: Im Visier der US-Geheimdienste
Spionage Die NSA warnte 2011 die Bundesregierung vor einem Leck im Kanzleramt.Der Fall zeigt: Die Regierung weiß schon lange von der Überwachung durch die NSA
Von Christian Rath
Konkret ging es um Hans Josef Vorbeck, der bis 2011 im Kanzleramt stellvertretender Leiter der Abteilung war, die die Geheimdienste steuerte. Er soll dem Spiegel regelmäßig Informationen, auch aus US-Quellen, zukommen lassen haben, sodass die USA amerikanische Interessen gefährdet gesehen hätten. Als Grund für den US-Ärger nennt der Spiegel - ohne die Quelle Vorbeck zu bestätigen - eigene Artikel über vertrauliche US-Armeeberichte aus Afghanistan und US-Kriegstagebücher aus dem Irak.
Im Sommer 2011 gab es einen Spaziergang des CIA-Residenten in Berlin mit Vorbecks Vorgesetztem Günter Heiß, dem Abteilungsleiter im Kanzleramt. Dabei wurde Heiß vor dem Leck in seiner Abteilung gewarnt, so die Schilderung des Spiegel. Kurze Zeit später war Vorbeck seinen Posten los, ohne dass der Hintergrund offengelegt wurde. Vorbeck sollte fortan die Geschichte des BND aufarbeiten.
Über den Fall Vorbeck berichtete Anfang Mai erstmals die Bild am Sonntag (BamS), damals noch ohne Namensnennung. Am 21. Juni legte die BamS dann nach und präsentierte erstmals den Namen Vorbeck und seine Versetzung „ins Archiv“.
Diese Medienberichte waren auch Anlass, dass Heiß am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss in die Mangel genommen wurde. Gab es bereits 2011 Hinweise auf NSA-Bespitzelung der Bundesregierung?, wollten die Abgeordneten wissen. Warum wurden weder die Staatsanwaltschaft noch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags darüber informiert? Heiß wand sich. „Es lag kein hinreichend konkreter Verdacht vor, an den wir konkrete Maßnahmen hätten anknüpfen können“, lautete nach einigem Hin und Her seine dürre Antwort.
Jetzt legte der Spiegel nach und schilderte erstmals, gegen welches Medium sich die Aktion richtete: nämlich gegen den Spiegel selbst. Das hätten mehrere Regierungsquellen in Berlin und Washington bestätigt.
Hans-Georg Maaßen hat aktuell gleich drei Strafanzeigen gestellt. Der Präsident des Bundesamts für den Verfassungsschutz moniert laut Deutschlandfunk (DLF), in drei Fällen sollen Dienstgeheimnisse an die Presse gegeben worden sein. Zweimal ging es um Veröffentlichungen des Blogs netzpolitik.org, der über eine Intensivierung der Internetüberwachung durch den Verfassungsschutz berichtete.
Im dritten Fall hatte die SZ den vertraulichen Bericht über den Tod des V-Mannes „Corelli“ erhalten, den der Ex-Abgeordnete Jerzy Montag (Grüne) als Sonderermittler des Bundestags erstellte. Strafbar wären jeweils nicht die Medien, sondern deren Informanten. In den Netzpolitik-Fällen ermittelt laut DLF bereits der Generalbundesanwalt. (chr)
Woher die Amerikaner ihre Informationen hatten, steht nicht sicher fest. Denkbar ist, dass es einen NSA-Spitzel in der Regierung oder beim Spiegel oder bei beiden gab. Als wahrscheinlicher gilt aber, dass Telekommunikation ausgewertet wurde.
Dafür dass die NSA bei der Regierung ansetzte, sprechen Enthüllungen von Wikileaks, über die die Süddeutsche Zeitung vor wenigen Tagen berichtete. Dort wurden einzelne Gespräche von Kanzlerin Merkel veröffentlicht, die die NSA abgehört hatte, sowie eine Liste weiterer Regierungsstellen, die wohl ebenso überwacht wurden.
Für den Spiegel als Überwachungsobjekt spricht, dass mehrere seiner Redakteure im Sommer 2013 von Regierungsbeamten gewarnt wurden, sie würden von den Amerikanern abgehört. Damals ging es der Regierumg wohl darum, den NSA-Enthüller Edward Snowden zu schützen, mit dem der Spiegel zusammenarbeitete. Näheres kann jetzt Generalbundesanwalt Harald Range aufklären. Am Freitag hat der Spiegel Strafanzeige wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ gestellt.
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