: Letzte homophobe Zuckungen
USA In etlichen Gemeinden im Süden wehren sich Behörden, die „Ehe für alle“ in die Tat umzusetzen. Insgesamt aber scheinen die USA nur auf die Homo-Ehe gewartet zu haben
aus New York Dorothea Hahn
Wer heiraten will, braucht in den USA eine „Marriage Licence“. Diese kleine Macht nutzen in diesen Tagen AmtsdienerInnen, Richter und Politiker, um die Ehe für alle zu sabotieren, die das Oberste Gericht am 26. Juni landesweit eingeführt hat.
In Counties quer durch die Südstaaten – und vereinzelt bis hin nach Kentucky und Ohio – verweigern sie heiratswilligen Paaren die Ehe-Lizenz. Mancherorts sind ausschließlich gleichgeschlechtliche PartnerInnen betroffen. Aber in ländlichen Regionen von Alabama händigen Counties gegenwärtig überhaupt keine „Marriage Licences“ aus.
Die meisten Widerständler begründen ihre Sabotage mit „Gott“, von dem sie zu wissen glauben, dass er gegen die Ehe für alle sei. Manche AmtsdienerInnen in der tiefen Provinz belehren die Obersten RichterInnen in Washington darüber, dass sie ihre „Befugnisse überschritten“ hätten. In Texas erklärt Justizminister Ken Paxton, das Verfassungsprinzip zum Schutz des Glaubens berechtige jeden Beschäftigten, nach persönlichen Ermessen zu entscheiden. In Mississippi sagt Gouverneur Phil Bryant trotzig, die Definition der Ehe bleibe eine Angelegenheit der Bundesstaaten.
Louisiana hat eigenmächtig eine 25-tägige Wartezeit für die Ausgabe von „Marriage Licences“ verfügt. In Ohio will Richter Allen McConnell keine Homosexuellen trauen. Und auf der County-Behörde in Morehead, Kentucky, erfahren David Moore und sein Verlobter erst nach langem Warten, während zahlreiche später gekommene Besucher vorgezogen werden, dass es „im Augenblick“ keine „Marriage Licence“ gebe. Eine Begründung dafür liefert die örtliche Amtsdienerin Kim Davis nicht.
Die Bürgerrechtsgruppe Aclu reicht dagegen Klage ein. Es wird nicht die einzige Klage in dem Kleinkrieg um die Umsetzung des neuen Rechts bleiben. Der Widerstand konzentriert sich in jenen 13 Bundesstaaten, die in den zurückliegenden Jahren Referenden und parlamentarische Abstimmungen organisiert haben, um die gleichgeschlechtliche Ehe zu verbieten. Manche dieser Bundesstaaten ergänzten ihre Verfassungen um den Zusatz, dass eine Ehe ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau möglich sei.
Abgesehen von dem punktuellen behördlichen Kleinkrieg aber verläuft die Umsetzung des historischen Entscheids so glatt, als hätte das Land auf die Einführung der Ehe für alle nur gewartet. An den meisten Orten sind „Marriage Licences“ für gleichgeschlechtliche Paare binnen zwei Wochen zur Routinesache geworden.
Und selbst in konservativen Bundesstaaten ist die Blockadehaltung keineswegs durchgängig. So hat in Georgia Gouverneur Nathan Deal die Debatte über den Gerichtsentscheid beendet, indem er dekretierte: „Das ist jetzt das Recht unseres Landes.“ Und in Michigan verlangte der radikal rechte Gouverneur Rick Snyder Respekt vor dem Entscheid des Obersten Gerichts. Im konservativen Arkansas nimmt die Lokalzeitung bereits Hochzeitsanzeigen von gleichgeschlechtlichen Paaren entgegen, und 688 Geschäfte haben sich auf einer Webseite als „Gay-friendly“ gemeldet.
An der Universität Indiana bezeichnet der Soziologe Brian Powell die behördlichen Störmanöver als „Übergangsprobleme“. Auch Aktivisten aus Bürgerrechtsgruppen sind eher angenehm überrascht. In Baton Rouge, der Hauptstadt von Louisiana, sagt Matt Patterson, ein Sprecher der Gruppe „Equality“, dass er größere Probleme erwartet hätte: „Die meisten Behörden scheinen ganz einfach ihre Arbeit zu tun“.
Wenn sich die Ehe für alle normalisiert haben wird, bleiben andere Komplikationen für Homosexuelle. 21 Bundesstaaten – darunter jene, die gegenwärtig noch die „Marriage Licence“-Vergabe komplizieren – haben keine Antidiskriminierungsgesetze zum Schutz von Homosexuellen. Bei Homophobie bei der Wohnungsvergabe, am Arbeitsplatz, in den Schulen und bei Adoptionen gibt es keine gesetzliche Handhabe, um dagegen vorzugehen. In Monroe, Louisiana, wo manche Prediger noch vom Fegefeuer für Homosexuelle reden, ist erst kürzlich ein schwuler Kellner mit der Begründung entlassen worden, „einen wie dich wollen wir hier nicht“. In Louisiana ist das legal.
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