Kolumne Ökosex: Brumm, brumm

Hallo, Josef Joffe: Erleben auch Sie die garantiert religionsfreie Ökosex-Erlebniswelt.

Josef Joffe, der Herausgeber der Zeit, ist offenbar sauer auf Al Gore. Jetzt hat der es doch tatsächlich geschafft, dass definitiv nicht mehr Klimaschutz was für Spinner ist, sondern Klimaschutzskepsis. Mist. Deshalb hat er einen vermeintlich heiteren Artikel geschrieben, indem er von seiner Entdeckung einer neuen Religion berichtet. Dem "Klimatismus".

Joffe erklärt in der aktuellen Zeit die "psychostrukturellen Ähnlichkeiten" zwischen Gottesglauben und Klimaschutz. Auch die neue Religion bediene die "Urängste" und biete die "Erlösung im Verzicht" an. Vor allem aber: Zweifler würden auch hier sofort als "Ketze" gebrandmarkt. Joffe kennt vielleicht den amerikanischen Diskurs à la "Welches Auto würde Jesus fahren?" und hat auch möglicherweise - nicht als Erster - ein singulär-amerikanisches Phänomen entdeckt.

Aber was hat das mit der sachlichen Klimadebatte in der EU zu tun, die wir immerhin seit mehr als 15 Jahren führen (siehe Ökosex vom 5. Oktober)? Es stimmt: Es geht inzwischen auch im Klimaschutz mehr und mehr um Gefühle, aber nicht um religiöse, sondern um Produktgefühle.

Meine Vermutung: Der Zeit-Herausgeber ist zudem beleidigt, weil Leute wie ich ihn regelmäßig wegen seiner Brummbrumm-Produktgefühle bedauern, das ist die kindliche Liebe zu überzüchteten Altherren-Sportwagen.

Ich habe ihn mehrmals in freundlichen Emails darauf hingewiesen, dass es inzwischen auch intelligentere Fahrzeuge gebe. Er meint wahrscheinlich, das tue ich nur, weil ich ein moralisch verbohrter Autohasser sei und ihm den Spaß nicht gönne.

Das ist ein Missverständnis. Der Hinweis auf unzulängliches Fahrzeugdesign ist weder fundamental noch religiös noch politisch korrekt noch "klimatistisch".

Er ist pragmatisch und entspricht meinen Produktgefühlen. Ich will bessere Autos und keine CO2-Schleudern. Beispiel Braunkohlekraftwerk. Ist einfach ein Scheißprodukt. Würde ich nie kaufen. Oder könnte man sich vorstellen, dass Apple jemals ein I-Browny baut? Eben.

Wenn Klimaschutz den Mainstream erreicht hat, dann geht es jetzt erst recht um solare Mainstream-Emotionen. Die heißt es rauszukitzeln. Weihnachten steht vor der Tür. Und was liegt da näher, als Weihnachten dieses Jahr ohne Atom und Braunkohle zu feiern?

Ein herzliches Dankeschön für die angekündigten Preiserhöhungen den Energiekonzernen Eon und Co. Tschüssikowski, goodbye und servus. Nie war es emotional einfacher, der fossil-atomaren Steckdose Lebewohl zu sagen. Zeit für eine vorweihnachtliche Massenkündigung. Und dieses Jahr extra unterm Baum: Photovoltaikmodule und die erste Windenergiebeteiligung. Danke, Papi! Denn merke: "Stromkunden in die Produktion heißt Weihnachten ohne Atom".

Liebe Freunde der Energiewende, "Klimatisten" aller Landkreise, wäre es nicht schön, dieses Jahr gemeinsam mit diesem Slogan in die Weihnachtszeit zu ziehen?

Die Konsumenten haben dank Al inzwischen ein Bewusstsein für Klimaschutz, aber wir müssen sie emotional da abholen, wo sie stehen.

Da sind wir beim Stichwort Abholzentrum. BMW weiht eins ein, VW hat eins, Mercedes auch, Millionen pilgern jedes Jahr dorthin. Aufladestationen der Autogefühle. Nur unser geliebter Klimaschutz hat kein architektonisch spektakuläres Abholzentrum. Von der Autoindustrie lernen heißt aber bekanntlich siegen lernen. Deshalb sucht Ökosex Geldgeber für ein innovatives, solares Architekturprojekt. Die Ökosex-Erlebniswelt, das Klimaschutz-Abholzentrum der solaren Effizienzrevolution. Für die ganze Familie. Ein Ort, an dem wir in Zukunft unsere Module abholen werden oder die Biogasanlage, das kleine BHKW.

Das wird so ein solares Disneyland, vielleicht spektakulär in Szene gesetzt von einem Großen wie Rolf Disch, dem Solararchitektur-Pionier. Ganz religionsfrei, wie BMW es vormacht. Fortschritt durch Effizienz, Freude am Solaren, entdecken Sie die Ökosex-Leidenschaft.

Fragen an Joffe? kolumne@taz.de Morgen: Kirsten Reinhardt KATASTROPHEN

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