piwik no script img

Bejubelter Fackellauf in AustralienChina mobilisiert Fahnenschwenker

Während des Umzuges der Olympischen Fackel durch die australische Hauptstadt Canberra fielen chinesische Zuschauer durch ihre Aggressivität gegenüber Tibet-Demonstranten auf.

Studenten beklatschen die Fackel - gegen estattete Fahrt- und Verpflegungskosten. Bild: ap

CANBERRA taz Ob auf den Brücken, ob am Seeufer oder vor dem Parlamentsgebäude: in Canberra dominiert die Farbe Rot. Teile der australische Hauptstadt waren fast bedeckt von tausenden von chinesischen Flaggen. Ein Beobachter meinte, es sehe aus, als ob Mao von seinem Grab auferstanden und "auf einem neuen, langen Marsch" sei.

Tausende, wenn nicht zehntausende von Chinesen und Australiern chinesischer Abstammung waren in die Hauptstadt Australiens gekommen, um die olympische Flamme auf ihrem kurzen Besuch auf dem Fünften Kontinent zu begleiten. Die Anwesenheit vieler, gelegentlich aggressiv gestimmter Chinesen liess bei vielen Beobachtern das Gefühl aufkommen, es handle sich mehr um eine politische Machtdemonstration als um einen Sportanlass. Immer wieder kam es zu verbalen und gelegentlich auch körperlichen Konfrontationen zwischen der überwältigenden Mehrheit der Chinesen und Demonstranten, die sich für Tibet einsetzten und die Menschenrechtsituation in China kritisierten. Auch einige tibetische Mönche wurden von den Fahnen tragenden Chinesen heftig beschimpft und als "Lügner" bezeichnet.

Der Fackellauf verlief ohne wesentliche Zwischenfälle. Ein Mann versuchte, den Weg des Trägers zu blockieren, wurde aber von der australischen Polizei rasch entfernt. Die wegen ihres harten Eingreifens in London und Paris kritisierten chinesischen Bewacher der Fackel durften auf Anweisung des australischen Premierministers Kevin Rudd nicht einschreiten.

Die mit einem massiven Aufgebot erschienene Polizei versuchte, China-Kritiker und Fahnenträger auseinander zu halten, machte aber sieben Festnahmen. Die Aggressivität, mit der junge und alte Chinesen die wenigen Menschenrechts-Demonstranten niederschrien, erschreckte viele unbeteiligte Zuschauer. "Ich bin schockiert", sagte Pina Collins, eine von wenigen nicht chinesischen Zuschauerinnen entlang der Strecke zum Parlamentsgebäude.

Auch Katherine Nesbitt, die aus Sydney angereist war und ein Schild der Menschenrechtsorganisation Amnesty International trug, zeigte sich überrascht. "Es sind so viele. Wir sind völlig in der Minderzahl". Eine andere Tibet-Demonstrantin fühlte sich "wie mit einer Armee konfrontiert".

Schon im Vorfeld des Fackellaufs hatte es Gerüchte gegeben, die chinesische Botschaft habe den Transport tausender linientreuer Chinesen nach Canberra organisiert. Die Vertretung Pekings dementierte diesen Vorwurf. Mehrere befragte Studenten bestätigten aber, auf Kosten von chinesisch-australischen Freundschaftsorganisationen gereist zu sein. Bis zu 80 Busse waren aus allen Teilen des Landes nach Canberra gefahren.

Der Ministerpräsident von Canberra, Jon Stanhope, bezeichnete den Fackellauf als "Erfolg". Ob die australische Öffentlichkeit das auch so sehen wird, muss sich erst noch zeigen. Es ist geradezu sicher, dass die generell eher fremdenkritisch eingestellten australischen Medien in den kommenden Tagen von einem politischen Überfall auf das sprechen werden, was den meisten Australierinnen und Australiern beinahe heilig ist: Sport.

Dabei wäre es für die rund 600 000 in Australien lebenden Chinesen gerade in dieser Zeit wichtig, sich dem Rest der Bevölkerung anzunähern. Die Sorge über den wachsenden Einfluss Chinas in der australischen Wirtschaft nimmt zu. China fasst in der Bergbauindustrie des Kontinents immer stärker Fuss.

