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GrundnahrungsmittelMehr Arzneimittel im Trinkwasser

Freiburger Forschungsprojekt untersucht, wie Rückstände von Medikamenten in die Umwelt gelangen. Zudem soll die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden

Trinkwasser reicht. Tablette ist schon drin. Bild: dpa

FREIBURG taz In Flüssen und im Grundwasser werden immer mehr Medikamente nachgewiesen. Um Licht in die erst ansatzweise erforschten Wege und Abbauprozesse der Arzneimittel zu bringen, hat der Freiburger Energie- und Wasserversorger Badenova ein Forschungsprojekt finanziert, das in dieser Form bundesweit einmalig ist: 250.000 Euro investierte das Unternehmen, um zusammen mit dem Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg sowie dem Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe die "Haupteintragspfade" von Pharma-Stoffen in die aquatische Umwelt zu untersuchen.

Dazu gehörte zunächst eine Bestandsaufnahme: Das mengenmäßig größte Problem sind Blutdrucksenker, Antidiabetika, Psychopharmaka, Antibiotika und durchblutungsfördernde Mittel. 15 Stoffgruppen wurden daraufhin intensiv untersucht.

Ein Drittel der Stoffe kommen ins Abwasser, weil Arzneimittelreste von den Verbrauchern unsachgerecht entsorgt werden - also ins Klo geschüttet werden. "Medikamente gehören in den Hausmüll", betont daher Klaus Kümmerer von der Uniklinik Freiburg, "seit bundesweit keine Deponierung des Mülls mehr zulässig ist, ist das der richtige Entsorgungsweg".

Zwei Drittel der Medikamente im Abwasser gelangen jedoch fast unvermeidbar dort hinein - nämlich nach Ausscheidung aus dem menschlichen Körper. Weil der Großteil der Medikamente zu Hause eingenommen wird, tragen die Krankenhäuser nur zu einem geringeren Teil zur Arzneimittelbelastung im Abwasser bei, der größte Teil kommt über die Hausabwässer.

In den Klärwerken wird aber nur ein Teil der Stoffe abgebaut, andere bleiben erhalten. "Röntgenkontrastmittel zum Beispiel sind so stabil, dass sie aus dem menschlichen Körper unverändert ins Abwasser gelangen und auch in der Kläranlage nicht abgebaut werden", sagt Wolfgang Kühn, Leiter des Technologiezentrums. Da hilft dann nur noch ein Aktivkohlefilter, und den haben bislang nur wenige Kläranlagen.

Auch Antibiotika werden zu 70 Prozent vom Menschen unverändert ausgeschieden. Ein Problem für die Umweltwissenschaft liegt hier in der Vielzahl der Stoffe: Rund 250 verschiedene Antibiotika sind heute im Einsatz. Grundsätzlich gelte zudem, dass selbst bei den Wirkstoffen, die im menschlichen Körper oder später in der Mikrobiologie der Kläranlage verstoffwechselt werden, die Abbauprodukte noch problematischer sein können als die ursprünglichen Substanzen, sagt Kühn.

Obwohl Badenova davon ausgeht, aufgrund guter regionaler Grundwasservorkommen selbst "auf absehbare Zeit noch keine Probleme" mit Arzneimitteln im Trinkwasser zu haben, will das Unternehmen im Rahmen einer "vorsorgenden Strategie" dieses Thema auf die Tagesordnung bringen. Vor allem wolle man aber bei den Verbrauchern mehr Sensibilität im Umgang mit Medikamenten entwickeln.

Zudem geht es um ein Signal an die Politik. "Die Pharmahersteller müssen stärker gefordert werden, auch die Umweltaspekte ihrer Produkte im Auge zu behalten", sagt Mediziner Kümmerer. Und Chemiker Kühn konnte sogar noch mit einem Praxisbeispiel aufwarten, wie Umweltschutz und Kostensenkung im Gesundheitswesen Hand in Hand gehen können: "Ich war kürzlich im Ausland und brauchte ein Medikament, da hat mir der Apotheker drei Pillen aus der Packung herausgeschnitten und den Beipackzettel kopiert." Ungenutzte Restbestände gab es folglich nicht.

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