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Kommentar "Israel-Boykott"Grund zur Sorge

Die Empörung über Ashkan Dejagahs "Isreal-Boykott" ist verfehlt. Man sollte die Gründe im Auge behalten, die ihn zu seiner Entscheidung bewogen haben.

S eit der Deutsch-iraner Askhan Dejagah seine Teilnahme an einem Fußball-Länderspiel in Israel abgesagt hat, ist die Empörung groß: Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, forderte deshalb gar seinen Ausschluss aus der Nationalmannschaft. Natürlich hat ihr Vizepräsident Dieter Graumann Recht, wenn er sagt, es sei "undenkbar und unmöglich, dass ein Nationalspieler einen privaten Judenboykott initiiert". Aber hat Ashkan Dejagah das auch getan? Nein. Er hat private Gründe geltend gemacht, um von dem Länderspiel freigestellt zu werden.

Dazu muß man wissen, dass die Islamische Republik Iran all ihren Staatsbürgern die Einreise nach Israel sowie den sportlichen Wettkampf verbietet. Dejagah ist zwar Doppelstaatler, fällt aber in Iran ausschliesslich unter die iranische Rechtsprechung - da hilft ihm sein zweiter, deutscher Pass kaum weiter. Wenn die Iraner wollten, weil es ihnen aus irgendeinem Grunde gerade in den Kram passt, könnten sie die Causa Dejagah jederzeit gnadenlos ausschlachten. Degajah weiß das und es ist sein gutes Recht, sich davor zu fürchten.

Natürlich hätte man sich darüber freuen können, wenn Degajah ein Zeichen gesetzt hätte gegen dieses menschenverachtende Regime, das permanent gegen Israel zu Felde zieht, und dort angetreten wäre. Verlangen und fordern kann man es von ihm, der Angehörige in Teheran hat, aber nicht. Dazu sehen die Vorher-Nachher Bilder derer, die sich schon mal im Gewahrsam des iranischen Geheimdienstes befunden haben, zu abschreckend aus - in jüngster Zeit gab es dafür einige schaurige Beispiele.

Falsch wäre es, Dejagah deshalb gleich ein grundsätzliches Ressentiment gegen Juden zu unterstellen, wie Graumann es getan hat. Das Verhalten des iranischen Präsidenten Ahmadinejad legt zwar die Vermutung nahe, dass viele Iraner so denken wie er - zutreffen tut dies aber nicht. Deshalb sollte man die Gründe im Auge behalten, die Dejagah zu seiner Entscheidung bewogen haben. Und sich gut überlegen, ob man die Verantwortung tragen möchte für das, was passiert wäre, wenn er angetreten wäre.

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9 Kommentare

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  • FI
    frustrierte Iraner

    Frau Amirpur hat in ihrem Artikel nur einen Deutsch-Iraner in Schutz nehmen wollen, ohne ein Wort über das Hauptproblem, nämlich die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland zu verlieren. Und dabei kennt sie das Problem bestimmt viel besser als Iraner wie Dejagah, die die deutsche Staatsbürgerschaft nachträglich bekommen haben:

     

    Beide Eltern von Dejagah sind Iraner und sein Bruder spielt auch in Teheran Fußball. Sein Vater bemüht sich um eine Einladung zu der iranischen Nationalmannschaft, und egal was dieser junge Iraner über seine Tattoos uns erzählen will (rechtes arm "Iran", linke arm "Deutschland", hinter den Nacken "Vergiss nie, woher du kommst"), sollten sich die DFB-Verantwortlichen besser Gedanken darüber machen, welche Spieler aufgrund "persönlicher Probleme" ein Klotz am Bein werden.

    Denn mit solche "persönliche Entschuldigungen" wird auf Dauer nur der Teamgeist der deutschen Mannschaft geschwächt. Ab Morgen können andere Spieler mit Migrationshintergrund anfangen zu behaupten, falls sie z.B. in einem Spiel gegen ihr Herkunftsland antreten, werden ihre Verwandten in Ausland diskriminiert etc.

    Ob so eine "deutsche Mannschaft" lange erfolgreich sein kann, bezweifele ich persönlich, dennoch interessiert mich zu wissen wie Frankreich in so einem Fall mit seinen Spieler umgehen würde?

     

    Solche "Geschichten" sorgen außerdem für uns Iraner (mit oder ohne deutschen Pass) für einen schlechten Ruf, denn wir fliegen doch mit deutschen Pass problemlos nach Israel, und sogar wenn wir nur ein iranischen Pass haben, bekommen wir in Israel solidarisch keinen Einreise-Stempel auf unserem persischen Pass, sondern ein extra Papier...

