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So trifft man sich beim Samba

Trommelgruppe Und dann wurde es noch einmal sehr laut und super: Das Projekt „Drum Klub“ der Musiker N.U. Unruh und Lars Neugebauer tagte am Dienstag zum letzten Mal im SO36

Ein bisschen workoutmäßig ist es schon, das früh abendliche, schweißtreibende, gemeinsame Trommeln Foto: Miguel Lopes

von Detlef Kuhlbrodt

Kurz vor acht in der Oranienstraße. Ich stehe mit gemischten Gefühlen und einem Bier vor dem SO36. Gleich wird der Drum Klub tagen. Der Drum Klub wurde 2013 von den beiden Berliner Musikern Lars Neugebauer und N.U. Unruh ins Leben gerufen und ist „eine Bewegung, die Trommeln, Lachen, Tanzen und elektronische Musik verbreiten will“, weiß das Internet. Die Trommelmitmachveranstaltung findet heute zum letzten Mal im SO36 statt.

Auf Trommeln hab ich gerade nicht so viel Lust und befürchte, dass ich alles ganz doof finden werde. Eine Handvoll Touristen – es sind, glaube ich, welche – stehen auch vorm SO36, studieren neugierig das Programm und gehen dann weiter. Die diesige Abendsonne stimmt ein bisschen wehmütig.

Dann geht die Tür auf, und ungefähr 80 Leute rennen in den Veranstaltungsraum, um noch einen guten Platz an einer der vielen Drumbatterien zu bekommen, die im Saal verteilt sind und meist aus fünf unterschiedlich großen Trommeln, mal mit, mal ohne Becken, bestehen. Die Leute sind zwischen Mitte zwanzig und sechzig. Das Licht ist schön disco. Auf der Bühne stehen acht Trommler. Lars Neugebauer gibt den Conférencier und macht gute Stimmung. Als Background läuft perkussive Technomusik. Drumsticks werden verteilt.

„Können wir anfangen?“, ruft Lars Neugebauer, und dann ist es doch überraschend, wie laut es ist, wenn 80 Leute gemeinsam trommeln, und ziemlich toll. Auf der Bühne werden einfache Muster vorgegeben. Die Leute machen nach und mit.

Weil es noch früh am Abend ist, kommt es einem ein bisschen workoutmäßig vor; ich denke an: Santana, DJ Sneak und ein Lied von Felix da Housecat, Ende der 90er, also Samba-Techno; an den Trommler, der immer neben der Schlange vor dem Gemüse-Döner am Mehringdamm auf Eimern und Töpfen trommelt, an die Morgengymnastik im DDR-Fernsehen. Es kommt mir sehr gesund vor, die Leute haben Spaß, schwitzen und lachen. Nur einige sind etwas traurig, weil sie keinen Platz an den Trommeltischen gefunden haben, und gucken zu oder trommeln mit den Sticks an die Wand.

Damit es nicht so anstrengend ist, gibt es zwischendurch Passagen, in denen man seine Füße so und so bewegen soll. Die acht auf der Bühne können sogar hüpfend trommeln. Manche der Zuschauer haben schon zur Pause Blasen an den Händen. Wir stehen draußen, die O-Straße ist sehr okay an diesem Abend.

„Berlin ist nicht nur multikulti und Steinewerfen, sondern auch tolerant“, erklärt ein Touristenführer vor dem SO. Ich rede mit A. und B. über Touristen, die plötzlich seltsame Tippelschritte machen, wenn sie die Straße überqueren. A. erzählt von anderen Trommelprojekten von N.U. Unruh, bei denen mehr Raum für Improvisationen sei. Während A. und B. eher vom Punk kommen und Techno doof finden, geht es mir andersrum. Und so trifft man sich dann beim Samba.

Manche der Zu­schauer haben schon zur Pause Blasen an den Händen

Gegen Ende des Drum-Klub-Abends gehen Leute aus dem Publikum auf die Bühne. Die Trommler werfen Handküsse ins Publikum. Es ist der letzte Drum Klub im SO36. „Ich werde ein bisschen wehmütig. Wir müssen pünktlich aufhören. Wir sind einfach zu laut für diesen Laden“, sagt Lars Neugebauer vor dem letzten Stück.

Und dann wird es noch einmal sehr laut und super. Am Nachmittag war ich noch beim Arzt; jetzt kommt mir der ganze Krach doch sehr heilsam vor. Lars Neugebauer wird von zwei Männern durch die Menge getragen. Sein Hemd ist ganz nass geschwitzt.

Als es dann plötzlich zu Ende ist, ist es ganz still. Zerschlagene Drumsticks liegen am Wegesrand. Nächste Woche gibt es den Drum Klub im Waschhaus in Potsdam. Ein Grüppchen koreanischer Touristen macht noch ein Selfie vor dem SO.

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