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Werder spielt in Mailand 1:1"Richtig reingefightet"

Werder Bremen verteidigt mit Glück und Geschick: 1:1 bei Inter Mailand stimmt in der Champions League wie für die Bundesliga hoffnungsvoll.

Bremen feiert, Mailand ächzt: Werders Torschütze Pizarro nach dem Ausgleich. Bild: dpa

Am Ende hat sogar das geklappt: Per Mertesacker war zu den 900 Fans hinter dem Tor geeilt, die nach seinem Trikot verlangten, als dem hünenhaften Nationalverteidiger plötzlich im weißen Unterhemd gewahr wurde, welche Hürde da im monumentalen Giuseppe-Meazza-Stadion nach dem achtbaren 1:1 (0:1) bei Inter Mailand noch nächtens zu nehmen war. Ein zehn Meter hohes Fangnetz trennte den Bremer Profi von Werders Anhängerschaft, doch gleich im ersten Anlauf hatte der 24-Jährige zwei Tage nach seinem Geburtstag das nächste Erfolgserlebnis: Das Textil flog im ersten Wurfversuch in hohem Bogen direkt in die grün-weiße Gemeinde - die Anhängerschaft johlte und juchzte, der Abwehrchef von Werder Bremen jubilierte und applaudierte. Man durfte diese Schlussszene in dieser wohltemperierten Mailänder Nacht durchaus als symbolischen Akt verstehen.

„Das war die stärkste Offensive gegen die ich je gespielt habe", beschied Mertesacker hinterher. „Die Jungs waren alle riesig, austrainiert, gute Fußballer und dazu auch noch beweglich. Da wundert man sich schon ein bisschen, denn die Muskelbildung beim normalen Norddeutschen ist nicht so ausgeprägt." Mertesacker war überaus stolz, dass die kleinen hanseatischen Muskeln ausgereicht hatten, einem Großen des internationalen Fußballs mal endlich wieder in der Fremde Paroli geboten zu haben. Anfangs wirkte Werders neu formierte Viererkette gegen die Klasse eines Zlatan Ibrahimovic, die Wucht eines Adriano und die Unbekümmertheit eines Mario Baletelli ziemlich wacklig, doch über Zutrauen in das eigene Können und eine neue Stabilität in der Hintermannschaft, kämpfte sich der Bundesligist nach dem frühen 0:1 durch Maicon (13.) - nach krassem Doppelfehler von Naldo und Frank Baumann - zurück in die Partie. Mertesacker: „Wir haben uns richtig abgemüht, dagegen anzusteuern. Wir waren 90 Minuten auf der Hut, haben uns in diese Partie reingefightet."

Es war ein Erfolgserlebnis, dass sowohl für die Champions League als auch für die Bundesliga wegweisend sein kann. „In der Liga hat die Balance zwischen Offensive und Defensive nicht immer gestimmt", sagte Mertesacker sehr zutreffend, und davon zeugte jüngst das 5:4 gegen 1899 Hoffenheim oder in diesem Winter ein 3:6 beim VfB Stuttgart. In beiden Partien sah der Abwehrchef - allein gelassen vom Rest der schlecht verteidigenden Mitspieler - die Rote Karte. Und deshalb fehlt der Mann auch am Samstag, wenn das Bremer Ensemble wieder im Schwabenland seinen Reifeprozess untermauern kann. „Ich würde mir wünschen, dass wir immer so gut stehen", dozierte auch Torwart Tim Wiese, der mit einer konzentrierten Leistung seine Klasse auf dieser Bühne untermauerte. Warum Werder anfangs so viel Respekt vor dem italienischen Meister hatte, der unter dem neuen Maestro José Mourinho aber noch arg unrund agiert, wusste der Keeper einleuchtend zu erklären. „Wenn man deren Namen auf dem Aufstellungsbogen liest, hat man einfach Respekt. Umso bemerkenswerter ist doch, dass wir später die bessere Mannschaft waren."

