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Es geht auch ohne Hippieträume

Festival Aber ohne Bollywood keine Popmusik: Die Wassermusik im Haus der Kulturen der Welt erkundet diesen Sommer „Mother India“ aus verschiedenen Richtungen

Sie ist der Star dieses Wassermusik-Festivals: Asha Bhosle, die Stimme des Bollywood-Gesangs Foto: Promo

von Thomas Mauch

Es gibt ihn schon, den Klang der Zeit. Das können dann auch eher randständige Instrumente in der (westlichen) Popmusik sein, die zwischendurch zur großen Form auflaufen. Wenn man zum Beispiel da, da, da mal ein Casio hört, kann man sich ziemlich sicher sein, dass dieses Lied Anfang der Achtziger aufgenommen wurde, als der Sound des Spielzeugsynthesizers ein echter Hit war, man mochte es lieben oder auch nicht.

Und Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre liebte man den silbrig singenden Klang der Sitar. Er war das musikalische Currypulver der Stunde, als sich Pop in Richtung Flower Power aufmachte und etwas spirituelle Erleuchtung suchte. Überall war das indische Saiteninstrument zu hören, bei den Rolling Stones, den Byrds, selbst bei den Monkees.

Kultureller Import-Export

Es waren wohl tatsächlich die Beatles, die erstmals mit einer Sitar aufwarteten in einem Popsong. George Harrison spielte sie in „Norwegian Wood“. Das war 1965. Wenig später reisten die Fab Four zu einem Meditationskurs auf den Subkontinent. Indien war plötzlich Pop.

Das Schöne bei dem am Freitag startenden Wassermusik-Festival im Haus der Kulturen der Welt – dieses Jahr mit Indien als musikalischem Leitmotiv – ist, dass solche kulturellen Import-Export-Routen bei den Konzerten auch nachgezeichnet werden. Nachdem aber die Beatles als prominente Botschafter dieses heftigen Flirts zwischen Pop und indischen Klängen schlicht nicht für einen Auftritt zur Verfügung standen, hat man einen nicht minder illustren Zeugen für die in den sechziger Jahren begründete Hippie-Indien-Liaison gefunden.

Wenigstens alle Incredi­ble-String-Band-Fans haben wohl längst schweißnasse Hände in Vorfreude auf den Auftritt von Mike Heron am 31. Juli bei der Wassermusik. Das Gründungsmitglied dieser wunderlich versponnenen und musikalisch gen indienfahrenden Folkband aus Schottland (die auch ihren Auftritt 1969 in Woodstock hatte) wird dabei mit dem pakistanischen Sitar-Virtuosen Ash­ ­raf Sharif Khan spielen.

Dass es dann bei aktuelleren Fusionen von westlichen Popformaten mit indischen Traditionen im Vergleich zu derlei (zeitgeschichtlich) möglicherweise leicht angewelkten Hippieträumen eher deftig auf den Tanzboden geht, ist bei „Mother India“ auch zu erleben, etwa am 24. Juli mit der britischen Band Swami und deren Update vom Asian Underground.

Mother India

Den weltweiten Einfluss der indischen Kultur will das diesjährige Wassermusik-Festival im Haus der Kulturen der Welt nachzeichnen, an vier Wochenenden vom Freitag, 17. Juli, bis Sonntag, 8. August. Neben Konzerten gibt es Gesprächsrunden, Lesungen und ein Filmprogramm. Abendtickets kosten von 10 bis 24 Euro.

Zur Einstimmung gibt es bei der Wassermusik erstmals Yoga-Unterricht, immer freitags um 18 Uhr. Programm: www.hkw.de

Und natürlich ist bei der Wassermusik immer wieder zu hören, dass die populäre Musik in Indien selbst ohne das indische Kino gar nicht denkbar ist mit seinem Dreiklang aus Film, Musik und Tanz. In einer Faustzahl ausgedrückt: Fast Dreiviertel aller verkauften Musik in Indien sollen die populären Filmsongs sein. Wobei man sich der Bedeutung von Bollywood bei Wassermusik auch mit aparten Umwegen nähert, der im Fall des Athener Bouzouki-Ensembles Kompania (es spielt am 1. August) über Griechenland führt: Dort nämlich sollen Bollywood-Filme bereits seit den fünfziger Jahren derart populär gewesen sein, dass manche Hindi-Filmsongs als Coverversionen in den griechischen Pop-Kanon eingingen, die das Ensemble nun in Berlin vorstellt.

Von der Wucht der indischen Filmmusik kann man sich gleich beim Eröffnungskonzert am Freitag überzeugen, mit dem Bombay Connection Orchestra aus Amsterdam (wieder so ein Import-Export-Betrieb), das sich in einer Hommage dem musikalisch vielseitig interessierten Filmkomponisten R. D. Burman widmet.

Der wirkliche Star der diesjährigen Wassermusik-Ausgabe aber ist Asha Bhosle. Die mittlerweile 81-Jährige ist nun wirklich die Stimme des Bollywood-Gesangs. Über 12.000 Lieder soll sie gesungen haben im Laufe ihrer Karriere – und das ist dann der Bedeutung nach doch vergleichbar, als ob die Beatles mal kurz für einen Abstecher an die Spree kämen. Asha Bhosle wird am 1. August bei der Wassermusik singen, es ist ihr erster Auftritt in Deutschland überhaupt.

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