Südkoreanische Geiseln: "Taliban hat Entführung angekündigt"

Die entführten koreanischen Christen in Afghanistan haben kein Christentum gepredigt, sagt die südkoreanische Afghanistan-Expertin Lee Yu Kyung.

Die vielen südkoreanischen Soldaten in Afghanistan machen Koreaner zu einem interessanten Ziel für die Taliban, meint Lee Yu Kyung. Bild: dpa

taz: Frau Lee, wie beurteilen Sie die zunehmenden Entführungsfälle in Afghanistan?

Lee Yu Kyung: Entführungen sind zu einer wichtigen Taktik der Taliban geworden. Bereits im Frühjahr hatte in einem Interview mit dem britischen Channel 4 der inzwischen getötete Taliban-Kommandeur Mullah Dadullah ganz klar und offen gesagt, dass die Entführung von Ausländern eine sehr erfolgreiche Strategie sei. Die Taliban hatten sogar angekündigt, gerade Koreaner zu entführen, weil Südkorea ein größeres Truppenkontingent in Afghanistan stationiert hat. Ich denke, dieses Mal wird es eine riesige Herausforderung für die Taliban einerseits und koreanische und afghanische Regierungen auf der anderen Seite.

Sie kennen einige dieser Geiseln und deren Organisation

Ja, sie sind MedizinstudentInnen, Krankenschwestern und Lehrerinnen, die als Freiwillige in diesem von koreanischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) betriebenen Krankenhaus namens Hilla in Kandahar arbeiten. Sie werden von einer presbyterianischen Kirche unterstützt, was aber nicht notwendigerweise heißt, dass sie als christliche Missionare dort agieren. Ich habe dieses Krankenhaus im Frühjahr besucht: Dort werden viele afghanische Patienten, insbesondere Frauen, von koreanischen und afghanischen Ärzten behandelt. Diese NGO macht dort eine sehr qualifizierte und wertvolle Arbeit.

Viele Berichte wiesen auf den religiösen Hintergrund hin. Was halten Sie davon?

Ich denke, die Medien sollten da ein wenig vorsichtiger mit umgehen. Wörter wie Kirche und Missionare gefährden die Geiseln noch mehr als ohnehin schon. Und es ist auch eine Tatsache, dass sie dort kein Christentum gepredigt haben. Solche Berichte gießen völlig unnötigerweise Öl ins Feuer.

Aber stimmt es denn nicht, dass eben koreanische Christen im vergangenen Jahr ein stark kritisiertes religiöse Spektakel in Afghanistan organisieren wollten?

Solch aggressive religiöse Werbeveranstaltungen sollten nicht passieren, und sie war ja glücklicherweise abgesagt worden. Jetzt wird Missionsarbeit stark kritisiert in den koreanischen Medien. Ich weiß aber zurzeit nicht, ob Krankenhausmitarbeiter überhaupt daran beteiligt waren.

Die Geiseln waren auf dem Highway von Kandahar nach Kabul unterwegs. War das nicht leichtsinnig?

Absolut. Du passierst dort einige Gebiete, wo die Taliban sehr aktiv sind. Aber wie ich im April kommt man dort durch, wenn man sehr früh morgens mit Auto oder örtlichen Bussen entlangfährt. Es dürfen eben nur keine Mietwagen oder -busse sein, die voll gepackt sind mit politischen Zielpersonen, also Ausländern. All diese Sicherheitsmaßnahmen haben die Koreaner jetzt auf dieser riskanten Strecke nicht beachtet. Nach meinen jüngsten Informationen könnte der Fahrer die Koreaner an die Taliban, die ansonsten schwer an solche Informationen herankommen, verkauft haben.

Wie verhält sich die südkoreanische Regierung in dieser Krisensituation?

Es herrscht absolute Alarmstufe. Sofort sind hochrangige Funktionäre nach Kabul eingeflogen worden, die dort so nah wie möglich am Ort des Geschehens mit den Entführern verhandeln sollen. Die Regierung hat bereits angekündigt, die Truppen - zusammengesetzt aus Sanitätern und Ingenieuren - Ende dieses Jahres abzuziehen, während zehntausende Demonstranten in Seoul den sofortigen Abzug fordern. Jetzt hat die Regierung drakonische Strafen gegen ihre eigenen Bürger eingeführt, sollten diese sich ohne Sondergenehmigungen in Afghanistan aufhalten. Dies bedeutet aber unter anderem eine Zensur im Falle von Journalisten.

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