Irak: Bush will Totalabzug nur bei "Erfolg"

US-Präsident Bush hat einen Teilrückzug der aufgestockten US-Truppen im Irak angekündigt. Soldaten müssten aber über seine Präsidentschaft hinaus bleiben.

US-Präsident Bush bei seiner Rede an die Nation Bild: dpa

WASHINGTON taz In seiner Rede an die Nation hat Präsident George W. Bush einen Teilrückzug der aufgestockten US-Truppen im Irak angekündigt und den Krieg dort endlos verlängert. Er berief sich in seiner Fernsehansprache auf all die militärischen "Erfolge" der US-Offensive, die sein Oberbefehlshaber im Irak, David Petraeus, zuvor dem Kongress in Washington vorgetragen hatte. Bush beantwortete keine der dort an den General und den Botschafter in Bagdad, Ryan Crocker, gestellten Fragen zu Sinn und Unsinn des amerikanischen Krieges gegen den Terror.

"Terroristen und Extremisten die gegen uns Krieg führen wollen Iraks Regierung stürzen, die Region dominieren und Amerika zu Hause attackieren", sagte Bush am Donnerstagabend mit starren Augen an seinem Schreibtisch im Ovel Office sitzend. "Unsere moralische und strategische Gebot ist klar: Wir müssen Irak helfen gegen jene Kräfte zu siegen die seine Zukunft bedrohen – und ebenso uns bedrohen." Der Präsident ging nicht auf die jüngste Einschätzung seiner Geheimdienste ein, dass Al Kaida im Irak nur dortige Ausländer attackiert und im unmittelbaren Umfeld agiert. Und dass sämtliche internationalen Angriffe auf Amerikaner und Europäer tatsächlich aus dem Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan stammen.

"Die Prämisse unserer Strategie ist, dass Sicherheit für die irakische Bevölkerung die Grundlage für jeden Fortschritt ist", sagte Bush. "Das Ziel unserer Offensive ist, diese Sicherheit herzustellen – und den irakischen Kräften zu helfen, sie aufrecht zu halten. Die dabei erreichten Erfolge erlauben es uns, damit zu beginnen einige unserer Truppen zurückzuziehen und nach Hause zu bringen."

Es handelt sich um den Rückzug von maximal 30.000 Soldaten bis zum Sommer nächsten Jahres – genau jener Teil der nun 168.000 US-Soldaten im Irak, die erst Anfang dieses Jahres aufgestockt worden waren, weil die Gewalt dort nach vier Jahren US-Intervention haltlos eskaliert war. Der Chef von General Petraeus, Admiral William Fallon, hat klar gemacht, dass diese Truppenstärke im Irak unter keinen Umständen gehalten werden kann, dass die überanstrengte Armee mehr Kräfte an wichtigeren Fronten des Kampfes gegen den Terror, namentlich in Afghanistan, braucht.

"Die irakische Regierung hat die Prüfsteine für einen demokratischen Staatsaufbau und die politische Versöhnung nicht erfüllt – ich habe den irakischen Führern klar gemacht, dass sie das tun müssen", sagte Bush. "Tatsächlich sind die Dinge in Bewegung. Sie haben zum Beispiel einen Haushalt verabschiedet. Und Bagdad teilt die Öl-Einnahmen mit den Provinzen. Dort findet politische Versöhnung statt. Es geht nun darum die Fortschritte in den Provinzen mit Fortschritt in Bagdad zu verbinden."

Im Parlament hatten zahlreiche Abgeordnete gefragt, wieso auf unabsehbare Dauer 168.000 US-Soldaten auf all diese Erfolge aufpassen müssen. Und wann endlich die erfolgreich ausgebildeten irakischen Sicherheitskräfte ihre Aufgabe übernehmen können.

"Das führende Prinzip meiner Entscheidung über unsere Truppenstärke im Irak ist: Je erfolgreicher wir sind, desto mehr amerikanische Soldaten können nach Hause kommen", sagte Bush. "Und in allem was wir tun werde ich sicherstellen, dass unsere Kommandeure die Truppen und Flexibilität haben die sie brauchen, um den Feind zu besiegen."

Der republikanische Senator Chuck Hagel hatte gesagt: "Wir waren und sind uns alle einig, dass es keine militärische Lösung im Irak gibt. Wir alle stimmen zu, dass der politische Prozess letztlich Sache der Iraker ist. Aber nach vier Jahren wollen sie erneut mehr Zeit mit mehr Truppen! Ich frage Sie: Zeit für was?" "Der Erfolg eines freien Irak ist entscheidend für die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika", sagte Bush.

Die demokratische Senatorin Barbara Boxer hatte den Irak-Krieg "unseren größten außenpolitischen Fehler aller Zeiten" genannt und festgestellt: "Unsere pure Präsenz im Irak provoziert mehr Terroristen für Al Kaida als wir bekämpfen können." "Über alle Differenzen hinweg sollten wir in der Lage sein darin übereinzustimmen, dass Amerika ein vitales Interesse hat, Chaos zu verhindern und Hoffnung im Mittleren Osten zu fördern", meinte der Präsident. "Wir sollten uns einig sein, dass wir Al Kaida besiegen müssen, Iran entgegen treten, der afghanischen Regierung helfen und für Frieden im Heiligen Land arbeiten müssen – und unser Militär stärken müssen, um im Kampf gegen Terroristen und Extremismus zu siegen."

Im Kongress hatten auch etliche republikanische Abgeordnete die unter der Bush-Regierung ausgefallene Nahost-Intitiative kritisiert und andeutungsweise sogar den selbst verordneten Maulkorb gegenüber dem Mullah-Regime im Iran in Frage gestellt. "Unsere Vision umzusetzen, wird schwierig sein – aber es ist erreichbar. Unsere militärischen Führer glauben, wir können gewinnen. Unsere Diplomaten glauben, wir können gewinnen. Und für die Sicherheit künftiger amerikanischer Generationen müssen wir gewinnen”, sagte Bush, der bis Januar 2009 im Amt sein wird: "Dieser Erfolg braucht unser politisches, wirtschaftliches und militärisches Engagement, das über meine Präsidentschaft hinaus geht."

Die Aussicht auf einen unbegrenzten Krieg mit großer Truppenstärke werde "einen Sturm auf dem Capitol entfachen", hofften Politiker der Opposition nach der Präsidentenrede. Doch es ist keineswegs sicher, dass die Demokraten die nötige qualifizierte Mehrheit zusammenbringen, um Blockademöglichkeiten der vasallentreuen Republikaner im Parlament zu überwinden. Und durchzusetzen, was der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama in der Nacht forderte: "Wir müssen diesen Krieg jetzt beenden. Wir müssen anfangen, unsere Truppen aus dem Irak zu holen. Wir müssen unsere Anstrengungen an der diplomatischen Front verdoppeln. Wir müssen eine neue Strategie im Kampf gegen den Terror entwickeln."

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