Armutsbericht der Regierung: Jeder achte Deutsche ist arm

Der neue Armutsbericht der Bundesregierung bestätigt einen alten Trend: Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher. Arbeitsminister Scholz fordert Mindestlohn als Gegenmaßnahme.

Ohne Sozialleistungen würde gar jeder Vierte in Armut leben. Oft sind Kinder die Leidtragenden. Bild: ap

Jeder achte Deutsche ist arm. Gäbe es keine staatlichen Sozialleistungen, würde laut dem neuen Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung sogar jeder Vierte in Armut leben. Diese Angaben bestätigte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage, der Bericht wird erst am Montag vorgestellt.

Das Papier soll außer diesen Zahlen belegen, dass die Armen ärmer und die Reichen reicher werden. "Die Einkünfte der Reichen sind gewachsen, dagegen sinken die Einkünfte im unteren Bereich leicht, im mittleren stagnieren sie", sagte Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) der Bild am Sonntag. Konkrete Zahlen nannte er jedoch nicht.

Verglichen mit dem letzten Armutsbericht aus dem Frühjahr 2005 stagniert die Armut offenbar. Dem damaligen Papier zufolge lag der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2003 bei 13,5 Prozent - also sogar ein wenig höher als derzeit. Im Vergleich zu 1998 ist der Anteil der Armen allerdings merklich gewachsen, damals lag er bei etwas mehr als 12 Prozent. Laut Scholz gibt es jedoch auch eine positive Entwicklung. So habe sich die Zahl der Obdachlosen seit 1998 auf 254.000 halbiert.

Als arm werden laut einem Übereinkommen der EU-Staaten alle erfasst, die weniger als 60 Prozent des sogenannten Median-Einkommens verdienen. Würde man die gesamte Bevölkerung nach ihrem Einkommen aufreihen, so ständen Menschen mit dem Median-Einkommen genau in der Mitte. Laut Scholz sind 60 Prozent des Median-Einkommens derzeit 781 Euro netto.

Allerdings gibt es sowohl zu diesen Angaben als auch zum Stand der Armut durchaus auch andere wissenschaftlich begründete Aussagen. So haben Forscher mit Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im April 2008 einen Armenanteil von 14,9 Prozent der Deutschen errechnet - und nicht 13 Prozent wie das Scholz-Ministerium. Sie legten die Grenze für Armut auch nicht bei 781 Euro fest, sondern bei 870 Euro. Einig sind sich die Forscher aber in zwei Punkten: Arm und Reich driften weiter auseinander, der Mittelstand bröckelt.

Scholz forderte erneut einen Mindestlohn. Der Zahl der Menschen, die arbeiteten und in Armut lebten, sei größer geworden. "Das zeigt: Wir haben zu niedrige Löhne in Deutschland und brauchen Mindestlöhne", sagte Scholz. "Wenn es die Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld II, Wohn- oder Kindergeld nicht gäbe, dann hätten wir statt 13 Prozent 26 Prozent Arme."

Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linken, kritisierte Scholz. Die alarmierenden Zahlen seien "Ergebnis der Regierungspolitik von Rot-Grün bis Schwarz-Rot". Faktoren wie Druck auf die Löhne, Kinder als Armutsrisiko oder die Mehrwertsteuererhöhung stünden Steuererleichterungen für Vermögende und Konzerne gegenüber. Scholz solle die Hartz-IV-Sätze anheben und kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlasten.

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