Datensammelei gegen Visa-Missbrauch: Wer einlädt, wird überwacht

Wer Gäste aus visumpflichtigen Staaten nach Deutschland einlädt, soll in einer zentralen Datei gespeichert werden. Damit will die Koalition den Visamissbrauch verhindern.

Vor allem Viel-Einlader machen sich in der geplanten Kartei verdächtig. Bild: dpa

Wer einen visumpflichtigen Ausländer nach Deutschland einlädt, soll künftig in einer speziellen Datei gespeichert werden. Darauf haben sich das von der CDU geführte Innenministerium und das von der SPD geführte Auswärtige Amt verständigt, berichtet der sozialdemokratische Innenpolitiker Michael Hartmann. "Wir sind ein weltoffenes Land, aber wir müssen auch den Visamissbrauch durch Schleuser und Menschenhändler verhindern", sagte er der taz.

Aus den meisten Ländern der Welt kann man nur mit einem Visum nach Deutschland einreisen. Das Visum wird beim deutschen Konsulat oder der deutschen Botschaft im Heimatland beantragt. Zur Vermeidung illegaler Einwanderung wird dort bereits der Reisezweck und die "Rückkehrbereitschaft" geprüft. Wer angibt, einen Besuch oder eine Geschäftsreise zu machen, muss jetzt schon den Einlader benennen, damit dieser überprüft werden kann.

Die neue Einlader-Datei soll vor allem Viel-Einlader identifizieren, weil davon ausgegangen wird, dass Schleuser immer wieder mit den gleichen Personen zusammenarbeiten. Vor allem deutsche Auslandsvertretungen sollen auf die Datei zugreifen können.

Allerdings sollen mehrfache Einladungen nicht automatisch zur Ablehnung des Visumantrags führen. "Da wird dann geschaut, ob bisher alles korrekt abgelaufen ist, ob zum Beispiel die Eingeladenen auch wieder ausgereist sind", erläutert Hartmann. "Die rote Warnleuchte geht bei der Botschaft im Ausland an." Für die nähere Überprüfung seien dann die Ausländerbehörden vor Ort zuständig.

Bild: afp

Für Unternehmen, Musik- und Sportvereine, die immer wieder Geschäftspartner und Gäste aus dem Ausland einladen, soll die Datei sogar Erleichterungen bringen. "Nach der Visa-Affäre 2005 sind die Botschaften doch sehr vorsichtig geworden", sagte Hartmann, "und wir Abgeordnete mussten immer wieder bestätigen, dass bei den Betrieben und Vereinen alles in Ordnung ist."

Um herauszufinden, wer überhaupt ein Viel-Einlader ist, muss jedoch zunächst jede Einladung gespeichert werden. Diskutiert wird im Moment folgendes Modell: Erst wenn jemand binnen zwei Jahren mindestens fünf visarelevante Einladungen ausspricht, wird er offen in der Viel-Einlader-Datei gespeichert, bis dahin ist die Speicherung verdeckt, kann also bei Abfragen noch nicht gelesen werden.

Bedenken gegen dieses Modell hat vor allem der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Seine Mitarbeiter kritisierten in einer Verhandlungsrunde am Freitag, dass es unverhältnismäßig sei, jeden Einlader "anlasslos" zu speichern. Womöglich sei eine Viel-Einlader-Datei daher verfassungswidrig. Auch das Justizministerium hat wohl ähnliche Sorgen.

Von Abgeordneten der CDU/CSU wird dem entgegengehalten, dass auch die Speicherung eines Autokennzeichens beim Kraftfahrtbundesamt "anlasslos" sei. "Mit der bloßen Speicherung ist ja kein Unwerturteil verbunden", heißt es aus Verhandlungskreisen. In rund zwei Wochen sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden.

Diskussionsbedarf gibt es auch noch bei der Bewertung von Gruppeneinladungen, wenn zum Beispiel der Vorsitzende des Musikvereins einen Chor aus der weißrussischen Partnerstadt einlädt. Gilt er dann schon als Viel-Einlader, weil der Chor aus 30 Personen besteht? Oder ist dies nur eine einzige Einladung?

Die Einlader-Datei dient zwar in erster Linie der Kontrolle der Einwanderung. Aber auch Polizeibehörden und Geheimdienste werden voraussichtlich Zugriff erhalten.

Im vorigen Jahr bearbeiteten die deutschen Auslandsvertretungen dem Auswärtigen Amt zufolge 2,43 Millionen Anträge. Sie erteilten rund 1,83 Millionen kurzfristige Visa und 170.000 langfristige. Etwa 234.000 Anträge lehnten sie ab.

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