STADTGESPRÄCH: Ziemlich zerrüttet
Die Regierungspartei Syriza ist gerade dabei, sich zu zerstreiten. Das überrascht in Athen niemanden
Theodora Mavropoulos aus Athen
Wie jeden Morgen flattern die sorgfältig auf einer Leine aufgehängten Zeitungen an den Kiosken im Zentrum Athens. „Scheidung der Syriza in Dosierungen“, titelt die zentrumsnahe Tageszeitung Ethnos am Freitag. Die Entscheidung, ob die Regierungspartei Syriza bestehen bleibe, so zitiert das Blatt Premier Tsipras bei seiner Rede am Donnerstag vor dem Zentralkomitee der Partei, hänge von den linken Ministern selbst ab. Die konservative Tageszeitung Kathimerini titelt: „Die Syriza ist auf dem Weg, sich zu spalten“. Sie weist auf die Parteisitzung im September hin. Die linke Tageszeitung I Efimerida ton Syntaktón bemerkt resigniert: „Teambeschuss und feindliches Feuer“. Die Syrizatreue Zeitung I Avgi fordert: „Kurskoordination – alle Themen auf den Tisch“. Eines wird nur zu deutlich: Das linke Bündnis Syriza ist zerrüttet.
„Ich finde das Verhalten der Linken Plattform der Syriza verständlich, sagt Sofia Diavatidis. Die Versicherungsfachfrau ist gerade auf dem Weg zu einem Kunden. Die Nachfrage nach privaten Versicherungen sei sehr groß, denn kaum einer könne die staatliche Versicherung noch bezahlen. Viele private Kassen haben günstige Versicherungsmöglichkeiten entwickelt – das zieht. Die jetzige Regierungspartei habe diesbezüglich nicht unternommen, obwohl sie im Wahlkampf versprochen hatte, das Gesundheitssystem zu stabilisieren.“Und jetzt geht es sogar auf ein drittes Sparpaket zu.“
Sofia lacht bitter auf. Dagegen habe sich die Syriza doch mehr als deutlich ausgesprochen. Und das Volk habe beim Referendum nochmals unterstrichen, dass es weitere Sparmaßnamen nicht mehr aushalte. Die kommunistische Linke Plattform in der Syriza halte hier als Einzige noch die ursprüngliche Stellung der Partei. „Sie haben recht! Und das sage ich, obwohl ich keine Kommunistin bin.“
Schauspielerin Stella Rapti ist auf dem Weg zur Probe. Das, was geschehe, sei zu erwarten gewesen. „Zu viele unterschiedliche linke Stimmen in einer Partei – das konnte nicht gut gehen“, sagt die 40-Jährige. „Außerdem ist die Syriza für mich nie so richtig links gewesen“. Es seien zu viele ehemalige Pasok-WählerInnen zur Syriza gewechselt. Und in der sozialistischen Pasok sei es stets darum gegangen, die Partei zu unterstützen, um irgendwie zu profitieren. Das diese Leute in der Syriza sitzen, findet Stella bedenklich.
Ein Mann Anfang 30 lehnt an der Mauer eines Altbaus im Zentrum Athens. Auf die Frage, wie er zur Situation der Syriza stehe, sagt er: „Für mich ist ein Traum einfach zerplatzt.“
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