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Der Retter lässt antanzen

FUSSBALLVEREIN Schritt für Schritt hat sich der HSV von Investor Klaus-Michael Kühne abhängig gemacht, dessen engster Mitarbeiter den Aufsichtsrat leitet

von Ralf Lorenzen

Wenn mal jemand auf die Idee kommen sollte, einen Gastro-Führer herauszugeben, der ausschließlich Lokalitäten vorstellt, die HSV-Geschichte geschrieben haben, darf die nahe der Außenalster gelegene „Osteria Due“ auf keinen Fall fehlen. „Damals haben meine Frau und ich die van der Vaarts zum Abendessen eingeladen“, erinnerte sich Klaus-Michael Kühne an eine Begegnung an diesem Ort im Sommer 2012. „Es war ein wirklich nettes Treffen, es war eine heile Welt.“

Die HSV-Welt war damals allerdings schon lange nicht mehr heil. Die Vorsaison war auf Platz 15 abgeschlossen worden, die Erstrunden-Partie im DFB-Pokal ging genauso verloren wie der Bundesliga-Start gegen den 1. FC Nürnberg, schon nach dem ersten Spieltag regierte die nackte Angst. Da sah Kühne, der dem klammen HSV schon 2010 einige Spieler vorfinanziert hatte, die Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Ein Glamour-Paar an seine Seite holen und zum HSV-Retter zu werden. „Von der Aufbruchsstimmung werden nicht nur der HSV, seine Mitglieder und die Fans, sondern auch meine Heimatstadt profitieren“, schwärmte er über seine Idee.

Dass der noch relativ neue Trainer Thorsten Fink andere Pläne hatte, die Mannschaft aufzubauen, ging im Kinderglauben von Fans und Presse unter: Der verlorenen Sohn kehrt heim, alles wird gut. Der Verwaltungsratspräsident des Kühne-Konzerns, Karl Gernandt, nannte den van der Vaart-Deal „einen der größten emotionalen Momente für Herrn Kühne“ und sagte über seinen Chef: „Dieser Mann kann das Unmögliche denken.“ Diese und andere Ergebenheitsadressen wurden zwei Jahre später mit dem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der neu gegründeten HSV-AG belohnt.

An der Rückholaktion, die van der Vaart jüngst selbst als seinen größten Fehler bezeichnete, knapst der HSV immer noch. Sie trieb das Gehaltsniveau, das eigentlich abgesenkt werden sollte, in die Höhe und forcierte die Abhängigkeit von externen Geldgebern. Zwei Jahre lang wurde über Finanzierungs- und Organisationsmodelle diskutiert, während die sportliche Entwicklung vernachlässigt wurde. Der Glaube verfestigte sich, dass immer noch alles gut werden könnte, würde nur mehr Geld sprudeln. Die ganze Zeit hielt Kühne dem HSV eine 25-Millionen-Spritze vor die Nase wie dem Hund die Wurst, bis der Verein schließlich zuschnappte und sich mit überwältigender Mehrheit einem Investorenmodell öffnete, das Kühne zum Mitbesitzer machte. Nach langem Poker, bei dem Kühne seinen Rückzug erklärte und die Rückzahlung seiner Darlehen forderte, zahlte er der neuen HSV-Fußball-AG schließlich 18,75 Millionen Euro für 7,5 Prozent der Anteile. Zusätzlich erwarb er für einen weiteren Millionen-Betrag die Namensrechte am Stadion, das nun bis auf weiteres wieder Volksparkstadion heißt.

Während dieser Zeit kamen sich kritische Begleiter dieser Entwicklung mitunter wie Spaßbremsen vor, so euphorisiert war die Hamburger Presselandschaft von Hamburgs erneutem Aufbruch zur Weltmacht. Nun, nachdem der HSV zweimal dem sportlichen Abgrund ins Auge geguckt hat, wird plötzlich der wichtigste Wegbereiter Kühnes zu seinem schärfsten Kritiker. Ex-Aufsichtsrat und Ausgliederungs-Motor Ernst-Otto Rieckhoff warf ihm auf der Mitgliederversammlung Mitte Juni vor, den Preis für die von ihm erworbenen HSV-Anteile gedrückt zu haben und über Karl Gernandt zu viel Einfluss im Aufsichtsrat zu nehmen. Die aktuell Verantwortlichen beim HSV, Präsident Dietmar Beiersdorfer, Sportdirektor Peter Knäbel und Trainer Bruno Labbadia, reden dagegen freundlich über Kühne, Labbadia tanzte zum Antrittsbesuch in Kühnes Feriendomizil auf Mallorca an. Sie werden sich erinnern haben, wie Kühne mit ihren Vorgängern Jarchow, Kreuzer und Slomka umgesprungen ist, denen er Felix Magath vor die Nase setzen wollte. „Ich werde jetzt eine kleine Pause einlegen“, wurde Kühne zuletzt zitiert. Und das ist endlich mal ein Satz, der wirklich Hoffnung macht.

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