: Schweigen statt bauen
Islam In der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Hachenburg sollte erstmals eine Moschee errichtet werden. Doch das Bauprojekt scheiterte, bevor es wirklich begonnen hatte. Über die Gründe dafür wollen die wenigsten Verantwortlichen offen reden
Aus Hachenburg Anja Krüger
Hachenburg liegt auf der Landkarte etwa dort, wo das Fuchs- und Hasesymbol eingezeichnet ist. Im Nirgendwo zwischen Köln, Frankfurt und Koblenz. Montabaur, der Heimat des Germanwings-Piloten Andreas L., ist rund 30 Kilometer entfernt. Hachenburg hat knapp 6.000 Einwohner, ein Schloss, herausgeputztes Fachwerk, ein Schulungszentrum der Bundesbank, mehrere Kirchen. Und: keine Moschee. Fremdenverkehr ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Aber für muslimische Nachbarn, die ihre Religion ausüben wollen, gibt es hier im buchstäblichen Sinne keinen Platz.
„Wir sind froh, dass in unserem christlich orientierten Städtchen die ‚Welt noch in Ordnung‘ ist“, schrieben Bürger in einer Onlinepetition gegen den geplanten Bau einer Moschee. Das war Ende 2014.
Die Onlinepetition wurde gesperrt, weil die Initiatoren anonym bleiben wollten. Trotzdem erfüllte sie ihren Zweck, die Welt der christlichen Hachenburger bleibt in Ordnung. Die Moschee, die unter der Regie der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) neben dem Haus des Schützenvereins entstehen sollte, wird nicht gebaut. Vorerst, heißt es. Aber ein alternatives Grundstück gibt es nicht.
„Im Moment gibt es keine neuen Pläne“, sagt Ali Torun, der gemeinsam mit anderen muslimischen Familien vor etwa sechs Jahren einen Verein gegründet hat. Rund 150 Mitglieder sammeln Geld für den Bau der sunnitischen Moschee.
Im vergangenen Jahr wurden die Pläne konkret. Die Stadt stellte dem Verein das Grundstück am Stadtrand in Aussicht, neben der Schützenhalle. Ein Architekt legte einen Vorentwurf vor, alles schien gut zu laufen. Doch plötzlich wogte im Internet eine Welle der Empörung hoch, auf Facebook übertrafen sich Hetzkommentare, die Online-Petition wurde gestartet. „Das ist eine Beleidigung uns Deutschen gegenüber“, hieß es. „Die westliche Einstellung, das Grundgesetz der BRD, sowie unsere gültigen Gesetze sind mit dem Islam und deren Kultur nicht vereinbar“, schrieb ein Kommentator. Eine Provinz-Pegida im Westen begann – eine mit Erfolg.
Islamhasser oder nicht?
Die SPD und die Grünen wollten die Moschee trotz der Aufregung, die CDU kippte um – Abstimmungen im Stadtrat gab es keine. Inmitten des virtuellen Aufruhrs fiel der Stadtverwaltung auf, dass der Schützenverein eine sogenannte Dienstbarkeit auf das an sein Haus angrenzende Grundstück hat. Er darf es als Parkplatz und für sein Schützenfest nutzen. So steht es im Grundbuch.
Der Stadtrat legte den Moscheebau Anfang Dezember auf Eis. Ob Absicht dahintersteckte, dass die Stadt ein Grundstück anbot, auf das der Schützenverein eine Option hatte, lässt sich schwer sagen. „Peinlich ist das allemal“, sagt Regina Klinkhammer, die bis zu den letzten Kommunalwahlen für die Grünen im Rat saß. Die Mehrzahl der Hachenburger Kommunalpolitiker will die Sache am liebsten vergessen.
„Wir wollen uns nicht dazu äußern und Ruhe einkehren lassen“, sagt ein Christdemokrat. Erst recht, seit diese Sache mit Pegida angefangen habe, sagt er. In einen Topf mit den Islamhassern wollen die Hachenburger nicht geworfen werden. Im Rathaus will man sich auch nicht äußern, ebenso wenig von Seiten der Ditib. „Wir wollen kein weiteres Öl ins Feuer gießen“, sagt Kenan Levent vom Ditib-Vorstand Rheinland-Pfalz.
Das Projekt sei für die Hachenburger wohl zu viel gewesen. „Bis jetzt gibt es nicht einmal einen Gebetsraum“, sagt er. Deshalb habe sie das Moschee-Projekt überfordert, glaubt Levent. Doch die meisten Hachenburger wollen etwas anderes glauben machen. Ob im Cafe, in der Stadtbücherei oder auf den schmucken Plätzen – wen man auch fragt, hier hat angeblich niemand etwas gegen eine Moschee.
Text der Online-Petition
„Die Diskussion stellt sich nicht, weil es kein Grundstück gibt“, sagt eine resolute Frau in mittleren Jahren – wie viele andere. Die Stadt stellte den Moschee-Initiatoren zwar ein anderes Grundstück in Aussicht, aber daraus wurde nichts.
So offen wie der junge Mann im T-Shirt mit Aldi-Enblem, der im Kebab-Pizza-Haus zu Mittag isst, sind in Hachenburg wenige. Die Politiker sind alle gegen die Moschee, sagt er. „Sie sagen das nur nicht, weil sie Angst haben, dann für Nazis gehalten zu werden“, sagt er. Der junge Mann ist entschieden gegen ein islamisches Gotteshaus und hat die Onlinepetition dagegen unterschrieben. Schließlich gebe es im Nachbarort Betzdorf schon eine Moschee, sagt er. „Die können doch Fahrgemeinschaften bilden und dahin fahren.“
Ihm gegenüber sitzt ein Kollege in einem T-Shirt mit Lidl-Logo. Er hat nichts gegen die Moschee. „Das sollte ein ganz normales Haus werden, es hätte auch nicht anders ausgesehen als das der reformierten evangelischen Gemeinde“, sagt er. „Ganz ohne Minarette.“ Und abgelegen am Stadtrand wäre die Moschee auch gewesen. „Warum sollte man was dagegen haben?“, fragt er.
Unklarer Frontverlauf
Der Mann im Aldi-Shirt sieht das anders. „Es muss nicht in jedem Ort eine Moschee geben – so wie es Kirchen gibt“, sagt er. „Wir sind in einem christlichen Land.“ Er erzählt unbefangen von der krawallträchtigen Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln, bei der er war. Er glaubt, dass 30 Prozent der Einwohner Hachenburgs Muslime sind. Sein Gegenüber lacht laut. „Na hör mal“, sagt er. „Es sind vielleicht höchstens 5 Prozent.“
In Hachenburg findet die gleiche Auseinandersetzung statt wie anderswo: Gehört der Islam zu Deutschland, und wenn ja, was bedeutet das? Die Frontverläufe sind nicht gradlinig. Nicht nur die eindeutig Rechtsradikalen sind gegen die Moschee, auch viele, die fest davon überzeugt sind, keine zu sein.
Peter Klein ist einer von ihnen. Der große schwere Mann, der lange Jahre der aufgelösten Wählervereinigung Liste 94 vorgestanden hat, verbittet sich, als Rechter abgestempelt zu werden. Klein ist strikt gegen den Moscheebau. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, sagt er. „Wir sind ein christliches Land.“ Der Stadtrat habe die Bürger überrumpelt. „Wenn die SPD gesagt hätte, dass sie eine Moschee will, wäre sie nicht gewählt worden“, glaubt er. „Ein großer Teil der Hachenburger hat sich überfahren gefühlt.“
Seine Kumpels vom Stammtisch sähen das genauso. Wenn Peter Klein über die Moschee zu reden beginnt, dauert es keine halbe Minute, bis er beim Thema Türkei angekommen ist. „Was würden die Türken wohl sagen, wenn wir da christliche Kirchen bauen würden?“, fragt er – und ist an einer Antwort nicht interessiert. Auch dass die Unterstützer des Moscheebaus immer wieder über ihr Projekt informiert haben, prallt an ihm ab.
Beim Katharinenmarkt im November – dem größten Eintagesmarkt in Rheinland-Pfalz – präsentierten Ali Torun und seine Mitstreiter mehrfach an einem Stand ihre Pläne. „Darauf kommt es doch gar nicht an“, ruft Klein. Aber worauf es ankommt, kann er nicht sagen. Geht es nach ihm, stellt die Stadt dem Verein auch künftig kein Grundstück. Ein Problem mit der Türkei hat auch ein Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Allerdings ein ganz anderes. Der Mann ist selbst vor Jahrzehnten vom Bosporus nach Deutschland gekommen. „Das mit dem Moscheebau ist ein Trend, der aus der Türkei hierhin kommt“, sagt er. „Das sind die Erdogan-Leute und die AKP, die das wollen.“ Deswegen ist er nicht begeistert. „Wir brauchen so etwas nicht.“ Die Moschee in Betzdorf reiche völlig aus.
Von Bekannten weiß er aber, dass einige Muslime die Absage der Stadt schwer verstimmt hat. Das versteht er: „Die fühlen sich ganz schön verarscht.“ So würde das Moschee-Initiator Ali Torun nie ausdrücken, dazu ist er viel zu höflich. „Wir haben uns im Stich gelassen gefühlt“, sagt er stattdessen. Etwa 350 Muslime leben in der 6.000-Seelen-Gemeinde, schätzt er.
„Es geht nicht nur ums Beten“, sagt Torun. Wenn es nur darum ginge, könnten die Gläubigen tatsächlich zum Freitagsgebet nach Betzdorf oder nach Selters fahren, dem anderen Nachbarort, in dem es eine Moschee gibt. Aber Familien möchten, dass ihre Kinder Unterricht bekommen. „Die Familien sagen: Unsere Kinder kriegen ja gar nichts mit vom Islam“, erklärt er. Es soll ein Gemeindezentrum entstehen.
In Hachenburg gibt es zwei evangelische Kirchen, eine katholische, eine Freikirche, auch die Zeugen Jehovas haben einen Raum. Eine Moschee dagegen erscheint etlichen hier als bedrohlich, als Anziehungspunkt für Hassprediger und Terroristen. „Die Gegner arbeiten mit Angst“, sagt Jürgen Schneider vom Grünen-Kreisverband Westerwald. Sie könnten damit Erfolg haben. Es gibt nur noch wenige in der Verwaltung, die öffentlich Stellung für die Moschee beziehen. Masoud Afchar ist dritter Stellvertreter des Bürgermeisters, will aber nur als Privatmann reden. Der Grüne stammt aus dem Iran und hat ein distanziertes Verhältnis zum Islam. Für ihn steht fest: „Es geht um das Grundrecht auf Religion.“ Deshalb setzt sich Afchar für die Moschee ein. Die Chancen stehen schlecht. „Jetzt ist Stillstand“, sagt er. „Keiner redet mehr von der Moschee.“
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