: Ai Weiwei darf wieder ins Ausland
PASS Ai Weiwei hat seinen Reisepass wieder erhalten. Er will als Erstes seinen Sohn in Berlin besuchen
Massenverhaftungen von Bürgerrechtsanwälten, ein Sicherheitsgesetz, das jeden Bürger unter Generalverdacht stellt – derzeit geht die chinesische Führung mal wieder besonders unerbittlich gegen potenzielle Kritiker vor und versucht sie einzuschüchtern. Zumindest für einen prominenten Regimekritiker gibt es aber eine gute Nachricht: Ai Weiwei hat seinen Reisepass zurückerhalten.
Der 57-Jährige veröffentlichte am Mittwoch beim Onlinefotodienst Instagram ein Bild von sich und seinem Pass: „Heute habe ich meinen Pass bekommen.“ Eine Mitarbeiterin seines Künstlerateliers bestätigte die Rückgabe. Damit darf Ai das erste Mal nach mehr als vier Jahren wieder das Land verlassen.
Polizisten hatten Chinas berühmtesten zeitgenössischen Künstler im Frühjahr 2011 auf dem Pekinger Flughafen festgenommen und für 81 Tage an einem bis heute ihm unbekannten Ort in Einzelhaft gesteckt. Die Behörden warfen ihm Steuerhinterziehung vor. Später musste das Studio des Künstlers umgerechnet rund 2,2 Millionen Euro zahlen. Zudem erteilten die Behörden ihm Hausarrest.
Seitdem wird er auf Schritt und Tritt bewacht. Zudem laden Beamte ihn regelmäßig zum „Teetrinken“ ein – in der Volksrepublik ein Synonym für Verhöre. Der Hausarrest wurde zwar nach einigen Monaten stillschweigend aufgehoben, sein Pass händigten die Behörden ihm jedoch nicht aus. Damit blieb Ai jede Auslandsreise verwehrt.
Überraschend kommt die Rückgabe seines Passes für ihn aber nicht. Erst vor zwei Wochen deutete er in einem Gespräch mit dieser Zeitung an, dass dieser Schritt schon bald folgen könnte. Ai berichtete, dass seit etwa einem Jahr ein Sicherheitsbeamter für ihn zuständig sei, der sehr viel freundlicher sei. „Der Tonfall hat sich sehr geändert“, sagte Ai.
Im Juni hat er erstmals seit vier Jahren wieder in Peking ausgestellt. Er war mit seinen Werken sogar gleich in drei Galerien präsent. Eine offizielle Genehmigung gab es seinen Angaben zufolge nicht. Er habe es einfach ausprobiert. Razzien oder Verbote blieben aus. Einige Staatsmedien berichteten sogar wohlwollend über seine Werkschauen.
Ai kündigte in dem Gespräch vor zwei Wochen an, dass seine erste Auslandsreise ihn nach Deutschland führen werde. Sein sechsjähriger Sohn Ai Lao lebt seit einem Jahr in Berlin. Zudem wolle er endlich seine Antrittsvorlesung halten. Die Universität der Künste hält ihm seit Sommer 2011 eine Gastprofessur frei. Felix Lee
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen