piwik no script img

Groß, größer, Groth

Wohnungsneubau Die Groth Gruppe ist der größte Investor in Berlin. Mit den Anrainern und deren Sorgen hat sie aber ihre Schwierigkeiten. Und wegen der Politik des Senats droht sie schon mal, Berlin zu verlassen

VON UWE RADA

„Lebendig, bodenständig und vielfältig“: So soll es an der Lehrter Straße künftig zugehen. Zumindest im „Quartier Lehrter Straße“ zwischen dem Poststadion auf der einen Seite und der neuen „Europa-City“ auf der anderen. Tausend Wohnungen sollen auf dem knapp vier Hektar großen Grundstück entstehen, darunter mehr als 250 Studentenwohnungen. Denn eines ist dem derzeit größten Wohnungsbauinvestor Berlins wichtig, so Geschäftsführer Thomas Groth: „Wir wollen für den Mittelstand bauen und nicht nur für die gehobenen Einkommensschichten.“ Das klingt nett. Aber so einfach ist es nicht.

Thomas Groth ist der Sohn von Klaus Groth, einer schillernden Unternehmergestalt aus Westberliner Zeiten. Damals verdienten die Baulöwen ihr Geld noch mit den Subventionsmilliarden des sozialen Wohnungsbaus. An diese Machenschaften der Firma Groth und Gralfs soll in der neuen Groth Gruppe nicht mehr viel erinnern. Und wenn es andere, wie eine Bürgerinitiative in der Lehrter Straße, dennoch versuchen, bekommen sie es womöglich mit einem Anwalt zu tun: Im Juni 2013 wollte der Betroffenenrat Lehrter Straße die SFB-Doku „Klaus Groth. Eine Berliner Karriere“ aus dem Jahr 2001 öffentlich zeigen. Daraufhin drohte Klaus Groth persönlich mit rechtlichen Schritten. Sein Sohn Thomas begründet das Vorgehen seines Vaters so: „Der Film geht stark gegen meinen Vater. Wie er da dargestellt wird, ist eine Schande.“

Schön smart daherreden

Tatsächlich ist die Groth Gruppe des Sohnes eine andere Firma als „Groth und Gralfs“. Das liegt auch an Henrik Thomsen. Der ehemalige Mitarbeiter der Firma CA-Immo, die die ehemaligen Flächen der Bahn vermarktet, wechselte vor geraumer Zeit zur Groth Gruppe und brachte einen smarten, kommunikativen Stil mit. Thomsen ist kein Polterer, sondern ein kluger Stratege, der weiß, was in der Öffentlichkeit ankommt. Also sagt er: „Es ist schade, wenn Partizipation immer so buchstabiert wird, dass es da die einen gibt, die gegen alles sind, und die, die alles wollen.“ Für Thomsen geht es um die Kompromissfähigkeit. „Eigentlich wollen wir doch alle mit der Partizipation klüger werden: Wie können wir ein Projekt gestalten, damit es auch den Anrainern guttut?“

„Nur wenn wir toleranter werden, können wir die Stadt erhalten“

Investor Henrik Thomsen

Doch gerade Anrainer, nicht nur in Moabit, sind nicht gut auf den Investor zu sprechen. Der Betroffenenrat Lehrter Straße fürchtet, dass mit den schicken neuen Wohnungen die Preise im ehemals alternativen Altbaukiez drastisch steigen. Auch am Mauerpark an der Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Wedding, wo die Groth Gruppe 550 Wohnungen bauen will, gibt es die selben Befürchtungen und seit Jahren heftige Proteste. Einen drohenden Bürgerentscheid hat Bausenator Andreas Geisel (SPD) verhindert, indem er das Verfahren wegen seiner „gesamtstädtischen Bedeutung“ an sich riss. Der Widerstand wächst zudem in Lichterfelde-Süd. Auf dem ehemaligen US-Übungsgelände Parks Range will die Groth Gruppe 4.700 Wohnungen bauen. Auch dort sammeln Gegner Unterschriften.

