Ölmillionäre kaufen auf der "Art Moscow" Kunst: Marx und Mars

Wohlhabende Russen beweisen auf der Kunstmesse "Art Moscow" Sinn für milde Ironie und kaufen Gemälde, die Agit-Prop-Malerei auf Werbeästhetik treffen lässt.

Eine Arbeit des von der Galerie Guelman vertretenen Oleg Kulik zeigt die Liebe zur graphischen Deutlichkeit. Bild: Galerie Guelman

Das Zentrale Haus des Künstlers in Moskau könnte bald aussehen wie eine aufgeschnittene Orange. Zumindest soll Sir Norman Foster einen entsprechenden Vorschlag gemacht haben. Zur Kunstmesse "Art Moscow", die dort seit 1996 jeden Frühling stattfindet, gab sich der imposante Kasten aus der Breschnew-Ära allerdings noch schlicht und grau wie eh und je. Nur 45 Galerien rückten in diesem Jahr auf ihren Ständen Gemälde und Zeichnungen zurecht. Jiri Svestka aus Prag war zum ersten Mal dabei, die neu gegründete GMG Gallery aus Moskau oder Schübbe Projekt aus Düsseldorf. Das Messekuratorium, in dem unter anderem der Berliner Galerist Volker Diehl, frischgebackener Besitzer eine Moskauer Zweitgalerie und die Geschäftsführerin des Neuen Berliner Kunstvereins, Kathrin Becker, sitzen, ließ nicht mehr jeden rein. Internationale Qualität lautet die neue Devise bei der Galerieauswahl.

Zur Preview vor der Eröffnung gaben sich russische Ölmillionäre und reiche Sammler aus den Luxusvierteln Moskaus die Ehre, Menschen, die ihre Datschen in Rublewka haben, wo auch die Putins und die Jelzins am Wochenende wohnen. Auf den Ständen der Moskauer Galerien Aidan, XL oder M & J Guelman gab es Werke von jungen russischen Künstlern, etwa einen geschnitzten Geldautomaten aus Styropor von Sergei Shekhovtsov. Oder das, was man sich auch im Westen unter russischer Kunst vorstellt: ein Foto des Aktionskünstlers Oleg Kulik, auf allen Vieren und in Lederklamotten, eine Bronzeskulptur von Alexandr Kosolapov, bei der sich Lenin, Mickey Mouse und Jesus schwungvoll schreitend an den Händen halten.

Auf dem Stand der Moskauer Galerie Atelier No. 2 stellte sich Igor Baskakov, eine imposante Gestalt mit langem rotem Rauschebart, dem Publikum, etwas verschreckt ob all des Trubels. Wie viele junge russische Maler hat er eine klassische Malereiausbildung genossen, und wie die meisten will er davon weg. Baskakov malt jetzt griffige Bilder, die an Werbetafeln erinnern, in denen Marx und Marsriegel oder Head & Shoulders und Lenin miteinander vermählt sind.

Bei wohlhabenden Russen kommt diese Art von Ironie mittlerweile gut an. Das Sampeln von Ideologien hat Konjunktur. Und was Konjunktur hat, findet seinen Platz auf der Art Moscow. Politikergesichter gehören unbedingt dazu. Das Künstlerpaar Dimitri Vrubel und Victoria Timofeeva spürte das schon vor zehn Jahren, malte Putin im Judoanzug, mit Piercing, als Popstar und machte Karriere. Nun präsentieren sie in einer von Galerist Marat Guelman ausgerichteten Sonderschau das "New Testament Project", eine Neuillustration von Bibelsprüchen. Auf riesigen Leinwänden zeigen sie religiöse Zitate plus Irakkrieg, Ahmadinedschad oder zwei schmuddelige Jungs, die durch riesige Zahnlücken grinsen. Politische Provokation? Vrubel kratzt sich genervt am Kopf. Was denn daran politisch sei, Kinder zu malen, sagt er und holt einen jungen Mann herbei. "Der hier arbeitet in der Duma, den müssen Sie fragen, wenn Sie etwas über Politik wissen wollen." Der Rest ist einfach Malerei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.