: Sonnenstrom holt erstmals Atomkraft ein
Energie Erneuerbare erreichen neue Rekorde – doch der weitere Ausbau der Solarenergie stockt
Grund war natürlich zum einen das Wetter. Gemessen am langjährigen Mittelwert lieferte die Sonne im vergangenen Monat rund 15 bis 20 Prozent mehr Energie. In Süddeutschland reichte die Einstrahlung – von Meteorologen als Globalstrahlung bezeichnet – mitunter sogar nahe an den Wert von 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter heran. Zugleich fiel die Atomkraft auf einen neuen Tiefstwert, nachdem Ende Juni der Reaktor Grafenrheinfeld endgültig vom Netz ging.
Dieser Solarstromrekord fällt in eine Zeit, in der der Zubau an Photovoltaikanlagen in Deutschland immer weiter einbricht. Im Juni gingen hierzulande lediglich noch 4.583 Solarstromanlagen mit einer Gesamtleistung von 95,5 Megawatt ans Netz. Schon in den Vormonaten lagen die Zahlen auf ähnlich niedrigem Niveau, so dass im gesamten ersten Halbjahr 2015 nur 613 Megawatt installiert wurden. Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 2.500 Megawatt an neuen Solarstrom-Kapazitäten zu errichten, dürfte aus heutiger Sicht also erheblich verfehlt werden.
Besser sieht es aktuell bei der Windkraft aus, die in hohem Tempo ausgebaut wird. Dass die Windkraft monatsweise die Atomkraft überflügelt, kommt daher immer häufiger vor. In diesem Jahr war das bereits im Januar, März und Juli der Fall. In der bisherigen Jahresbilanz liegt die Windkraft mit 47 Milliarden Kilowattstunden nur noch knapp hinter der Atomkraft mit 51 Milliarden. Mit einem stürmischen Herbst könnte die Windkraft erstmals die Atomkraft auch in der Jahressumme überflügeln.
Da die konventionellen Kraftwerke bei starkem Wind und viel Sonne ihre Erzeugung in der Regel nicht in vergleichbarem Maße drosseln, steigen die deutschen Stromexporte immer weiter. In den ersten sieben Monaten kam die Bundesrepublik bereits auf einen Exportüberschuss von 28,5 Milliarden Kilowattstunden; im gesamten Vorjahr hatte der Überschuss bei 35,5 Milliarden gelegen – und schon das war ein historischer Höchstwert.
Die Überkapazitäten in der konventionellen Stromerzeugung spiegeln sich auch an der Strombörse wider: Die Preise im Terminmarkt für die kommenden Jahre fielen in den letzten Tagen auf einen neuen historischen Tiefststand und hielten sich zeitweise nur knapp über dem Wert von 30 Euro je Megawattstunde, also 3 Cent je Kilowattstunde. Sollte diese symbolträchtige Marke in den nächsten Wochen fallen, dürfte die Diskussion um den Abbau von Überkapazitäten in bisher nicht gekanntem Maße aufflammen. Bernward Janzing
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