Pressefreiheit in Birma: Die Sicherheit des roten Strichs

Vor drei Jahren wurde die Pressezensur in Birma abgeschafft. Aber viele Journalisten im Land sind von der neuen Freiheit überfordert.

Zeitung Daily Eleven mit teils schwarzer Titelseite

Rangun: Im April 2014 erschien der „Daily Eleven“ als Protest gegen die Inhaftierung von Journalisten mit einer teils schwarzen Titelseite. Foto: ap

RANGUN taz | Eine gewisse Sicherheit haben ihm die roten Striche der Zensurbehörde in seinen Texten ja gegeben. „Wir veröffentlichten nur, was freigegeben war. So konnte uns eigentlich nichts passieren“, erzählt Wa Lone. Der 29-Jährige arbeitet als Reporter für die Myanmar Times. Einer seiner Kollegen ist derzeit vom Dienst suspendiert, weil er für die Veröffentlichung eines Cartoons verantwortlich war, der dem Militär nicht gefallen hat. „Du kannst schreiben, was du willst. Aber die Konsequenzen sind schwer abzuschätzen“, sagt Wa Lone.

Drei Jahre ist es her, dass die Zensur in Birma abgeschafft wurde. Langsam hat sich das Land, das fünf Jahrzehnte lang von einer Militärjunta unterjocht wurde, seither geöffnet. Die Pressefreiheit galt stets als Test für die Demokratie: Mehr Demokratie bedeutete weniger Sanktionen aus dem Westen.

Wa Lone besuchte nie eine Journalistenschule. Er hat seinen Beruf gelernt, indem er ihn einfach ausübte. Wie Journalisten in einem demokratischen System arbeiten, konnte er sich von niemandem abschauen. Auch ältere Kollegen kannten nur Repression und Zensur. Wa Lone wollte von ausländischen Journalisten lernen, die in Birma arbeiten, und er wollte sein Englisch verbessern. Also ging er 2013 zur Myanmar Times. Die Zeitung veröffentlicht auf Englisch, seit Kurzem täglich. Weil der Zensurprozess so lange dauerte, gab es lange Zeit keine Tagespresse in Birma.

So gut wie jeder Journalist, den man in Birmas größter Stadt Rangun trifft, hat schon mal an einem der zahlreichen NGO-Trainings für Journalisten teilgenommen. An handwerklichen Grundlagen mangelt es jedoch noch immer.

Erste freie Journalistenschule

Im vergangenen Sommer wurden fünf Journalisten der Wochenzeitschrift Unity zu zehn Jahren Haft verurteilt. Sie hatten über eine angebliche Atomwaffenfabrik des Militärs berichtet. Amnesty International sprach damals von einem schwarzen Tag für die Meinungsfreiheit in Birma. Wa Lone sieht das differenzierter: „Der Bericht basierte auf Gerüchten, und das wurde von den Reportern nicht deutlich gemacht.“

Myint Kyaw, Journalist

„Jahrzehntelange Unterdrückung macht sensibel.“

Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Myint Kyaw ist Journalist und Direktor der ersten freien Journalistenschule in Birma, die vor einem Jahr gegründet wurde. Außerdem ist er Mitglied im neuen Presserat, der einen Pressekodex für Journalisten herausgegeben hat. Es gefalle nicht jedem, auf ethische Grundlagen aufmerksam gemacht zu werden, manche hätten es als Maßregelung missverstanden. „Jahrzehntelange Unterdrückung macht eben sensibel“, erklärt er.

Und plötzliche Meinungsfreiheit kann überfordern. Lange Zeit war das Internet in Birma der einzige Raum für ungefilterte Informationen. Seine Glaubwürdigkeit ist deshalb hoch. Anschuldigungen, Gerüchte und Beschimpfungen, die im Internet veröffentlicht werden, können schnell zu realen Konflikten anwachsen.

Umsicht lernen

„Hate Speech findet nicht nur in den sozialen Medien statt. Auch unsere Journalisten müssen lernen, mehr Verantwortung wahrzunehmen“, sagt Myint Kyaw. 2014 haben über 600 Journalisten an seinen Workshops zum Thema „Konfliktsensibler Journalismus“ teilgenommen. Dort lernen die Teilnehmer, vorsichtig mit Fotos der Opfer von Gewaltverbrechen umzugehen oder Herkunft und Religion von Kriminellen nicht preiszugeben.

Im Herbst sollen in Birma die ersten freien Wahlen stattfinden. Besonders gefragt sind deshalb Trainings zur Wahlberichterstattung. „Wir wissen ja gar nicht, wie demokratische Wahlen eigentlich funktionieren“, sagt Wa Lone.

Auch die Regierungsseite muss ihre Rolle neu definieren. „Wir können jetzt zwar alles schreiben, aber oft scheitern wir daran, dass wir keine Informationen bekommen“, sagt Wa Lone. Der Presserat trainiert seit Kurzem Ministeriumsmitarbeiter. Die Europäische Union finanziert ein Programm, bei dem Polizeibeamte in Medienarbeit geschult werden.

„Wir sind wie Kinder, die noch nicht laufen können“, beschreibt der Reporter die Situation der Journalisten in Birma und lacht. „Eigentlich müsste man uns tragen.“ Wa Lone will so schnell wie möglich im Ausland weiterstudieren. Sein birmesisches Diplom in Geografie hat er nach nur drei Monaten bekommen. „Einen selbstbewussten Journalisten macht das nicht aus mir“, sagt er.

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