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Unterm Wasser liegt der Schatz

RESSOURCEN Noch vor dem ersten Spatenstich könnte die Weltgemeinschaft auf Jamaika jetzt Regeln für den Abbau von Industrierohstoffen auf hoher See festschreiben

Oh mare mio: Der Mensch will unter dem Meeresboden schürfen Foto: Alamy/mauritius images

von Hermannus Pfeiffer

HAMBURG | „Die Weichen werden jetzt gestellt“, ist Michael Wiedicke-Hombach überzeugt. Am Montag beginnen in Kingston auf Jamaika die Verhandlungen über die Zukunft der Rohstoffe im Meer. Auf der Jahreshauptversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) werden die 159 Mitgliedsländer erstmals über weltweite Regeln für den Abbau von wertvollen Mineralien für Hochtechnologieprodukte verhandeln. Die Zeit drängt, denn schon 2016 könnte es losgehen. Doch Wiedicke-Hombach von der federführenden Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sieht Chancen: „Erstmals in der Geschichte könnte das Regelwerk vor dem Beginn des Abbaus feststehen.“

Im kommenden Jahr laufen die ersten sechs Forschungslizenzen aus: von Südkorea, China und Indien, Frankreich und Russland sowie von einem osteuropäischen Konsortium. Die deutschen Rohstoffsucher sind noch nicht so weit. In zwei Claims, im Zentralpazifik und im Indischen Ozean vor Ma­dagaskar, wird noch nach „Manganknollen“ und „Schwarzen Rauchern“ gefahndet. Der deutsche Industrieverband Deep Sea Mining Alliance plant jedoch schon einen „Pilot Mining Test“ – also Bergbau unter „Echtzeitbedingungen“.

Allerdings ist die hohe See kein rechtsfreier Raum. Doch das Seerechtsübereinkommen (SRÜ), das 1982 auf Jamaika geschlossen wurde, macht nur grobe Vorgaben zum Bergbau. Wie etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen oder die Wiederbesiedelung „danach“ aussehen sollen, ist unter den Ländern ebenso umstritten wie die Verteilung der Gewinne. Das maritime Grundgesetz SRÜ schreibt eine Gewinnbeteiligung für ärmere Länder vor, die sich nicht am Tiefseebergbau beteiligen können. Rohstoffe aus dem Meer gelten als „gemeinsames Erbe der Menschheit“.

Erstmals sitzt mit Barack Obama nun auch ein US-amerikanischer Präsident mit im Rettungsboot: Auf dem Gipfeltreffen im bayerischen Elmau riefen die G-7-Staaten die Meeresbodenbehörde ISA auf, einen wirksamen Kodex für nachhaltigen Tiefseebergbau zu verabschieden. Bislang begnügten sich die USA mit einem unverbindlichen Beobachterstatus auf Jamaika. Wörtlich heißt es: „Wir bekennen uns zum Vorsorgeansatz im Bereich der Tiefseeberg­bauarbeiten.“ Zu den „obersten Prioritäten“ zählen die sieben Regierungschefs allerdings auch die ordnungspolitische Sicherheit für Investoren, die Kapital in die Ausbeutung der Rohstoffe stecken.

Umweltverbände begrüßen die internationale Initiative

Unter Umweltverbänden in aller Welt stieß die mehrseitige Erklärung auf Wohlwollen. Tim Packeiser vom WWF-Meereszentrum in Hamburg spricht von einem „Erfolg“. Es bestehe zwar kein Grund zum Feiern, aber die G-7-Erklärung sei „sehr, sehr schön bis in die Wortwahl“. Und eine Steilvorlage für die Verhandlungen auf Jamaika. Andere, wie die oppositionellen Grünen und Linken in Deutschland, wünschen sich ein Moratorium oder halten Tiefseeberg­bau generell für überflüssig.

Der Optimismus in der deutschen Delegation, die David Wilkens vom Bundeswirtschaftsministerium leiten wird, scheint groß. In den kommenden zwei Wochen will man einen großen Schritt in Richtung einer umweltverträglichen Einigung tun. Aber viele wichtige Fragen sind noch ungeklärt.

Wirtschaftspolitisch gehört dazu vor allem der Umgang mit den „Ausschließlichen Wirtschaftszonen“. Rund 370 Kilometer ragen sie vom Land ins Meer hinein – dafür verantwortlich ist der jeweilige Küstenstaat. „In diesen nationalen Gewässern gibt es noch gar keine Regeln“, warnt Francisco Marí, Meeresexperte des Entwicklungsdienstes Brot für die Welt. Während in der Arktis – auf das fünf Polarstaaten Ansprüche erheben – noch nach Rohstoff- und Ölschätzen gesucht wird, könnte vor Papua-Neuguinea im Pazifik bereits in diesem Jahr weltweit der erste Spatenstich im Tiefseebergbau erfolgen. Am besten unter strengen Auflagen.

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