Kommentar Kommunale Betriebe: Abschied vom Privatisierungs-Mythos

Öffentliche Betriebe vernichten keine Arbeitsplätze und müssen auch keine Bürokratiemonster sein. Sie können aber machtvolle Instrumente für eine soziale Politik sein.

Es sind schwere Zeiten für Markt-Apologeten. Linke Konzepte erkämpfen sich in der ökonomischen Diskussion - um im Bild zu bleiben - immer mehr Marktanteile. Gegen die Privatisierung der Bahn organisiert sich mittlerweile Widerstand, die Zerschlagung der Stromkonzerne wird diskutiert, oder Bürger wehren sich wie in Leipzig gegen eine geplante Privatisierung. Zu dieser Erfolgsgeschichte gehört auch die Strategie vieler Kommunen, sich in Branchen der Daseinsvorsorge, etwa der Müllabfuhr oder Stromversorgung, als Unternehmer zu betätigen. Für diese Entmystifizierung der 90er-Jahre-These "Privat ist billiger und besser" war es höchste Zeit.

Mythos Nummer eins: Öffentliche Betriebe sind Bürokratiemonster. Wo früher inkompetente Beamte wirtschafteten, werden heute längst moderne Managementmethoden angewendet. Strikt achten die klammen Kommunen auf schlanke Strukturen. Unternehmen, die seit langem im öffentlichen Besitz sind, mussten so meist dramatische Schrumpfkuren über sich ergehen lassen.

Mythos Nummer zwei: Öffentliche Betriebe vernichten Arbeitsplätze, weil der Staat in den Markt eingreift. Stimmt. Fehlt nur die Ergänzung: Dafür schafft die Politik ordentlich bezahlte Jobs. In der Müllbranche verlieren Billigentsorger gegen öffentliche Unternehmen auch deshalb, weil Kommunen Dumping-Löhne nicht über Hartz-IV-Zuschüsse aufstocken wollen. Das ist ja gerade der entscheidene Vorteil öffentlicher Betriebe: Die Politik kann Gewinne, die sonst ein Privater einstecken würde, gezielt einsetzen - für gut bezahlte Arbeit, für konstante Müllgebühren oder für städtische Infrastruktur wie Schwimmbäder oder Parks.

Die Unternehmer-Kommunen haben richtig erkannt: Öffentliche Firmen sind machtvolle Instrumente sozialer Politik, die sie nicht mehr aus der Hand geben, sondern zurückhaben wollen. Und in Zeiten stagnierender Realeinkommen und explodierender Energiepreise sind sie als Korrektiv auch strukturell gesehen eine wichtige Ergänzung des Marktes.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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