piwik no script img

Kolumne ZeitschleifeSie weichen gerade darin auf

Endlich die Antwort auf die Frage, warum Frauen ihre Hände unaufgefordert in Seifenlauge baden.

privat

Josef Winkler (35) lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen

Ich habe jetzt nicht etwa in meinem post-ironischen "Lexikon der Werbesprüche" geblättert (bitte: ich besitze kein "Lexikon der Werbesprüche") und es liegt mir fern, Sie mit 80s-"Kult"-Zeugs zu umgarnen. Aber letztens stand plötzlich wieder einmal dieser alte Satzklassiker im Raum: "Sie baden gerade Ihre Hände darin." Es gab eine Situation - irgendeine Situation halt, ich kann mich nicht erinnern, in jedem Fall muss sie von einer gewissen Komik gewesen sein (Situationskomik wird bei uns im Büro großgeschrieben) und von einer Art, dass sie meinen Kollegen bewog, ihr diesen Satz beizumengen. Das klingt jetzt nicht eben nach einer Sternstunde des anarchischen Humors, darum geht es auch gar nicht. Es geht um den Satz und die alte, nie geklärte Frage: Warum baden die ihre Hände darin?

Falls Sie keine Ahnung haben, wovon ich rede - was wohl hieße, dass Sie entweder einen Migrationshintergrund haben oder unter einem Stein aufgewachsen oder aber unter 20 Jahre alt sind, denn uns, der white middle class Generation Golf mit unseren Werbesprüche-Lexika in der schwedischen Schrankwand ist dieser Satz ins Hirn getackert: Es gab "früher" lange eine Werbespotreihe für das Geschirrspülmittel Palmolive, die sich um die Figur Tilly drehte. Die gut gelaunte Frau Tilly saß an einem Beratungstisch, an dem sie Damen empfing, denen sie immer etwas Launig-Schnippisches bezüglich der Rauheit ihrer Hände sagte und dann Palmolive empfahl, das die Hände ach so zart halte. Das Mysteriöse war, dass diese Damen sich zu Tilly setzten und stets sofort und ohne Aufforderung eine ihrer Hände in ein bereitstehendes Schälchen mit grüner Flüssigkeit legten. Am Ende von Tillys Ausführungen über das Wundermittel Palmolive kam unvermeidlich der Satz: "Sie baden gerade Ihre Hände darin." Erschreckt wurde die Hand aus dem Schälchen gezogen, "In Geschirrspülmittel??", und Tilly drückte sie beruhigend wieder zurück: "Nein, in Pa" Aber den Namen hatten wir ja jetzt schon. Ich habe einfach nie kapiert, warum diese Frauen ihre Hände in das Schälchen legten. Und warum sie offenbar nicht bemerkten, dass sie es taten. Was war das für ein absurder Irrsinn? Ich habe es sogar mal im Selbstversuch ausprobiert, mit farbloser Ersatzflüssigkeit: Ist es möglich, dass man seine Hand vor sich auf dem Tisch in etwas reinlegt, ohne es zu bemerken? Nein, es ist nicht möglich. Abgesehen davon, dass es schwierig genug ist, sich selbst mit einem heimlich aufgestellten Schälchen Wasser zu übertölpeln, sagt einem die Sensorik, sofern intakt, doch klipp und klar: Alter, deine Hand liegt da in was drin. Was also war mit diesen Frauen los? (Achtung, Cliffhanger!)

Jetzt der informative Teil: Tilly wurde 26 Jahre lang - von 1966 bis 92 - gespielt von der New Yorker Schauspielerin Jan Miner. Sie heißt im US-Original Madge, ihre catchphrase lautet "Youre soaking in it!" und ist zu einem geflügelten Ausdruck geworden, der angewendet wird, wenn Umstände auf der Hand liegen, politische, emotionale, modische etc., in die verstrickt zu sein dem Gegenüber nicht bewusst ist: "Youre soaking in it!" Sie denken, Sie stehen über den Dingen - dabei baden Sie gerade Ihre Hände darin!

Jan Miner starb im Februar 2004, und im Nachruf schrieb die Berliner Zeitung, es werde "noch heute in Internet-Chats heißblütig über die Frage diskutiert, was zig Frauen über ein Vierteljahrhundert lang bewegt hat, ihre Hand unaufgefordert in eine Schale mit Seifenlauge zu tunken." Die könnten ihr heißblütiges Diskutieren einstellen und einfach meinen Kollegen fragen. Der Witz ist: Tilly/Madge ist eine Maniküre (also eine Frau, die Maniküren durchführt; für Beruf wie Leistung wird dasselbe Wort gebraucht) und sitzt da und empfängt Kundinnen, und die legen, wie vor Maniküren üblich, ihre Hände in eine Flüssigkeit, um sie geschmeidiger zu machen für die Behandlung.

Hm. Es ist beinahe schon zu einfach. Ich hoffe, ich habe ihnen jetzt nicht ein liebgewonnenes Kindheitsmysterium entzaubert.

Andererseits: Entzauberung?

Youre soaking in it!

Fragen zu den Händen? kolumne@taz.de MORGEN: Stefan Kuzmany ist GONZO

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!