Ein Jahr nach der Ausländerhatz in Mügeln: Frau de Haas schweigt

Ein Jahr nach Mügeln wollte eine Journalistin mit Sachsens Ausländerbeauftragter Bilanz ziehen - die CDU-Politikerin gab ihr einen Korb: Positive Nachrichten seien dringlicher.

Sachsens Ausländerbeauftragte will zu den Mügelner Übergriffen nichts mehr sagen. Bild: dpa

BERLIN taz Die CDU-Politikerin Friederike de Haas ist Ausländerbeauftrage von Sachsen. Genau vor einem Jahr ist acht Einwanderern in der sächsischen Kleinstadt Mügeln Schreckliches widerfahren. Die Inder hatten sich in einer Pizzeria am Markt eingeschlossen, einige von ihnen waren verletzt. Draußen grölte ein Mob von 50 bis 80 Einheimischen. "Ausländer raus!" Das Eintreffen von Bereitschaftspolizisten verhinderte Schlimmeres.

Zum Jahrestag kam eine Korrespondentin der Nachrichtenagentur epd auf die Idee, de Haas zu dem Vorfall zu interviewen. Am Freitag fragte sie im Büro der CDU-Politikerin an, am Montag wurde ihre Bitte abschlägig beschieden. Daraufhin setzte sie eine Art Misserfolgsmeldung ab: "Mügeln: Sächsische Ausländerbeauftragte will sich nicht mehr äußern." In dem Text wurde die Begründung des Pressesprechers von de Haas zitiert: "Wir sehen es als dringlicher an, über die positiven Fortschritte im Kampf gegen die Ausländerfeindlichkeit zu reden."

Der Sprecher heißt Frank Märker. Auf Nachfrage sagt er: "Es wäre wünschenswert, wenn mehr Aufmerksamkeit auf die positiven Ergebnisse der Integration gelegt würde." Zu Mügeln habe sich Frau de Haas geäußert: "Sie hat im Landtag ausführlich dazu Stellung genommen. Sie hat vor einem Jahr ausführlich Stellung genommen. Aus heutiger Sicht gibt es keinen weiteren Stellungnahmenbedarf."

Sophia Oppermann, Geschäftsführerin des Vereins Gesicht Zeigen!, sieht das anders: "Ich finde es beschämend, welche Kaltschnäuzigkeit den Opfern entgegengebracht wird. Jetzt zu schweigen - das wird den Opfern nicht gerecht. Die Haltung in Mügeln scheint zu sein: Das war so ein Ausrutscher." Wenn sich so ein Ereignis jähre, müsse eine Ausländerbeauftragte Bilanz ziehen. "Ich weiß nicht, von welchen Fortschritten in Sachsen Frau des Haas spricht."

Sieht man sich Reden von de Haas durch, entsteht nicht der Eindruck, dass sie Rassismus verschweigt. Im April hielt sie eine Rede auf einer Bundeswehrtagung. Sie erwähnte antisemitische Parolen bei Fußballspielen. Sie nannte die Pfarrersfamilie mit der aus Indien stammenden Mutter, die Thüringen verließ, da sie jahrelang beleidigt wurde. Sie sprach über Überfälle auf ausländische Studenten in Dresdner Bussen. "Das sind Fälle, die lediglich die Spitze eines Eisbergs bilden", sagte sie. "Blätter vor dem Mund helfen nicht!"

Bisher sei de Haas nicht dafür bekannt, vor unangenehmen Themen zurückzuschrecken, sagt der Linke-Chef im Landtag André Hahn. "Um so mehr verwunderlicher ist ihre Zurückhaltung zum Jahrestag." Sie sei "keine Schlimme", sagt auch die Grünen-Chefin Antje Hermenau. Sie vermutet hinter der Zurückhaltung die Einsicht, dass Predigten aus der Landeshauptstadt vor Ort nicht durchdrängen. "Alltagsrassismus muss vor Ort bekämpft werden. Aber vielleicht hätte sie als Ausländerbeauftragte dorthin fahren sollen."

Im Juni während der Fußball-EM griffen maskierte Unbekannte in Dresden Dönerbuden an. In einer Erklärung stellte de Haas heraus, die Mehrheit der Menschen habe doch friedlich gefeiert. Aus dieser Erklärung, aber auch aus ihren Reden lässt sich herauslesen, dass sie die Strategie hat, Rassisten zu isolieren: Sachsen ist weltoffen, Rechtsextreme in der Minderheit.

Was den Mob von Mügeln betrifft, hätte sie es schwer gehabt. In jener Nacht vor der Pizzeria am Markt waren die Rassisten in der Mehrheit.

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