: „Dieser Zustand ist eine ungeheure Energieverschwendung“
KIEZ Der Theatermacher Ulrich Hardt ist Teil der Nachbarschaftsinitiative Ohlauer Straße. Er kritisiert den Stillstand an der Gerhart-Hauptmann-Schule
57, ist künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des Theaters Expedition Metropolis in der Alten Desin- fectionsanstalt in der Ohlauer Straße 41.
Unsere Nachbarschaftsinitiative haben wir während der Dachbesetzung gegründet, aus der konkreten Solidarität mit den Bewohnern heraus und aus dem Gefühl, etwas gegen unangemessene staatliche Gewalt und Fremdbestimmung hier im Kiez tun zu müssen. Seitdem treffen wir uns jede Woche. Von Anfang an war es uns ein zentrales Anliegen, Kommunikation herzustellen, ein Zeichen gegen die Kommunikationssperre zu setzen. Während der Besetzung haben wir ein Picknick in dem abgesperrten Bereich veranstaltet und über die Absperrung hinweg Federball gespielt. Keine Sachen, die das Rad der politischen Weltgeschichte umlenken, aber Aktionen dagegen, dass Menschen voneinander isoliert werden.
Austausch mit Bewohnern
Am Anfang konnten wir unsere Treffen noch gemeinsam in der Schule abhalten, jetzt geht das nicht mehr, weil wir nicht mehr rein dürfen. Es sind so sechs, sieben Bewohner, die regelmäßig bei den Treffen sind. Wir besprechen dort konkrete Anliegen, zum Beispiel eine kaputte Heizung, und wir tauschen uns über Aktionen und Strategien aus. Das ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Am dringendsten brauchen die Menschen natürlich Papiere, dieses Problem können wir nicht lösen. Aber wir können uns darum bemühen, dass aus Flüchtlingen, die man nicht kennt, Nachbarn werden. Zu dem Begriff Flüchtling gibt es so viele Projektionen, aus allen politischen Lagern, viele davon sind solidarisch und offen, andere offensichtlich abweisend und feindselig, manche diffus und gut gemeint. Mir als Theatermacher ist wichtig, diese Projektionen zu überwinden, und das geht für mich nur über Begegnung und Kennenlernen, über gemeinsames Lernen und Gestalten.
Ulrich Hardt, Theatermacher
Den momentanen Zustand des Nicht-Geschehen an der Schule halte ich für eine ungeheure Energie- und Ressourcenverschwendung. Viele sehen die Schuld ausschließlich bei der Lokalpolitik oder den Bewohnern – ich denke, es braucht den Dialog zwischen den Beteiligten, damit sich etwas ändern und bewegen kann. Die Kommunikation mit und zwischen den Bewohnern ist sicher nicht immer einfach. Es gibt da eine Vielfalt an Hintergründen und Perspektiven, die auch zu unterschiedlichen Meinungen führen. Man weiß oft nicht, ob das, was einer sagt, von anderen verstanden und mitgetragen wird. Aber die Bewohner haben ein beeindruckendes Bedürfnis, sich im Kiez einzubringen, zu arbeiten, zu gestalten. Ihnen das zu ermöglichen, ist für mich eine essentielle Aufgabe. Protokoll: Malene Gürgen
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