Billiglohnarbeit in Indien: Maulkorb für Menschenrechtler

Holländische Aktivisten der Kampagne für saubere Kleidung prangern die Arbeitszustände in einer indischen Fabrik an. Nun droht ihnen ein Haftbefehl.

Merkel auf Indien-Reise: Stammt ihre Bluse auch aus einem Sweatshop? Bild: dpa

Derweil Angela Merkel mit einem Tross deutscher Wirtschaftsdelegierter durch Indien tourt, zeigt sich an anderer Stelle die Kehrseite manch guter Geschäfte. Am 20. November will ein Gericht in Bangalore entscheiden, ob vier holländische Aktivisten der Kampagne für saubere Kleidung per internationalem Haftbefehl gesucht werden.

Ende September hatten die Richter die Anweisung bereits für ganz Indien herausgegeben. Den Angeklagten werden üble Nachrede, Internetkriminalität und rassistische Aktivitäten vorgeworfen. Ebenfalls betroffen sind drei Vertreter des Indienkomitees der Niederlande. Die Mitglieder der beiden Nichtregierungsorganisationen hatten wiederholt über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilfabrik FFI in Bangalore berichtet. FFI produziert schwerpunktmäßig Jeans für den niederländischen Markt, aber auch Armani, Gap und Mexx lassen dort fertigen.

Durch Interviews mit zahlreichen Beschäftigten konnten indische Rechercheure belegen, dass in den beiden Fabriken viele Zwangsüberstunden geleistet werden - zum Teil ohne jede Bezahlung. Auch massiver physischer und psychischer Druck vor allem auf die Arbeiterinnen soll dort an der Tagesordnung sein. Gewerkschaften haben in der Fabrik keine Chance: Die Beschäftigten sind verängstigt und mit jedem Arbeiter wird der Lohn individuell und nach nicht nachvollziehbaren Kriterien ausgehandelt. Frauen bekommen in der Regel für gleiche Tätigkeiten weniger Geld. Einen Arbeitsvertrag hat kaum jemand, und wer einmal fehlt muss damit rechnen, gefeuert zu werden.

FFI hatte im vergangenen Sommer gerichtlich erwirkt, dass indische Organisationen nicht mehr über die Zustände berichten dürfen. Dabei wurde der Maulkorb verhängt, ohne dass sich die Richter mit dem Inhalt der Vorwürfe gegen die Firma auseinander gesetzt haben. Im September wurde die Entscheidung nun auch auf die internationalen Kritiker ausgeweitet. "Während der zwei Jahre, in denen wir über die Zustände berichten, hat uns niemand nachgewiesen, dass unsere Informationen falsch sind - weder FFI noch ein Gericht", schreibt das Indienkomitee der Niederlande. Somit bedeute das Vorgehen eine massive Einschränkung der Gewerkschafts- und Informationsfreiheit. Diese Position vertritt auch Amnesty International (AI). Die Menschenrechtsorganisation protestiert gegen die Kriminalisierung von Menschen, die Arbeitsrechte verteidigen und wirft Indien vor, die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu verletzen. Ein solcher Umgang wie mit FFI und seinen Kritikern komme in verschiedenen Teilen Indiens immer wieder vor. "Und die staatlich Verantwortlichen haben es immer wieder versäumt, gegen solcherlei Praktiken vorzugehen", heißt es in einer AI-Pressemitteilung.

Dabei gehört FFI mit Sicherheit nicht einmal zu den schlimmsten Exportfabriken in Indien. Das Unternehmen kann sogar ein Zertifikat SA 8000 vorweisen, das gegenüber den Kunden die systematische Verbesserung der Arbeitsbedingungen belegt. Auch Versammlungs- und Gewerkschaftsfreiheit werden mit dem Zertifikat bestätigt. Die für die Ausstellung des Papiers zuständige Organisation überlegt nun, FFI die Bescheinigung abzuerkennen.

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