: Wo die Einheit warten muss
BRÜCKEN-AUS Weil der Bau einer seit 20 Jahren geplanten Brücke dem Landkreis Lüneburg zu teuer ist, müssen die Leute im Amt Neuhaus weiter Fähre fahren – oder weite Umwege
Wut, Trauer, Enttäuschung: Mit solchen Worten beschrieben gestern viele Menschen im Amt Neuhaus, am Ostufer der Elbe im niedersächsischen Landkreis Lüneburg, ihre Gefühlslage. Denn am Vorabend hatte der Kreistag in Lüneburg beschlossen, dass die Elbbrücke zwischen Darchau und Neu Darchau nicht gebaut wird – aus Kostengründen und nach immerhin 20 Jahren Planung. Wollen die Einwohner bei Niedrig- und Hochwasser, Nebel und Eisgang, also immer dann, wenn die Fähre ihren Verkehr einstellt, nach Niedersachsen, müssen sie daher auch in Zukunft weite Umwege über die Brücken in Lauenburg (Schleswig-Holstein) und Dömitz in Mecklenburg-Vorpommern in Kauf nehmen.
Für Bürgermeisterin Grit Richter (parteilos) bleibt die Deutsche Einheit an diesem Punkt unvollendet: 20 Jahre lang sei die erhoffte Brücke das Symbol dafür gewesen, sagte sie gestern. Sie nun doch nicht zu bauen, sei auch mit Blick auf künftige Generationen ein Fehler. „Wir bleiben ein Stück weit abgeschnitten vom Landkreis“, ergänzt Richters Stellvertreter Frank Fajta. Zu leiden hätten zum Beispiel die Schulkinder: Fällt die Fähre aus, brauchen sie deutlich über eine Stunde bis zur zuständigen Schule nach Bleckede.
Im Jahr 1993 wechselte ein Dutzend Dörfer in einem 30 Kilometer langen und im Schnitt zehn Kilometer schmalen Streifen am östlichen Ufer der Elbe mit damals zusammen rund 6.000 Einwohnern von Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen. Eigentlich hatte dieser Streifen seit Jahrhunderten zu Lüneburg gehört, wurde abernach Kriegsende 1945 von den Alliierten der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen.
Seit dem Länderwechsel vor über 20 Jahren hoffen die Menschen im Amt Neuhaus auf eine Brücke. Vor zwei Jahren hatte bei einer Bürgerbefragung im Landkreis Lüneburg die Mehrheit für einen Brückenbau gestimmt – sofern die Kosten für den Kreis höchstens zehn Millionen Euro betragen würden. Weil es aber kein Geld vom Land Niedersachsen gab, hätte der Kreis letztlich 29 Millionen Euro aufbringen müssen; die Gesamtbaukosten werden auf 60 Millionen Euro veranschlagt.
Bürgermeisterin Richter fordert nun, dass die beiden Fähren zwischen Darchau und Neu Darchau beziehungsweise Bleckede und Neu-Bleckede von den Menschen im Amt Neuhaus kostenlos genutzt werden können. Auch müssten die Schiffe rund um die Uhr verkehren, so Richter weiter: Bislang herrscht von 23 bis 5 Uhr Nachtruhe am Fluss. (dpa)
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