Erster Erfolg für Milchbauern: Milch wird langsam knapp

Spätestens Mittwoch könnte Milch knapp werden. Die Molkereien gehen auf die Bauern zu: Sie erklärten, höhere Preise verlangen zu wollen. Nur muss der Handel auch mitspielen.

Da will die Milchindustrie die Milch nicht hinhaben: Protest vor der Zentrale des MIV in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz Die Milchindustrie rechnt damit, dass dem Handel bereits an diesem Dienstag, spätestens aber Mittwoch die Milch ausgeht. "Es gibt Lieferengpässe, und die nehmen stündlich zu", sagte Eckhard Heuser, einer der Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbands (MIV) der Zeitung FTD. Dies betreffe auch die H-Milch.

Am Montag hatten die Bauern ihren ersten wichtigen Erfolg erzielt: In ersten Gesprächen haben die Molkereien den Bauern zugesagt, vom Einzelhandel höhere Preise für Milchprodukte verlangen zu wollen - das Plus soll an die Milchbauern weitergegeben werden. Die Position der Bauern ist damit gestärkt: Vor den Verhandlungen hatte es nicht nach einer Annäherung ausgesehen.

Die Bilanz der ersten Gespräche ist trotzdem sehr unterschiedlich: Während der Bauernverband von einer "sachorientierten Atmosphäre" sprach und sich freute, dass man überhaupt miteinander verhandle, stehen beim Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) die Zeichen weiter auf Streik - und seit dem Wochenende auch auf Blockade: Allein die Molkerei Nordmilch zählte acht blockierte Werke.

"Bis zu 500 Tankwagen mit jeweils 25.000 Kilogramm Rohmilch" müssten so erzwungenermaßen vernichtet werden, rechnet Sprecher Hermann Cordes vor. Auch die größte Molkerei Deutschlands, die Sachsenmilch-Molkerei in Leppersdorf, wurde blockiert, ebenso wie Lieferungen aus den Nachbarländern. In Nordrhein-Westfalen betraf die Blockade zeitweise sämtliche Molkereien. Der Milchindustrieverband spricht von Schäden in Millionenhöhe und empfiehlt seinen Mitgliedern, "alle rechtlichen Schritte einzuleiten". Außerdem kündigte er an, Kurzarbeit zu organisieren.

"Wir schauen jetzt erst einmal, ob die Molkereien sich an ihre Zusage halten", sagte BDM-Sprecher Hans Foldenauer. Er ist sich sicher: Der Streik wird sich lohnen - auch finanziell: Bei einem Ausgangspreis von 30 Cent pro Kilogramm Milch wäre bei einer Preissteigerung um 13 Cent der Verlust aus der verschütteten Milch in nicht einmal drei Tagen zurückverdient. Ab dem gestrigen Montag, dem fünften Streiktag, würde es somit nicht einmal zwei Wochen dauern, bis die Bauern das Geld wieder in der Tasche hätten - falls sie sich denn durchsetzen.

Bild: taz

Zweifel daran hat der BDM nicht. "Wir erwarten von dem Einzelhandel, dass er einlenkt", erklärt Foldenauer. "Je länger es dauert, desto mehr müssen sie zahlen, damit wir die Verluste aus dem Lieferstopp wieder reinkriegen", stellt Foldenauer klar. Und spricht damit den ersten Streitpunkt der Verhandlung an: den Einkaufspreis.

Kostet ein Liter Milch im Supermarkt etwa 61 Cent, geht mit rund 26 Cent nicht einmal die Hälfte an den Milchbauern (siehe Grafik). Das ist den Erzeugern zu wenig: Sie fordern 43 Cent - allerdings pro Kilogramm. Und da geht es um den zweiten Streitpunkt: die Umrechnung von Liter auf Kilogramm. Während ein Liter Milch in der Mehrzahl der EU-Staaten mit 1,03 Kilogramm umgerechnet wird, sind es in Deutschland nur 1,02 Kilogramm. "Ungerecht" findet das der BDM, weil die deutschen Milcherzeuger so 1 Prozent ihrer Produktion verschenken würden.

Die 43 Cent - darauf legt Foldenauer Wert - seien nicht utopisch. Tatsächlich lag im vergangenen Oktober der bundesweite Durchschnittspreis für ein Kilogramm Milch bei 40 Cent. Die Preise sind Verhandlungssache - der Erzeuger verhandeln individuell mit einer der rund 200 Molkereien in Deutschland. Klar ist: Eine große Molkerei kann bessere Preise für sich heraushandeln als ein einzelner Milchbauer.

Bei den genossenschaftlich organisierten Molkereien, die in der Mehrheit sind, legt der Vorstand den Preis fest. Jedes halbe Jahr handeln dann die Molkereien mit den großen Einzelhandelsketten ihre Abnahmepreise aus. Laut einer Berechnung des Instituts für Ernährungswirtschaft schneiden die Molkereien dabei nicht schlecht ab: Bei ihnen landen 34 Prozent des Supermarktpreises.

Von dem Treffen mit dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels am Montagabend erwartet sich Foldenauer höchstens "einen Schritt" - und so war es dann wohl auch. Denn nach dem Treffen gaben die Teilnehmer keine größeren Kommentare ab. "Das Gespräch war konstruktiv", erklärte der Sprecher des Bauernverbandes Michael Lohse am Montagabend lediglich. "Jetzt muss einzeln verhandelt werden", ergänzte er.

Die Milchindustrie prüft derweil Klagen gegen die Bauern: "Die Boykotte sind illegal", sagte Eberhard Hetzner, ein weiterer Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes MIV der WAZ. Der Verband werde seinen Mitgliedern empfehlen, gegen die Boykotteure zu klagen. Hetzner erklärte, er sei gesprächsbereit, sehe sich aber im Moment "eher erpresst" als dass er Zugeständnisse auch der Bauern sehe. Der Liefer-Boykott sei akzeptabel, nicht aber die Sperren vor den Molkereien.

Fest steht aber schon jetzt: Der Streik hat den Zusammenhalt der Bauern untereinander gestärkt. In Friesland hat sogar eine Hofbetreiberin damit angefangen, eine Streikkasse einzurichten. Finanziert durch freiwillige Spenden, sollen so die streikenden Bauern eine Unterstützung erhalten.

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