Dresden: Linke bleibt gespalten
Parteiversammlungen bringen keine Annäherung der beiden verfeindeten Lager.
DRESDEN taz Die neue "doppelte Linke" im Dresdner Stadtrat diskutiert nicht öffentlich miteinander: Die verbliebenen neun Mitglieder der Linksfraktion.PDS im Dresdner Stadtrat und der Stadtvorstand der Linken luden am Sonnabend und gestern zu getrennten Informationsveranstaltungen. Der Stadtvorstand hatte sieben weiteren Stadträten am 19. Juli den Austritt aus der eigenen Fraktion und die Gründung der neuen Fraktion "Die Linke" empfohlen.
Stadtvorsitzender Jürgen Muskulus stellte die über die spezifischen Dresdner Personalprobleme hinausgehende grundsätzliche Bedeutung des Richtungsstreites heraus. "Es geht schon lange nicht mehr nur um die Woba", rief er und meinte damit den Totalverkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft im vorigen Jahr, der den jahrelangen Richtungsstreit zwischen Pragmatikern und Prinzipienreitern in der PDS erstmals offen ausbrechen ließ.
Inzwischen gibt es weitere Beispiele, wo die Gruppe der Verkaufsbefürworter in der Linksfraktion mit der CDU für öffentliche Gebührenerhöhungen stimmte. Auch die Bewerbung des der Linken nahe stehenden Jugendvereins "Roter Baum" um eine Kindergartenträgerschaft soll so gescheitert sein. "Die Linke in Dresden hat ihr früheres Profil sozialer Gerechtigkeit verloren", klagte der junge Stadtrat André Schollbach. Im Haus der Begegnung jedenfalls, dem Sitz des Stadtvorstandes, klatschte eine Mehrheit dazu Beifall.
Entscheidend aber, so Stadtchef Muskulus, seien die inzwischen von mehreren Seiten bestätigten Zusammenkünfte der Neunergruppe gewesen, auf denen über eine eigene PDS-Liste zur Kommunalwahl 2009 beraten wurde. "Die Überlegungen für eine Gegenkandidatur waren nicht mehr tolerierbar", sagte Muskulus und verwies auf den Paragrafen 4 des Parteistatuts, der dies untersage. Nach ersten derartigen Gerüchten hatte eine Mitgliederversammlung bereits im April dieses Jahres einen Beschluss gefasst, der den Zusammenhalt der Partei zwar wahren, die Abweichler aber an die sanften Zügel nehmen sollte.
Der Versuch, angesichts des schweren Umfragetiefs der Linken in Dresden wieder Profil zu gewinnen, ist in Dresden offenbar mehrheitsfähig. "Wir können uns deutschlandweit diese Hängepartie nicht mehr leisten!" rief der von der WASG gekommene Tilo Wirz. Andere Basisstimmen erinnerten doch sehr an die Sehnsucht nach früheren klaren Parteidirektiven. "Die Spreu muss sich vom Weizen trennen, dann werden wir wieder eine saubere Position bekommen", hieß es beispielsweise. Ob deswegen eine Spaltung der Stadtratsfraktion nötig war, blieb allerdings umstritten. Wenn, dann hätte dies eine Mitgliedervollversammlung beschließen müssen. Gegen die überraschende Entscheidung des Stadtvorstandes protestierten mehrere bekannte Parteimitglieder und riefen das Landesschiedsgericht an.
Mitte August soll in Dresden eine "Initiative demokratischer Sozialismus" gegründet werden, die sich auch bundesweit vernetzen will. "Durch die Idee des Pluralismus hat die sozialistische Partei im Osten überhaupt überlebt", erinnert Wortführer Bernd Rump und möchte diese integrativen Tugenden wiederbeleben. Ronald Weckesser, einer der neun Dresdner Pragmatiker, hat unterdessen die vereinigte Linke als eine zu "vordergründig systemoppositionelle Kraft" kritisiert, die außerdem den Osten tendenziell vernachlässige.
MICHAEL BARTSCH
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