Probleme mit elektronischen Stimmzetteln: Angst vor der Wahlmaschine

Noch nie haben so viele Amerikaner mit Hilfe eines Computers ihre Stimme abgegeben - trotz zahlreicher Probleme mit der Technik im Vorfeld.

Die Wahlcomputer sind nicht zuverlässig und lassen sich leicht manipulieren. Bild: dpa

"Achtung", schrieb Nutzer "scrdchao" gestern Abend im liberalen Weblog-Netzwerk "Daily Kos", "wenn Ihr in Philadelphia wählt, auf den Kasten für Obama klickt und dann sofort das demokratische Ticket ansteuert, löscht Ihr die Stimme für Obama!". Niemand wisse warum, aber es passiere. Die Obama-Kampagne sei informiert und empfehle derzeit, jeden Kandidaten einzeln anzuwählen.

Das Problem mit den Wahlmaschinen im besonders umkämpften US-Bundesstaat Pennsylvania motivierte sofort ein Notfallteam des demokratischen Kandidaten, sich an den Ort des Geschehens zu begeben. Das dürfte allerdings auch anderswo in der Wahlnacht jede Menge zu tun bekommen haben: Wie sich bereits bei Frühwahlen gezeigt hatte, sorgte die moderne Technik, die eigentlich das archaische papierbasierte US-Stimmsystem in die Neuzeit führen sollte, an vielen Orten im Land für Ärger.

Das war um so bedenklicher, als dass in Amerika noch niemals so viele Menschen ihre Stimme bei einer Präsidentschaftswahl elektronisch abgegeben hatten wie in diesem Jahr. Fast 33 Prozent aller Urnengänge werden es insgesamt wohl gewesen sein, im Jahr 2000, als Al Gore so knapp gegen George W. Bush verlor, waren es nur 22 Prozent. Geändert hat daran auch nichts, dass sich die Stimmung im Wahlvolk längst gegen die Technologie gedreht hat, Misstrauen weit verbreitet ist. In Maryland, wo sogar das Parlament 2007 beschlossen hatte, wieder zu den guten alten Stimmzetteln zurückzukehren, wird nur deshalb auch diesmal mit Computern gewählt, weil sich der Prozess bürokratisch nicht mehr stoppen ließ.

Untersuchungen und wissenschaftliche Studien zur Zuverlässigkeit der Geräte laufen in vielen Bundesstaaten. In Kalifornien kamen Sicherheitsforscher der University of California klipp und klar zu dem Schluss, dass Manipulationen an Wahlcomputern möglich seien. Seither wurde immerhin beschlossen, dass die Geräte nun über einen so genannten "Paper Trail", einen Hilfsausdruck auf Papier, verfügen müssen, den man im Zweifel begutachten und vorlegen kann. Routinemäßig abgeglichen werden die Daten von Computer und Ausdruck allerdings nicht. Ohne Gegenwehr nimmt das US-Wahlvolk diese Unsicherheiten allerdings nicht hin. Bürgerbewegte Gruppen wie "Black Box Voting" oder "Video the Vote" sammelten gestern Daten von Wählern, die Merkwürdiges am Wahlrechner erlebt hatten und stellen sie ins Internet, damit Öffentlichkeit entsteht.

Lobbyisten der Wahlmaschinenhersteller Premier Election Systems, vormals Diebold, und ES&S spüren den Druck und versuchten im Vorfeld der Wahl zu argumentieren, es sei gänzlich unmöglich, Geräte zu bauen, die jeden Kritiker befriedigten. Die Stimmung sei "vergiftet".

Tatsächlich müssen sich die Unternehmen zahlreiche handwerkliche wie sicherheitstechnische Fehler vorwerfen lassen. So wechselten einzelne Wahlmaschinen der Baureihe "iVotronic" von ES&S in einigen Bundesstaaten scheinbar unmotiviert den Kandidaten, obwohl der Wähler auf das richtige Feld der berührungsempfindlichen Bildschirme gedrückt hatte. Der Grund war schnell gefunden: Die Maschinen waren falsch kalibriert, nachdem sie lange eingelagert gewesen waren - und in mehreren Fällen war die selbst die Nachkalibrierung fehlerhaft gewesen, weil Wahlhelfer nicht mit den Geräten umgehen konnten.

In Sachen Absicherung der Daten bleibt ebenfalls einiges auszusetzen. Es gab gleich mehrere Untersuchungen renommierter Wissenschaftler, bei denen demonstriert wurde, wie sich eine Wahlmaschine nachträglich oder sogar während der Wahl manipulieren ließ. Auch die Rechner, die alle Stimmen zusammen zählen sollen, versagen manchmal: So zählte ein System eines Herstellers laut diesem immer dann falsch, wenn parallel auf dem PC eine Antivirus-Software installiert war - dabei kann man Windows-Rechner ohne einen solchen Schutz eigentlich nicht betreiben.

Manchmal funktionieren die Geräte aber auch einfach überhaupt nicht. In Virginia meldeten gestern Dutzende Wahlbezirke Maschinen, die sich nicht in Gang setzen ließen. Das verlängerte die sowieso schon langen Schlangen weiter. Die meisten Wahlleiter waren zudem nicht bereit, dann einfach auf Papierstimmzettel umzusatteln - erst wenn alle Geräte in einem Wahllokal versagen, wurde dies zähneknirschend möglich gemacht, berichteten Betroffene im Internet.

Wahlentscheidend waren die Wahlmaschinenprobleme aber wohl trotzdem nicht - der Abstand zwischen Barack Obama und John McCain im Wahlvolk war dann doch zu groß, als dass eventuelle Probleme einen großen Einfluss auf das Endergebnis gehabt hätten, hieß es gestern in ersten Stellungnahmen von Statistikern. Damit dürften die Kritiker der modernen Wahltechnik jedoch keineswegs zufrieden sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.