Bombodrom-Proteste: Üben für den Ernstfall

Rund 200 Gegner des geplanten "Bombodroms" in der Kyritz-Ruppiner Heide besetzten am Freitag das Gelände - deutlich weniger als in den Jahren zuvor. Die dabei blieben, sind umso entschlossener.

Verkehrsstau im beschaulichen Nordbrandenburg: Eine Karawane von knapp zweihundert Zugereisten und Einheimischen schiebt sich auf Fahrrädern und in ausgeborgten Kleinwagen im Schritttempo durch die gelben Weizenfelder. In den windschiefen Dörfern beobachten Rentner von ihren Vorgärten aus das Geschehen und winken auch schon mal zurück. Kurz hinter einer großen Schweinemastanlage schlagen sich die Demonstranten plötzlich nach rechts in den Wald. Weder Polizei noch Natodraht, hindern sie daran, nur ein Schild mit der Aufschrift "Militärischer Sicherheitsbereich - Lebensgefahr" lässt erkennen, dass hier ein ehemaliger russischer Truppenübungsplatz ist.

Seit 15 Jahren wehren sich Anwohner und Friedensbewegte gegen die Planungen des Bundesverteidigungsministeriums, dieses Gelände wieder als Bombenabwurfplatz zu nutzen. Die Bundeswehr will auf dem 14.000 Hektar großen Areal Übungsbomben abwerfen und Tiefflüge trainieren. Vor allem die Tourismusbranche an der Seenplatte befürchtet massive wirtschaftliche Einbußen wegen Fluglärms, auch Anwohner und Kriegsgegner lehnen das Vorhaben seit Jahren ab, wie auch die Landesparlamente in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Rund 200 Musterklagen liegen gegen das umstrittene Bauvorhaben vor. Trotz Gerichtsurteilen, die eine Inbetriebnahme des Tiefflugübungsplatzes bisher unterbinden, hält Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) an dem Vorhaben fest. Das Aktionsbündnis Rosa Heide lädt hier noch bis zum 21. Juli zu einem Widerstandscamp ein.

"Auf diesen Moment habe ich mich lange gefreut," erklärt Markus Euskirchen. Der Berliner Mittdreißiger war seit Dienstag auf dem Basiscamp am Rande des Bombodroms. Jetzt läuft er im Wald zwischen den Fahrrädern und Autos hin und her und koordiniert das Eindringen der Aktivisten in das Sperrgebiet. Die Aktion hat er monatelang mit vorbereitet.

Wenn der promovierte Politikwissenschaftler erzählt, warum er hier ist, klingt das wohlüberlegt, aber auch kompliziert. Es fallen marxistische Vokabeln wie "militaristische Vergesellschaftung" und "hegemoniale Ordnung". Dabei kennt der Pfälzer mit den zerzausten braunen Haaren den permanenten Stress durch Tiefflieger schon aus Kinderzeiten: Er ist in der Nähe der amerikanischen Airbase Rammstein aufgewachsen. Später hat er sogar als Jugendkader der Nationalmannschaft für Modernen Fünfkampf in den Kasernen der Bundeswehr schießen geübt.

Heute lehnt Euskirchen das autoritäre Prinzip des Militärs aus tiefer Überzeugung ab, sagt er. "Das Bombodrom ist der Flaschenhals für die deutschen Militärstrategien", glaubt Euskirchen. Ohne das über zwanzig Kilometer lange und acht Kilometer breite Areal, könne der Bund seine neue Rolle als gleichberechtigter Militärpartner in der Welt nur schwer durchsetzen. Und genau das will Markus Euskirchen behindern.

Eigentlich soll mit der heutigen Aktion eine neue Phase des Protests beginnen. Die Mitglieder des Aktionsbündnisses wollen sich stärker vernetzen und massenhaft den zivilen Ungehorsam üben. Ihr Plan für den Ernstfall einer Inbetriebnahme des Testgeländes: Jeden Tag dringen Kriegsgegner in den Platz und verhindern damit die Übungen.

Im Moment sieht es allerdings noch nicht so aus, als ob der Plan aufgeht: Während bei einer Platzbesetzung im letzten Jahr noch 700 Leute dabei waren, ist die Teilnehmerzahl heute abgeschmolzen. "Im letzten Jahr hat die Besetzung des Bombodroms viele G-8 Protestierer angezogen und auch das Wetter spielt leider nicht so richtig mit," erklären die Organisatoren die abnehmende Beteiligung. Immerhin gibt es Rückenwind aus der Politik. Die Bundestagsabgeordnete Inge Höger (LINKE) zeigt mit ihrer Anwesenheit demonstrativ ihre Unterstützung für die Aktionen, die Grünen erklären sich solidarisch und der SPD-Fraktionschef Hubertus Heil hat bei einem Treffen mit dem Aktionsbündnis am Donnerstag erklärt, dass er deren Anliegen grundsätzlich unterstützt.

Markus Euskirchen reicht das nicht und er glaubt nicht, dass der Bombenabwurfplatz allein durch Gerichte und Parlament gestoppt werden kann. Dafür seien die Interessen des Verteidigungsministeriums an dem Ort seiner Meinung zu groß. Der Verteidigungsminister betone immer wieder, dass man an dem Platz festhalten will. Deshalb fühlen sich die Initiatoren zu der Besetzung gezwungen. Dass das Reibereien mit der Bürgerinitiative Freie Heide bedeutet, die zivilen Ungehorsam nicht unterstützt, wollen sie dabei in Kauf nehmen.

"Wir wollen keine Diskreditierung der Arbeit der Bürgerinitiative, sondern eine Bereicherung des Protestspektrums," erklärt Samira Hübner, die mit Euskirchen zusammen das Camp vorbereitet hat. Man müsse jetzt vorbereitet sein um später, wenn die Genehmigung für das Bombodrom erteilt ist, auf dem Platz zu stehen. Das will auch der Politikwissenschaftler Euskirchen. Auf einer Wiese im Sperrgebiet baut er sein Iglu auf, mindestens vier Tage will er hier zelten.

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