: Der PR-Parcours
BARRIEREN Die Bremer Straßenbahn AG ist stolz auf den neuen Rolli-Parcours im „Depot“. Dabei ist der weder neu noch sonderlich wertig installiert
Wer Blindsein ausprobiert, stößt sich schon mal den Ellenbogen blutig. Schweißtreibend ist es, sich mit einem Rollstuhl über Böden fortzubewegen, die zum Versinken einladen. Und zum Weinen kann es animieren, wenn ein prima Projekt zu einer verbalen Schulterklopfveranstaltung wird – so wie bei der Eröffnung des „Rolli-Parcours“ im „Depot“, des Freundesvereins Bremer Straßenbahn (BSAG).
Die BSAG nutzte den Anlass zur PR in eigener Sache – fürs Image als Vorkämpferin für eine barrierefreie Hansestadt. Geladen waren Hochschulprofessoren, Krankenkassenvertreter, Sanitätshausinhaber und der Verkehrssenator. Einen lud der BSAG-Sprecher allerdings erst nach einigen Aufforderungen aus der ersten Zuhörerreihe zur Fachleute-Gala: den Defizite benennenden Landesbehindertenbeauftragten Joachim Steinbrück.
Dass die BSAG sich als Initiator des Parcours präsentierte, wirkte aufgesetzt, denn was im „Depot“ jetzt live erlebt werden kann, wurde laut Carsten Müller, Bremer Hochschul-Professor für Verkehrswesen, „bereits vor 15 Jahren von der Werkstatt Bremen hergestellt und genutzt – auf Stadtfesten, Messen, Plätzen und Bildungseinrichtungen“.
Zwei Jahre lang bot Müller vergeblich den Parcours in Bremen zur Nachnutzung an. „Erst der neue BSAG-Boss gab grünes Licht und genehmigte als notwendige Voraussetzung eine Behindertentoilette im Museum“, so Müller.
Sonst aber scheint die BSAG sich zurückgehalten zu haben. Der Parcours wirkt wacklig in den Tram-Garagen-Saal hineinimprovisiert statt wertig integriert. Für den Blindengang durch eine Straßenbahn waren nicht einmal 200 Euro für einen Taststock übrig.
Sieben Stationen laden ein, die Schwierigkeiten gehbehinderter Menschen zu erfahren: zu kleine Wendeplätze, nicht ausreichend verdichteter Untergrund. Das Selbstexperiment sollte immer in Begleitung durchgeführt werden, denn es gilt, das Kippmoment zu erlernen.
Ab sofort wird dabei zweimal im Monat der Verein „Selbstbestimmt Leben“ helfen. Jens Fischer
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