Kommentar von Kristof Botka: Dem Hass Tür und Tor geöffnet
Pfandsammler vertreiben für einen guten Zweck? Zu diesem Drahtseilakt fühlte sich in diesem Jahr der Veranstalter des Hurricane-Festivals, FKP Scorpio, berufen. Um das Pfandsammeln durch große, organisierte Gruppen zu unterbinden, verbot er das sogenannte „gewerbliche Pfandsammeln“ und ließ freiwillige Lotsen für „Viva con Agua“ sammeln. Doch obwohl andere Sammler so angeblich nicht vertreiben werden sollten, brachte die neue Regelung für sie Übergriffe und Platzverweise mit sich. Betroffen waren vor allem schwarze Flüchtlinge.
Auch für FKP Scorpio gilt: Wer ein Problem aus der Welt räumen will, der muss es zunächst benennen. Genau das hat der Veranstalter des „Hurricane“ versäumt. Mit Begriffen wie „gewerblichem Sammeln“ und „festivalüblichen Mengen“ setzte sie keine klare Grenze zwischen einzelnen Sammlern und den von ihnen unerwünschten organisierten Gruppen, zumal auch einzelne Sammler bereits gewerblich sammeln, wollen sie damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Veranstalter überließ durch sein inkonsequentes Handeln den Umgang mit Pfandsammlern, welcher Art auch immer, der Willkür des zuständigen Sicherheitspersonals und der Polizei. An deren Übergriffen trägt sie deshalb auch eine Mitschuld.
Dass es zu Vorfällen besonders gegenüber schwarzen Mitmenschen kam, zeigt wie gefährlich dieses Versäumnis war. Sie stellten sich für die Sicherheitskräfte, Polizisten und Besucher als die offensichtlichste, vermeintlich organisierte Gruppe dar, an der sich ihre Ablehnung entladen konnte. Dass sie jedoch in den meisten Fällen allein oder zu zweit unterwegs waren, enttarnt deren Sanktionierungen als rassistisch motivierte Diskriminierungen. Die Hautfarbe reichte aus, um in den schwarzen Sammlern einen gemeinsam agierenden Gruppe zu identifizieren.
Besonders fatal ist, dass es ausgerechnet Mitarbeiter des Festivals waren, durch die es zu den Vorfällen kam. Zumal der Veranstalter FKP Scorpio auf seiner Webseite betont hatte, „rassistische Belästigungen sofort zu ahnden“ und Übeltäter des Geländes zu verweisen. Gerade in Zeiten enormer Flüchtlingsströme, mit denen immer mehr schwarze Mitmenschen nach Deutschland kommen, bedürfen sie besonderem Schutz vor Diskriminierung. Im Alltag durch uns alle und in diesem Fall eben auch durch den Veranstalter. Auf dem Hurricane hat das nicht geklappt.
Ein zweifelhafter Beigeschmack bleibt ebenfalls im Vorgehen von FKP Scorpio gegen das Sammeln an sich. Das Pfandsammeln ist einer der letzten unregulierten Wege, Geld zu verdienen. Daher ist es für viele am unteren Rand der Gesellschaft die einzige Möglichkeit, allein wieder auf die Beine zu kommen. Abgesehen von der unklaren Definition dessen, was der FKP Scorpio an Sammler-Klientel eigentlich loswerden wollte, schnürt sie mit ihrem versteckt auf der Website erklärten Verbot auch noch vielen Menschen finanziell die Luft ab. Da hilft es auch nicht, sich hinter einem gemeinnützigen Partner wie „Viva con Agua“ aus der Schusslinie zu ducken.
SEITE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen