3.000 Anschläge auf die Koalition (18): Reinhard Leopold fordert deutliche Verbesserungen in der Pflege: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben
Die Nachwahlrangeleien haben die Programme verflüssigt: Es tauchen Pläne auf, Ideen werden konkretisiert und Vorhaben benannt, von denen vor dem 10. Mai noch gar nicht so recht die Rede war. So wollen die designierten Koalitionäre ihre Profile schärfen. Die Gastkommentar-Serie der taz hilft Grünen und SPD dabei: Hier bündeln AkteurInnen der Zivilgesellschaft ihre Forderungen in Texten von je 3.000 Anschlägen.
Im letzten Teil unserer Serie: Reinhard Leopold, Gründer und Sprecher der Bremer Pflege-Initiative „Heim-Mitwirkung“.
Berichte über unhaltbare Zustände in Pflegeheimen finden immer häufiger den Weg in die Medien, dürften aber nur die berühmte „Spitze des Eisbergs“ sein. Gewalt, Personalnotstand, Betrug, Leistungsmissbrauch und weitere Probleme werden beklagt. Doch Aufklärung über Ursachen gibt es kaum. Hier könnte die Bremer Koalition ein Zeichen setzen, indem eine jährliche Veröffentlichung der Prüfergebnisse der Bremischen Wohn- und Betreuungsaufsicht ins Gesetz geschrieben wird.
Eine gute Gelegenheit dazu besteht: Das Bremische Wohn- und Betreuungsgesetz tritt Ende 2015 außer Kraft. Doch leider war Pflege weder ein Thema im Wahlkampf noch während der bisherigen Koalitionsverhandlungen.
Dabei ist die Stärkung der Rechte pflegebetroffener Menschen und ihrer Interessenvertreter ebenfalls lange überfällig. Statt des bisherigen Rechts auf „Mitwirkung“ ist die vollumfängliche Information, Beteiligung und Mitentscheidung über alle sie betreffenden Dinge zu fordern. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie höchstens unzureichend beteiligt werden. Ein Heimplatz ist teuer – da sollte Transparenz und Mitbestimmung selbstverständlich sein! Auch hier hat die künftige Koalition Gelegenheit, dies im Gesetz beziehungsweise in der ausstehenden Mitwirkungsverordnung zu verankern.
Dringend notwendig ist auch die Fortsetzung der ausgesetzten Schulungen der Bewohnerbeiräte und -fürsprecher. Aufgrund personeller Unterbesetzungen, interner Umstrukturierungen und erweiterter Aufgaben scheint die zuständige Wohn- und Betreuungsaufsicht allerdings dazu momentan nicht in der Lage zu sein. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Organisationen sollte schnellstens erfolgen, um dieses Defizit zu beseitigen.
So bietet die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) Schulungen an. Die Kosten dafür sollten von den Pflegeanbietern übernommen werden und die Teilnahme verpflichtend für die Interessenvertreter sein.
Es ist zudem nicht akzeptabel, wenn nur eine Halbtagskraft als Leitung der Wohn- und Betreuungsaufsicht für ganz Bremen tätig ist. Ihr stehen aktuell lediglich sieben Mitarbeiter zur Verfügung: für rund 100 Heime, 30 ambulant betreute Wohngemeinschaften und 35 Tagespflegeeinrichtungen, 70 unterstützende Wohnformen sowie 60 ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen, 25 unterstützende Wohnformen und 90 ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit psychischen- und Suchterkrankungen.
hat 2006 die Pflege-Initiative „Heim-Mitwirkung“ gegründet und engagiert sich seit 2002 im Bereich Pflege und Gesundheitspolitik.
Die bessere Ausstattung wird ohne Anhebung des entsprechenden Budgets nicht zu realisieren sein. Hier könnte eine Beratungs- und Prüfgebühr der Behörde für die Pflege-Anbieter helfen. Ein PKW-Halter muss anfallende TÜV-Gebühren schließlich auch selbst zahlen.
Die Wähler haben der Politik bei der Bürgerschaftswahl deutlich gezeigt, dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf. Nun ist es an der neuen Koalition, endlich die Situation pflegebetroffener Menschen deutlich zu verbessern!
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