    Natürlich hab ich Verständnis für Ashkan Dejagah, weil er seine Reise nicht "verstecken" kann, aber trotzdem finde ich es angebrachter, wenn er sich nicht so sehr mit einem Land identifiziert, das die Existenz anderer Länder ignoriert. (Gerade wenn er als Nationalspieler die Deutsche Nation vertritt!)

     

    Seiner Familie im Iran wird auch nichts schlimmes passieren, wie vielen anderen iranischen Familien, die aus religiösen Gründen sogar mit Israel zu tun haben (Baha'i-Zentrum in Haifa). Sie leben im grossen udn ganzen auch wie allen anderen Iraner unter der Unterdrückung dieses Regimes.

    Sicher werden nicht wegen dem Nachgehen von "beruflichen Pflichten" ihre Verwandten im Ausland ins Gefängnis gebracht! Warum sagt die iranische Regierung aber nichts zum Nachgehen seiner "islamischen Pflichte", wenn er dann aus "beruflichen Gründen" nicht in Monat Ramadan fastet? Mit welchem Recht mischen sie sich aber ein, wenn er als Deutscher in Deutschland seiner beruflichen Pflichte nachgehen will? Kann etwa ein Christ im Iran auch ohne Kopftuch rum laufen??? Man nennt so was auf persisch: "... sowohl Gott, als auch die Datteln zu wollen!". Und für diese Doppelmoral haben Iraner leider einen schlechten Ruf gemacht.

     

    Also, die iranische Regierung will hier nur seine Macht demonstrieren, die er über seine Staatsbürger behalten will und auch so wie man sieht auch darf! Dasselbe Recht gibt es aber dann nicht im Iran für denselben Doppelstaatler, wie Dejagah, wenn sie auf ihre Pflichten als deutsche Staatbürger beharren wollen! Und alle Menschen, die hier dafür "Verständnis" zeigen, helfen indirekt nur der iranischen Regierung... Deutsche Politiker und DFB-Verantwortliche nehmen das ganze auch einfach hin und akzeptieren es, dass Iran bzw. Iraner entschuldigt sind, wenn es um eine Konfrontation mit dem Land Israel geht."

    Abgesehen davon, wie lächerlich Deutschland sich auf internationaler Ebene macht, frage ich mich, wie lange soll man uns Iraner auch auf sportlicher Ebene als "Feige" darstellen?

    Die Antwort ist: Solange wir selbst dazu schweigen!! Wir machen uns nicht mal so viel Gedanken darüber, warum die fanatische Regierung in Teheran nicht froh drüber ist, wenn iranische Staatsbürger zumindest auf sportlicher Ebene ihren "Erzfeind" (berechtigt oder nicht) besiegen!?? Und genau das ist das traurige, dass letztendlich das Problem verursacht und nicht lösen lässt!!

  • KB
    ökologischer Berliner

    Nehmen wir mal an, dass es nur die persönlichen Grüne sind, die den Spieler Degajah veranlast habenm sich zu weigern nach Israel zu fahren, dann kann ich das vollkommen nachvollziehen,

    in vielen kommentaren wird immer auf das menschenverachtende und Israel feindliche Regime des Irans hingewiesen. Aber ist einem schon mal aufgefallen wie sich lebende Iraner (Perser) hier in Deutschland verhalten? Wie oft habe ich diese (jungen) Leute auf die Straße gesehen um Unterschriften zu sammeln gegen Hinrichtungen,Folter im Iran. Israel betrachten sie auch nicht als Feindesstaat. Lieber heute als morgen würden sie im Iran die Diktatur weghaben.

    Hinter dem Mullahrgime steht doch eigentlich die unwissende Dorfbevölkerung. Im Gegensatz zu anderen Ausländern (Immigranten), bei denen auch ein großer Teil der unterern sozialen Schicht hier wohnt, habe ich den Eindruck, dass der hier überwiegende Teil der hier lebenden Iraner / Deutsch-Iraner gebildet ist und auch nicht anfällig für den Islamismus und nichts gegen die Juden hat. Bei A. Degajah denke ich ist es doch auch so-oder? Aber was soll nun ein Spieler denken, der um seine Familie im Iran vor Repressalien schützen möchte, nicht nach Israel zu fahren will, lesen muss, das Frau Knoblauch vom Zentalrat der Juden sein Spielverbot für die deutsche Nationalelf fordert? Sympatiepunkte wird es für diese Forderung für den Zentalrat sicherlich nicht geben. Wieso ist Frau Knoblauch nicht auf A. Degajah zugegangen und hat ihm persönlich nach seinem Verhaltenten gefragt?

