US-Zeitungsmarkt in der Krise: "Schlechter als schrecklich"
Im Vergleich zum europäischen Zeitungsmarkt stehen die US-Titel noch sehr gut da, doch auch in den USA klagen Verleger über schrumpfenden Absatz.
WASHINGTON taz Immer wieder hagelt es Schlagzeilen: "US-Zeitungsmarkt im freien Fall". Immer noch schmiert der Medienkonzern New York Times Co. an der Börse ab. Schon wieder schickt die Washington Post weitere 200 Journalisten nach Hause oder in Rente. Die US-Medien scheinen in der Krise zu stecken.
Andererseits: Allein die Nachrichtenredaktion der Washington Post hat auch nach der jüngsten Verschlankung noch 700 (sic!) Vollzeitredakteure. Der Werbeumsatz der Zeitungsbranche belief sich im vergangenen Jahr auf 42 Milliarden Dollar. Und die Hiobsbotschaft der New-York-Times-Mediengruppe lautet, dass ihr Gewinn im zweiten Quartal dieses Jahres erneut gesunken ist: um 5,5 Prozent auf "nur" noch 20,9 Millionen Dollar. Von solchen Zahlen können deutsche Zeitungsverlage nur träumen.
Allerdings schwächt die kränkelnde US-Wirtschaft das Geschäft der Printmedien tatsächlich weiter: Nach Angaben von Firmenchefin Janet Robinson brachen die Einnahmen aus den Zeitungsanzeigen der New York Times allein im jüngsten Quartal um fast 12 Prozent ein. Ähnlich leiden auch große US-Verlagshäuser wie Gannett (USA Today und knapp 100 Regionalzeitungen) und Media General (Marktführer im Südosten mit The Tampa Tribune und 275 Wochenzeitungen).
Zugleich sinken die gedruckten Auflagen. Die der Washington Post beispielsweise lag 1993 noch bei 832.232, nun bei nur noch 638.300 Exemplaren. Der Betriebsgewinn fiel von 157 Millionen Dollar im Jahr 1999 auf 66 Millionen im vergangenen Jahr. Allerdings Gewinn, wie gesagt. Deutsche Leser würden sich die Augen reiben, wenn sie so viele ganzseitige Anzeigen überblättern müssten, wie es sie in dem Blatt noch immer gibt. Und tatsächlich musste die Washington Post bislang noch niemanden entlassen, auch die dritte Stellenstreichungsrunde seit 2003 gelang nun allein mit guten Abfindungsangeboten.
Unübersehbar ist dennoch, dass der US-Printmarkt schrumpft. Denn junge Leute lesen ja durchaus noch - aber eben am Laptop oder auf dem Blackberry. Auf dem Papier haben sie das Gefühl, "es ist yesterdays news" - auch wenn sich viele Zeitungen längst darauf eingestellt haben, heute die Hintergründe zum gestrigen Geschehen zu liefern. Doch auch die Hintergründe gibt es ja online - kostenlos. Sowohl New York Times als auch das Wall Street Journal haben es aufgegeben, für Inhalte im Netz Geld zu verlangen.
Und doch versuchen alle Verlagshäuser, mehr Geld im Internet zu verdienen. Das müssen sie auch, weil die großen amerikanischen Verlage allesamt Aktiengesellschaften sind, deren Teilhaber Dividende sehen wollen und empfindlich auf jeden Profitrückgang reagieren. So versuchte der Investor Samuel Zell, den kriselnden Tribune-Verlag für 8,2 Milliarden Dollar von der Börse zu nehmen. Viel Geld, selbst für den Immobilienmilliardär Zell, der sich selbst einen "Grave Dancer" nennt. Tatsächlich steht der Verlag der Los Angeles Times und der Chicago Tribune mit einem Bein im Grab. Der Anzeigenumsatz ist im zweistelligen Prozentbereich zurückgegangen, und mitten in der US-Finanzkrise hat der Konzern seit der Übernahme 12,8 Milliarden Dollar Schulden - das Nachrichtengeschäft sei "schlechter als schrecklich", gestand Zell der Baltimore Sun. Nun will er den Büroturm der Chicago Tribune verkaufen und, bitter, bitter, sogar das Baseballteam Chicago Cubs samt Stadion. Die Entlassung von 200 Redakteuren der Los Angeles Times nennt man schlicht: "Marktanpassung".
Und auch The Palm Beach Post entlässt 300 Leute im Printbereich - "unsere Website bestimmt jetzt das Geschäft", heißt es aus der Geschäftsführung; von 42 Reportern werden daher 32 umgetauft und heißen nun online-reporters.
Derweil befindet sich die New York Times in einer Art Schockstarre. Ihr Aktienkurs ist binnen eines Jahres um 44 Prozent gefallen. Mehrheitseigner Arthur Ochs Sulzberger jr. griff eigens in den Kapitalstock, um trotzdem die Dividende zu erhöhen. Und auch wenn das meiste davon sowieso in der Familie bleibt, da sie 88 Prozent der stimmberechtigten Aktien hält - die Debatte über die Zukunft des Medienimperiums lässt sich wohl nicht mehr lange abwürgen.
Es ist eine Stellvertreterdebatte für die Machtverteilung zwischen Print- und Onlineunternehmen. Rupert Murdoch hat sich schon das Wall Street Journal geschnappt und versucht mit weiteren Aufkäufen und Verdichtungen, alte Zeitungen den neuen Zeiten anzupassen. Aber er hat ein Problem: Murdoch ist uralt und konservativ. Die Internetgeneration ist beides nicht.
Google zum Beispiel hat eine sehr viel größere und weitreichendere Medienplattform, auch wenn sie sich inhaltlich sicher verbessern könnte. Die New York Times dagegen hat einen relativ kleinen Internetauftritt für ihre unübertroffene inhaltliche Qualität. Auf der Webseite Real Clear Politics denkt der Verleger der Website American Thinker, Thomas Lifson, angesichts der Diskrepanz über "Käufer wie Google" nach: "Sie könnten", schreibt er, "das Potenzial der Informationsbeschaffung", das etablierte journalistische Organisationen auszeichne, "besser ausnutzen und mehr Flair und Geld in die Aufgabe bringen, innerhalb des schwindenden Zeitungsmarktes zu konkurrieren."
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