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Behalt den Schnabel

ERNÄHRUNG Fortschritt im deutschen Hühnerstall: Die Geflügelwirtschaft verspricht, Legehennen und Puten ab 2016 nicht mehr einen Teil des Schnabels zu amputieren

Konventionelle Massenfarmen nutzen Hühner mit gekürzten Schnäbeln Foto: Sven Kaestner/ap

Von Manfred Kriener

BERLIN taz | Der Schnabel bleibt heil. Die deutsche Geflügelwirtschaft will ab August 2016 endlich auf das heftig umstrittene Kürzen der Schnäbel bei Legehennen und Puten verzichten. Junghennen mit kupierten Schnäbeln dürfen nach einer Übergangsfrist noch bis zum Jahresende 2016 eingestallt werden. Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft und die Puten­erzeuger haben sich auf diesen Ausstiegsplan verständigt. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sprach von einem „Erfolg auf dem Weg zu mehr Tierwohl“. Auch mit freiwilligen Vereinbarungen könne viel erreicht werden, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag.

Das Schnabelkürzen wird bei 90 Prozent der Legehennen, aber auch bei Puten praktiziert. Mit dem „heißen Messer“ oder per Laser wird der vordere Teil abgetrennt – nicht nur für Tierschützer ist dies ein barbarischer Akt, zumal der Schnabel ein empfindliches Tastorgan ist. Bei Puten wird meist nur die obere Schnabelhälfte kupiert. Schnabelkürzen soll verhindern, dass sich die Tiere gegenseitig totpicken oder verletzen. In engen Ställen ist ständiges Picken weit verbreitet. Wegen der sehr hohen Legeleistung sind die Legehennen Tierschützern zufolge ohnehin verhaltensgestört, zudem gibt es in großen Beständen mit Tausenden Hühnern keine stabile Hackordnung, sodass ständig Rangkämpfe ausgefochten werden.

Treiber für den Ausstieg war vor allem das Bundesland Niedersachsen, wo Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) das Verbot des Schnabelkürzens kurz nach seinem Amtsantritt für 2016 angekündigt hatte. Vergangenes Jahr hatte der Handel wegen des drohenden niedersächsischen Verbots die Eierlieferanten informiert, dass ab 2017 bundesweit nur noch Eier von Hühnern mit intakten Schnäbeln verkauft würden.

Der Ausstieg sei ein „wichtiger Meilenstein“, jetzt komme es auf die Umsetzung an, sagte Rieke Petter von der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“. Mit starker Verdunkelung, um die Tiere ruhigzustellen, sei es nicht getan. Die Haltungsbedingungen müssten besser werden. „Die Tiere brauchen ausreichend Beschäftigung, Picksteine, aufgehängte Körbe mit Gras, mehr Platz und Auslauf“ forderte Petter.

Jetzt muss das Geflügel besser gehalten werden, sagen Tierschützer

Der BUND bezeichnete den Ausstieg als „überfällig“. Agrar­expertin Reinhild Benning erklärte, es sei längst geltendes Gesetz, dass Schnäbel bei Hühnern und Mastgeflügel nicht amputiert werden dürfen. Daher sei es falsch, von einer freiwilligen Vereinbarung zu sprechen. Der EU-weite Tierschutzstandard werde nachträglich nun auch in deutschen Hühnerställen eingeführt und die ungesetzliche Praxis endlich beendet.

In Österreich ist das Schnabelkürzen schon 2005 abgeschafft worden. Auch im Bio­sektor ist es in der ganzen Europäischen Union verboten.

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