Die chinesische Regierung kauft direkt und indirekt Beteiligungen an australischen Firmen, um sich so den Zugang zu wichtigen Bodenschätzen zu sichern. Das beunruhigt Australierinnen und Australier. Denn viele sehen auch in einem China, das sich vor den Olympischen Spielen in einem modernen Gewand zeigt, einen totalitären Staat. Das Fahnenmeer in Canberra dürfte diesen Eindruck eher verstärkt haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • X
    xiaomage

    Übrigens alle Aufnahmen die ich gesehen habe, zeigen keine aggressiven chinesischen Besucher, aber sehr wohl Streiterein zwischen Tibet Fantasten und Chinesen. Wo beide Seiten sich beschimpfen.

    Übrigens haben sich es die Tibeter nicht nehmen lassen Flaschen auf die Fackelläufer zu werfen.

     

    Das ist natürlich für die taz nicht so bedrohlich, wie ein Haufen Chinesen mit Roten Fahnen.

     

    Angst vor der gelben Gefahr?

  • D
    Daniel

    In diesem Zusammenhang kann man die Reaktionen der chinesischen Regierung doch durchaus verstehen. Da tüncht man daheim, im eigenen Land, für sündhaft viel Geld ordentlich bunte Farbe über die Vielzahl von Problemen die mit dem täglichen Geschäft einer totalitären Regierung nun einmal einher gehen und dann fängt die Weltöffentlichkeit plötzlich an, am prächtig schimmernden Lack zu kratzen.

    Ganz ehrlich, mich persönlich stört nicht die Tatsache, dass es nun solche bezahlten Fahnenschwenker gibt. Dieses Phänomen ist seit dem Schahbesuch 'n alter Hut. Für die Staatspropaganda sowas wie Peter Steiner für den BR, Oldie but Goldie.

    Allerdings hat die chinesische Regierung bei all dem Trainieren der feuerschützenden Elitetruppen und dem Anheizen der nimmermüden Fahnenschwenker vergessen sich einen modischen, eingängigen Begriff für ihre recht originelle Partytruppe auszudenken. Mal im Ernst, was wären '67 die paar iranischen Prügelknaben gewesen, hätte man sie nicht Jubelperser genannt.

    Kein Hahn hätte im Tohuwabohu der späten 60er nach diesen Jungs geschrien, ganz ehrlich, so manche Fanausschreitung in der 2. Liga hat's heute doch mehr in sich.

    Man kann also nur mit seinem kärglichen Schullatein imponieren und Plautus zitieren: nomen est omen (eigentlich: nomen atque omen)

    China mach was drauss. Wenn ich mich schon über was aufregen muss, dann will ich's wenigstens griffig.

  • AZ
    anke zoeckel

    Da haben wir ja Glück gehabt, dass zwischen '33 und '45 keine schwarzrotgoldenen Fahnen geschwenkt wurden in Deutschland. Manch einem Beobachter der Szenerie hätten sonst anlässlich der Fußball-WM gar schröckliche Vergleiche in den Sinn kommen können...

     

    Aber zurück nach Canberra. Was hat Urs Wälterlin erwartet? Wer Wind säht, nicht wahr, der tut gut daran, gleich anschließend den Hut festzuhalten. Der olympischen Fackellauf dient nicht erst der politischen Machtdemonstration, seit er zur Bühne für politisch Andersdenkende geworden ist. Bisher hat sich, so weit ich es verfolgen durfte, daran kaum jemand gestört. Auch Amnesty nicht. Warum also ausgerechnet eine chinesische Regierung den Großmut besitzen sollten, sich (als erste und ganz gewiss auch letzte Regierung der Welt) eine derart günstige Gelegenheit zur Selbstdarstellung (China = Masse + Macht) entgehen zu lassen, muss ihnen Urs Wälterlin gewiss erst noch erklären. Es wird diese Erklärung keine leichte, nehme ich an, wenn selbst edle Menschenrechtsaktivisten Event-Politik betreiben im Fackelschein.

     

    Übrigens: Was der Verfasser des Textes den rund 600 000 in Australien lebenden Chinesen mit seiner Aufforderung sagen wollte, sie mögen sich doch gefälligst dem beunruhigten Rest der Bevölkerung annähern, müsste er weniger den Chinesen erklären, als mir. Ich nämlich lese die taz.