Wohl wahr: Genau zum Moment, als sich das Starensemble ganz dem Zweckfußball italienischer Prägung hinzugeben schien, schlug der mutig gewordenere Gast kaltschnäuzig zu. Flanke des abermals starken Mesut Özil, Ausgleich Claudio Pizarro - fertig war das 1:1 (62.). Für den 29-jährigen Peruaner ein ganz eigenes Gefühl der Genugtuung. „Es war ein besonderes Erlebnis für mich, dieses Tor zu erzielen", sagte die Leihgabe des FC Chelsea, schließlich ist sein Engagement in London ja nachweislich eben auf den neuen Inter-Chef Mourinho zurückzuführen, der an der Themse allerdings vorzeitig seinen Dienst quittieren musste - zum Leidwesen Pizarros. Klar, dass auch Mourinho nun eine Eloge auf den Ehemaligen übrig hatte. „Wenn einer gegen uns trifft, dann Pizarro. Ich habe zu ihm, wie zu vielen Ex-Spielern, noch ein gutes Verhältnis." Ob der 45-jährige Querdenker das auch gesagt hätte, wenn Pizarro in der Nachspielzeit noch einen Abpraller zum allerdings unverdienten Siegtreffer der Gäste verwertet hätte?

Werders Sportchef Klaus Allofs beeilte sich, die Relationen zurechtzurücken. „Man kann nicht ernsthaft unglücklich sein mit diesem Unentschieden. Wenn man sich hier umsieht, dann ist es für Inter wohl ein ähnliches Gefühl wie für uns nach dem Famagusta-Spiel. Sie waren der große Favorit, hatten es in der Hand und müssen jetzt mit dem einen Punkt leben. Für uns ist es ein Erfolg. Er wird uns weiter Selbstvertrauen geben." Der Schlüssel zum Weiterkommen liege in den beiden nächsten Begegnungen. Da geht es zweimal gegen Panathinaikos Athen (22. Oktober und 4. November) - und da täte der erste Sieg den Grün-Weißen ganz gut, zumal die Griechen nun sensationell beim zyprischen Nobody Famagusta unterlagen und punktlos Tabellenletzter sind. Deshalb wollte Trainer Thomas Schaaf in der Lombardei auch gar keinen übertriebenen grün-weißen Lorbeer flechten. „In der ersten Halbzeit waren wir zu zaghaft, zweite Halbzeit haben wir mehr getan. Aber wir müssen noch besser werden. Nur mit Unentschieden kommen wir nicht weiter."

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2 Kommentare

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  • M
    Marina

    Eben, Catilina...eben.^^ Mertes Generation hat einen Großteil ihrer Jugend vor`m Computer zugebracht. Vorbei die Zeiten, da der Anblick deutscher Fußballspieler beim ausländischen Betrachter Assoziationen mit Panzern hervorrief - nein, Catilina, nicht nur wenig filigrane Rammbock-Stürmer wie Schatzschneider oder Hrubesch, selbst ein feiner Techniker und Dribbelkünstler wie Rummenigge erweckte beim Gegner die Furcht, von einem Panzer überrollt zu werden. Man vergleiche nur die Milchgesichter der Mertesacker, Podolski und Marin mit den Charakterköpfen solcher Ehemaligen wie Briegel, Kaltz, Herget, Brehme oder Stielike. Aber das ist ein internationales Phänomen: Wie sah Socrates mit 28 aus, wie Deco ? Wie nimmt der große Kaka sich aus, wenn man ihn mit Falcao vergleicht ?

  • C
    Catilina

    Der schlacksige Mertesacker soll nicht von sich auf andere (Norddeutsche) schließen. Hätte er ein bißchen mehr Zeit im Kraftraum zugebracht, der Merte, dann müßte er nicht auf Storchenbeinen durchs Stadion stackseln. Vielleicht wäre er gar wenigstens halb so breit und bullig wie seine norddeutschen Landsleute Hrubesch und Schatzschneider. Luis Figo war auch mal ein Spieler, der aussah, als würde ihn der erste Wind umblasen. Dann schickte Bobby Robson ihn zum Bodybuilding, und Luis wurde ein Weltklassespieler. Nun, bei Mertesacker reicht`s vielleicht für einen halbwegs anständigen Bundesliga-Verteidiger.