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Kommentar MindestlöhneNicht mit dieser Koalition

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Krampfhaft versucht die Union zu beweisen, dass mehr als %= Prozent der Briefträger nicht vom Tarifvertrag der Deutschen Post AG erfasst werden, um so MIndestlöhne bei den Postdienstleistern zu verhindern. Die SPD gewinnt so Profil als Gerechtigkeitshüterin

W er Großes im Schilde führt, ist im Kleinen sehr penibel. Deswegen interessiert sich CDU-Politiker Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Bundestagsfraktion, so sehr für die Zahl der Briefträger und Postangestellten in Deutschland. Jeder einzelne ist plötzlich wichtig. Wie viele sind es genau - 328.957? Die Statistikmaschine beginnt zu laufen, in Kürze wird sie hunderte DIN-A4-Seiten Erkenntnis produzieren. Aus Sicht von Norbert Röttgen dient dies einem höheren Zweck: der Verhinderung des Mindestlohns. Röttgen und andere Unionspolitiker wollen die Modernisierung der Sozialordnung vereiteln.

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) plädiert für Mindestlöhne, damit jeder Arbeitgeber seinen Leuten wenigstens das zum Leben Notwendige zahlt. Obwohl mancher Unionspolitiker das als gefährlichen Eingriff in den freien Markt betrachtet, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich des Friedens in der Koalition willen zu einem Kompromiss durchgerungen. Die Politik könnte demnach Mindestlöhne für alle Briefträger in Deutschland einführen, wenn zuvor eine Gewerkschaft und ein Unternehmerverband selbstständig einen Tarifvertrag mit Mindestlohn beschlossen haben, der wenigstens die Hälfte der Beschäftigten der Branche erfasst. Diese 50-Prozent-Regel freilich ist eine uralte Klamotte, die sich Röttgen nun zunutze macht. Er zählt so lange, bis er genug Briefträger gefunden hat, für die der existierende Mindestlohn-Tarifvertrag der Deutschen Post AG nicht gilt. Angesichts der Tatsache, dass immer weniger Arbeitnehmer überhaupt einen Tarifvertrag haben, ist das nicht schwer. Die 50-Prozent-Regel gehört abgeschafft, doch das ist mit der Union erst recht nicht zu machen.

Für die Sozialdemokraten ist der Streit in jedem Fall gut. Sind sie erfolgreich, empfehlen sie sich ihren potenziellen Wählern als soziale Kraft der Regierung. Ist ein Kompromiss mit der Union nicht erreichbar, wird der SPD ein Wahlkampfthema geschenkt, das sich bestens zur Profilierung eignet. Die gegenwärtige Debatte weist über die große Koalition hinaus.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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1 Kommentar

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  • A
    Alster

    Wer seine Arbeiter nicht ernähren kann, ist nicht

    wert, dass er ein Unternehmen führt. Und die Politiker, die gegen Mindestlöhne sind, meist sind

    es die, welche wie Harpyien hinter den Nebenverdiensten her sind, weil sie mit dem 'Hungerlohn' für Politiker nicht auskommen wollen.

    Wenn sie nach den Manager-Gehältern schielen, sollten sie direkt in die Industrie gehen. Es scheint einfacher zu sein, sich so langsam heranzuschleichen. Wenn man es so richtig betrachtet;man benutzt das Volk um voranzukommen.

    Erst lässt man sich wählen-, dann bescheißt man.