Die EU hatte nach der 10. Verhandlungsrunde im Juli zwar ein Papier veröffentlicht, in dem das europäische „Angebot“ zur Dienstleistungen und Investitionen dargestellt wird. Wie die USA darauf reagiert haben blieb jedoch im Dunkeln. Dies lässt sich nun zumindest teils auf correctiv.org nachlesen.
Die nicht autorisierten Veröffentlichungen hätten „eine neue Qualität erreicht“, klagt die EU-Kommission in einem internen Papier, das ebenfalls Correctiv veröffentlicht hat. Besonders ärgerlich sei, dass auch die amerikanischen Verhandlungspositionen dargestellt wurden. Deshalb werde man interne Berichte nicht mehr nach Berlin und andere Hauptstädte schicken.
Für die Einschränkung müssten „diejenigen Mitgliedstaaten die Verantwortung“ tragen, „die die Leaks zu vertreten“ hätten. Gemeint ist offenbar Deutschland, wo besonders viele Dokumente veröffentlicht wurden. Hierzulande ist auch der Widerstand gegen TTIP am größten. Zehntausende haben den Appell „Stop TTIP“ unterschrieben. Die europäische Bürgerinitiative war eigentlich als EU-Begehren geplant; die Kommission hatte sie jedoch aus formalrechtlichen Grünen zurückgewiesen. Statt der auf EU-Ebene vorgesehenen einer Million hat sie fast 2,5 Millionen Unterschriften gegen TTIP gesammelt.
Berlin und Brüssel treiben die Verhandlungen jedoch weiter voran. „Wir werden alles dafür tun, dass bis zum nächsten Sommer ein Rahmenabkommen steht, das politisch abgesegnet ist“, so Malmström. Ihre größte Sorge ist die Präsidentschaftswahl in den USA. Sie findet im November 2016 statt, bis dahin soll TTIP in trockenen Tüchern sein.
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