  • L
    Leser

    >Iranische Medien waren über Dejagahs Weigerung begeistert: Die Sportzeitung Goal bezeichnete Dejagahs Entscheidung als "heroisch und meisterlich". Das staatliche Fernsehen befand Dejagahs Entscheidung als "ein sehr ehrenvolles Verhalten von einem jungen Mann, der nicht mal im Iran aufgewachsen ist".<

    Na wunderbar - hat ja prima geklappt. Dieser innenpolitische Triumph der Mullah-Diktatur wäre nicht möglich gewesen, wenn Herr Dejagah sich einfach krank gemeldet hätte. Die Brüskierung und das Geschmäckle in Bezug auf unser Verhältnis zu Israel ebenfalls nicht. Für seine angeblichen oder tatsächlichen privaten Gründe hätte ein solches Verhalten seinen Zweck vollauf erfüllt. Weil er sich aber NICHT so verhalten hat, bleiben bei mir Zweifel.

    Jedenfalls sollte sich Henryk M. Broder eine Notiz machen: Es ist ein weiteres Beispiel für eine mögliche Fortsetzung seines treffenden Polemikbüchleins "Hurra, wir kapitulieren".

  • F
    Fan

    Frau Aminpour hat's als Einzige es geschafft, das Problem auf den Grund zu gehen!

    Der 21 jährige Fussballspieler hat mit Sicherheit keine Probleme damit, gegen Israel einen Fusballmatch zu bestreiten, er hat aber danach ein Problem, und zwar ein Unkalkuliertes.

     

    Die Weltgemeinschaft lässt sich seit Jahren von den Mullahs im Iran um die Nase führen.

    Dass ein jünger Fussballprofi mit Ambitionen und Perspektive, nicht den gleichen Fehler machen will, ist mehr als nur verständlich.

     

    Vielleicht hätte er einfach lügen sollen, wie damals der andere iranische Fussballspieler, Vahid Hashemian in seinen besten zeiten bei den Bayern. Der Verein meldetet ihn einfach als verletzt an, kurz vor der Abresie nach Israel zu einem Fussballmatch.

  • B
    bukovicq

    Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken,

    wie es überhaupt zu diesem Dilemma kommen konnte.

    Wäre er nur iranischer Staatsbürger, gäbe es das Problem nicht, wäre er nur deutscher Staatsbürger auch nicht. Na, klickts?

  • T
    thoralf

    Ob Ashkan Dejagah sich einer Nationalmanschaft zur Verfügung stellt oder nicht, ob er dies mit begründeten oder unbegründeten Hoffnungen tut oder aus rationaler oder irrationaler Angst davor zurückschreckt, daß ist sicher seine persönliche Entscheidung.

    Wenn er aber als (freiwillig) nominierter Spieler öffentlichkeitswirksam auf den Druck des iranischen Regimes reagiert und von dieser Nominierung zurücktritt finde ich das unerträglich und meine der DFB muß sich eindeutig positionieren. Gegen die Anweisung eines solchen Regimes und gegen die die sie befolgen.

     

    Das ein solcher Fall mit etwas Geschick hätte vermieden können, mag ja sein, aber so wie die Dinge stehen lässt sich aus meiner Sicht die doppelte Staatsangehörigkeit Dejagahs nicht mit seinen Wunsch vereinbaren in der deutschen Nationalmanschaft zu spielen.

    Den Wünschen des Herrn Ahmadinejad über diesen Umweg nachzukommen halte ich für inakzeptabel.

     

    Herr Höneß mag das mit seinen Angestellten verhandeln wie er will.

  • DH
    Dirk-Dennis Heise

    Auch von mir ein Danke! für den ersten von mir gelesenen und relativierenden Kommentar.

     

    Ich möchte lediglich einen moralischen Aspekt ergänzen: Sie hätten es begrüßt, wenn Ashkan ein Zeichen gegen das Menschen verachtende Regime gesetzt hätte.

    Ich hingegen hätte es verantwortungslos gefunden, Freunde und Verwandte einem Risiko auszusetzen um ein Zeichen gegen ein Menschen verachtendes System zu setzen.

     

    Trotzdem ein großes Lob für einen Kommentar, wie ich ihn eigentlich initial von der TAZ erwartet hätte.

  • F
    Fabian

    naja, immerhin hat er seine gründe dargelegt. als bayern damals mit hashemian gegen tel aviv spielen sollte, war dieser sowohl im hin als auch im rückspiel mysteriös verletzt.

     

    schade, dass dejagah kein frauenfußball spielt, dann wäre die ganze geschichte doppelt so interessant geworden.

  • DH
    Dennis Heinert

    Danke für diesen ausgewogenen Kommentar. Ich denke aber weiterhin, das man auch in einm sachlichen Artikel die Angst um die Angehörigen als (mögliches) Motiv hätte einfließen lassen sollen.

     

    Der zugehörige Sach-Artikel ist nämlich immer noch einseitig und unausgewogen.