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„Es gab kontroverse Debatten“

COUNTDOWN In fünf Wochen finden in Berlin erstmals die Maccabi Games statt. Sport-direktor Alexander Sobotta über Geschichte und Gegenwart der jüdischen Sportspiele

INTERVIEW Gunnar Leue

taz: Herr Sobotta, es sind noch fünf Wochen bis zu den ersten European Maccabi Games in Berlin. Wie viele Sportler werden nach Berlin kommen?

Alexander Sobotta: Wir erwarten rund 2.300 jüdische Sportler, dazu Trainer und Betreuer aus ganz Europa sowie mehrere außereuropäische Gastdelega­tionen wie den USA, Argentinien und Australien. Insgesamt gibt es Wettkämpfe in 19 Sportarten, darunter Tennis, Schwimmen, Fechten, Basketball, Fußball, Hockey, Schach, Bowling und sogar Bridge.

Seit wann gibt es die Euro­pean Maccabi Games überhaupt?

Die European Maccabi Games haben eine lange Geschichte. Erstmals fanden sie 1929 in Prag statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust kehrten sie 1959 wieder nach Europa zurück. Die Maccabi Games finde – wie eine Art jüdisches Olympia – alle vier Jahre in Israel statt, dazwischen, auch alle vier Jahre, die Euro­pean Maccabi Games, nun zum 14. Mal in Europa. Sie werden immer in einer anderen europäischen Stadt ausgetragen. Mit Berlin ist erstmals eine deutsche Stadt Austragungsort.

Hat das eine besondere Bedeutung?

European Maccabi Games in Berlin

Die „European Maccabi Games“ (EMG) muss man sich wie jüdische Olympische Spiele vorstellen, die auf Europa beschränkt sind. Die Teilnehmer sind allerdings ambitionierte Breitensportler, keine Leistungssportler. Sie werden von den jeweiligen Makkabi-Nationalverbänden ihrer Länder nominiert.

Bei der Europäischen Makkabiade treten ausschließlich jüdische Sportler in diversen, auch nichtolympischen Sportarten an. In ihren heimatlichen Makkabi-Vereinen trainieren und wetteifern sie dagegen gemeinsam mit christlichen, muslimischen und atheistischen AthletInnen. Alle vier Jahre findet in Israel die ‚große‘, weltweite Makkabiade mit rund 10.000 Athleten statt.

Der Dachsportverband Makkabi Deutschland, der auch Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist, setzt sich aus insgesamt 37 Ortsvereinen mit jeweils rund 4.000 Mitgliedern zusammen.

Die Eröffnungsfeier der EMG 2015 am 28. Juli in der Waldbühne wird von Bundespräsident Gauck eröffnet, die Schau­spielerin und Moderatorin Palina Rojinski führt durchs Programm. Tickets sind über die ­Veranstalter-Website www.emg2015.de erhältlich, die Preise liegen zwischen 15 und 45 Euro. (gl)

Auf jeden Fall! Zumal die Spiele auch genau 70 Jahre nach dem Ende des Krieges und des Holocaust sowie zum 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel stattfinden, und dann noch im Olympiapark. Dieser historische Kontext spielte vor zwei Jahren auch eine Rolle bei der Vergabe an Berlin. In der jüdischen Community gab es durchaus eine kontroverse Diskussion darüber, aber letztlich hat man sich für die deutsche Hauptstadt entschieden, um auch ein Zeichen zu setzen, dass jüdisches Leben wieder ein selbstbewusster Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Deutschlands ist.

In den vergangenen zwei Jahren ist die Situation für Juden in Europa nicht gerade einfacher geworden. Auch in Deutschland gab es zuletzt eine Diskussion über ihre Sicherheit.

Auf das Thema Sicherheit wird ohnehin sehr geachtet, schließlich sind die European Maccabi Games die größte jüdische Veranstaltung 2015 in Europa. Natürlich sind wir jetzt noch mehr sensibilisiert. Die Zusammenarbeit mit dem Land Berlin läuft in diesem Bereich aber sehr gut.

Wie sieht es darüber hinaus mit Unterstützung und Sponsoring aus?

Der größte Teil der Kost­en für Anreise, Unterkunft und Verpflegung wird über die Teilnehmerbeiträge von je 990 Euro getragen. Außerdem gab es eine große Spendenaktion unter Geschäftsleuten in Berlin, bei der knapp eine halbe Million Euro gesammelt wurden. Mit dem Geld finanzieren wir die Eröffnungsfeier am 28. Juli in der Waldbühne, bei der auch zwei bekannte Popmusiker auftreten werden: der amerikanisch-jüdische Sänger Matisyahu und der deutsch-muslimische Künstler Adel Tawil. Unterstützung bekommen wir zudem durch die kostenfreie Überlassung der landeseigenen Sportstätten im Berliner Olympiapark. Die Berliner Sportverbände helfen uns sehr bei der Organisation der einzelnen Wettkämpfe, zu denen die Zuschauer im Übrigen freien Eintritt haben.

„Wir wollen ein Zeichen setzen, dass jüdisches Leben wieder selbstbewusster Bestandteil der Gesellschaft ist“

Alexander Sobotta

Sind auch Berliner Sportler dabei?

Es ist in jeder Sportart auch ein Extraevent geplant, bei dem eine jüdische EMG-Auswahl gegen eine Berliner Auswahl antritt – denn die Begegnung der Menschen soll im Mittelpunkt der Spiele stehen. So gibt es im Fußball eine Partie gegen die DFB-Allstars mit ehemaligen ­Nationalspielern und im Basketball eine Begegnung zwischen Alba Berlin und einer jüdischen Auswahl, verstärkt durch Spieler von Maccabi Tel Aviv.

Wie hoch kann man denn generell den sportlichen Wert der Wettkämpfe ansetzen?

Bei den meisten Teilnehmern handelt es sich zwar um Breitensportler, aber die nehmen die Wettkämpfe um die Medaillen sehr ernst und gehen zur Vorbereitung eigens in Trainingslager.

Alexander Sobotta

36, Berliner, ist seit gut einem Jahr Sportdirektor der European Maccabi Games.

Wir haben zwar nur eine ­Handvoll Leistungssportler dabei, aber indirekt sind trotzdem sehr bekannte aktive oder ehe­malige Spitzensportler mit von der Partie. Für jede Sportart gibt es prominente Paten, wie etwa den ­Fußballer Jerome Boateng oder die ehemalige Schwimmerin Sarah ­Poewe, die 2004 als erste Jüdin nach 1936 eine Olympia­medaille für Deutschland geholt hat.

Haben Sie auch Repräsentanten aus der Politik dabei?

Mit Ursula von der Leyen für das Dressurreiten und Heiko Maas für den Triathlon konnten wir auch zwei Bundesminister als Paten gewinnen.

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