Wenig überraschend hat Henrik Thomsen mit der direkten Demokratie in Berlin dann auch etwas mehr Bauchschmerzen als mit der Partizipation: „Für direkte Demokratie sind wir reif, wenn alle Bürger bereit sind, sich mit der Tiefe der Thematik auseinanderzusetzen.“ Thomas Groth argumentiert populistischer: „Von der Stiftung Zukunft Berlin hat mal einer gesagt, die Politiker und die Vertreter der Stadtgesellschaft sollten an einen Tisch kommen. Aber wer sind denn die Vertreter der Stadtgesellschaft? Das sind doch die Politiker.“ Ganz offensichtlich sind Bürgerbegehren dem Geschäftsmodell Wohnungsbau, das die Groth Gruppe neu definiert hat, nicht immer zuträglich.

Doch nicht nur das Volk stellt eine Gefahr da, auch die Politik. Thomas Groth: „Immer, wenn wir mit dem Senat zusammensitzen, heißt es in den ersten 20 Minuten: Wir brauchen Wohnungen. In den nächsten 20 Minuten geht es dann um die zahlreichen Hürden.“ Was Groth damit meint, ist die „kooperative Baulandentwicklung“, mit der der rot-schwarze Senat die Investoren nun verpflichtet hat, bei Großprojekten nicht mehr nur zusätzlich Kitas und Straßen auf eigene Kosten zu bauen. Nun sollen auch noch Grundschulen und 25 Prozent bezahlbare Wohnungen von den Bauherren finanziert werden. Für Groth stößt die Kalkulation da an ihre Grenzen. „Wenn wir ein Viertel der Wohnungen für 6,50 Euro machen müssen“, rechnet er vor, „dann müssen wir am anderen Ende nach oben gehen. Wir machen also 25 Prozent für die unteren Einkommen, und die anderen 75 Prozent werden dann teurer.“ Diese Wohnungen könnten sich dann nur die rund 30 Prozent der oberen Einkommen leisten. „Die Wohnungen im mittleren Segment fehlen.“

Tausend Wohnungen hat die Groth Gruppe derzeit im Vertrieb oder sie sind im Bau, viele Tausend sind in der Planung. Selbst eine App fürs Smartphone hat die Gruppe herausgegeben. Warum läuft es so gut? „Wir hatten Glück mit dem Grundstückseinkauf. Deswegen haben wir im Moment die Großprojekte. Nach den Großprojekten werden wir sehen, ob wir immer noch so groß sind“, stapelt Thomas Groth tief.

Dass man so präsent sei beim Wohnungsbau in Berlin, weil man die besten Kontakte zur Politik pflegt, bestreitet er. „Wir sind bei der Grundstücksentwicklung einfach erfahrener als andere. Die Bauleitplanung ist schließlich ein strenger Prozess. Wenn Sie zur rechten Zeit vor dem richtigen Bearbeiter stehen und die richtigen Unterlagen haben, dann kommen sie einfach schneller durch, als wenn sie da nicht stehen und keine Unterlagen haben.“ Außerdem sei die Nachfrage groß. Seit 2010, so Groth, habe man wieder richtig Spaß beim Wohnungsbau.

Was Groth nicht verrät: In einer internen Sitzung hat er auch schon mal damit gedroht, wegen der neuen Auflagen Berlin zu verlassen und woanders zu bauen.

Wie laut darf’s sein?

Und die Probleme enden nicht, wenn fertig gebaut ist. Etwa am schicken Gleisdreieck-Park. Dort hat die Groth Gruppe an der Flottwellstraße 122 Mietwohnungen und 148 Eigentumswohnungen hochgezogen, die bald bezogen werden. Die Nähe zum Park hat den Verkauf sicher angefeuert, doch sie könnte auch Konflikte wegen Lärm mit sich bringen. „Man fragt sich schon, welcher Planer sich das ausgedacht hat, dass ausgerechnet da die Tischtennisplatten entstehen“, fragt sich Thomas Groth. Sein Mitgeschäftsführer Henrik Thomsen sieht das gelassener. „Wir sind mitten in der Stadt. Warum soll man es nicht aushalten können, wenn da jemand Tischtennis spielt?“

Aber auch Thomsen weiß, dass Neubaubewohner andere Ansprüche haben als diejenigen, die sich für das gleiche Geld eine teure Altbauwohnungen kaufen. „Bei den Käufern einer Neubauwohnungen ist die Toleranz viel niedriger. Gastronomie etwa können sie da nicht unterbringen.“ Für Thomsen ist das auch eine Herausforderung für alle. „Nur wenn wir toleranter werden, können wir die Stadt erhalten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen