Kärntener Haider-Kult: Jörg Haider wird zum Säulenheiligen
In Kärnten treibt der Personenkult um den tödlich verunglückten Landeshauptmann seltsame Blüten. Wer daran Kritik übt oder sich darüber lustig macht, wird unter Druck gesetzt.
WIEN taz Jörg Haider lebt. Das ist nicht nur die verworrene These von Verschwörungstheoretikern in Kärnten: Sein Geist ist nach wie vor höchst lebendig und der Haider-Kult treibt seltsame Blüten.
An der Stelle, wo der Kärntner Landeshauptmann am 11. Oktober mit 1,8 Promille Alkohol im Blut zu Tode kam, soll ein "Marterl" errichtet werden. Das ist ein Bildstock, wie er zum Gedenken an heilige Märtyrer aufgestellt wird. Damit der Verkehr nicht behindert wird, soll daneben ein Parkplatz entstehen. Die geschätzten Kosten von 30.000 Euro trägt die Landesregierung, die vor den Landtagswahlen im März 2009 noch das maximale Kapital aus dem begnadeten Rechtspopulisten schlagen will.
Da will auch der Bürgermeister der Südkärntner Gemeinde Bleiburg/Pliberk nicht nachstehen: Am 29. Januar, an dem der Tote seinen 59. Geburtstag gefeiert hätte, soll dort die Lippitzbachbrücke in Jörg-Haider-Brücke umgetauft werden. Wer den Haider-Kult skurril findet, sollte das für sich behalten. Denn da verstehen die Nachfolger und politischen Erben keinen Spaß. Als die Kabarettisten Dirk Stermann und Christoph Grissemann am 23. Oktober in ihrer Satiresendung "Willkommen Österreich" die Haider-Verehrung aufs Korn nahmen, deponierte Kärntens neuer Landeshauptmann Gerhard Dörfler eine Protestnote beim ORF. Er verwahrte sich dagegen, wie in "geschmack- und pietätloser Weise" mit dem Gedenken Haiders Ulk getrieben worden sei. Ein Auftritt der Satiriker an der Uni Klagenfurt musste auf seinen Druck und wegen Drohungen abgesagt werden. Ihr Manager bemerkte nach der Abreise aus Klagenfurt erst auf der Autobahn, dass jemand die Muttern seiner Reifen gelockert hatte.
Während eine vom ORF-Studio Kärnten produzierte Haider-DVD in kürzester Zeit 40.000 Euro einbrachte, vermisst die Landesregierung beim ORF in Wien Verständnis für das lokale Brauchtum nebst Ortstafelstreit und Haiderkult. In einem von BZÖ und ÖVP getragenen Beschluss forderte sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im November auf, sein "Anti-Kärnten-Programm sofort zu stoppen, die Kärntner Bevölkerung nicht mehr zu beleidigen" sowie "dem Kärntner Volk ein Recht auf seine Tradition, seine Kultur und seine Sitten zu geben".
Wohl nicht als Kärntner Brauchtum betrachtet wird die Leichenfledderei. Die wirft das BZÖ der verfeindeten Bruderpartei FPÖ vor, die versucht, vor den Landtagswahlen das politische Erbe des Toten zu beanspruchen. Derzeit ist sie nicht im Landtag vertreten, rechnet sich aber gute Chancen aus, mit alten Haider-Adepten dem BZÖ Wähler abzujagen. Witwe Claudia Haider wurde von der FPÖ als künftige Landtagspräsidentin ins Spiel gebracht. Still geworden ist es um Haiders "Lebensmenschen" Stefan Petzner. Ihm ist bleibender Ruhm sicher: Bei der alljährlich von der Universität in Graz mit der Austria Presse Agentur erfolgenden Kür des Wortes des Jahres fiel die Wahl auf den Begriff "Lebensmensch".
Leser*innenkommentare
andreas
Gast
@claudia:
gehts noch?
zu soviel duxxheit kann man eigentlich gar nichts mehr sagen.
ich bin sprachlos!
Martin
Gast
"Die meisten brillanten ... Politiker ... sind erst nach ihrem Tod berühmt geworden, weil die Menschen zu dumm sind, um ihnen zu Lebzeiten die gebührende Ehre zu erteilen"
Na, meine liebe Österreicherin, beim letzten großen Landsmann war's aber nun wirklich genau umgekehrt.
Koalabär
Gast
Für Claudia waren die Menschen zu dumm, um Haider als "brillierendes" Genie zu erkennen. Es war der Pöbel und der darauf schwimmende "Pöbelismus", der einen Demagogen wie Haider umwaberte.
ralf wünsche
Gast
österreich bleibt österreich - musikenstadl - ein schloss am wörthersee - rassismus pur - obwohl die namen in wien eher " fremdländisch " gelten bedingt durch " kuk "!
da wird eine " ikone " gefeiert der alle faschistische klischees in seinem unfall bedient hat : schwul - alkoholisiert und geschwindigkeitsüberschreitung ! gesetze scheint dieser mann damalig nicht gekannt zu haben.
da ist dieser herr"h" doch für deutsche " recht und ordnung " eingetreten
K.B.
Gast
"Marterl" sind nicht für Märtyrer, die stehen in katholischen Gegenden überall an der Straße, wo jemand einen Unfall hatte.
In Bayern habe ich auch schon das Gerücht gehört, man hätte Haider aus dem Weg geräumt. Verbunden mit: So einen bräuchten wir auch mal wieder. Zu fragen, wer ihn wohl aus dem Weg räumen hat lassen, habe ich mir gespart.
besserwisser
Gast
Sonst noch Probleme?!
Finde es erschreckend, wenn in einem Rechtsstaat solche Leuter wie Herr Haider (die starben wie sie lebten: zu schnell, verantwortungslos und alkoholisiert) in irgendeiner Form überhaupt Aufmerksamkeit bekommen.
vic
Gast
Umbenennung: Österreich in Haiderreich.
Und ab sofort gilt ein Mindestalkoholpegel als gesetzlich vorgeschrieben.
servus.
immakri
Gast
In Österreich ist alles möglich ;)
SCNR
Claudia
Gast
Ich, als Steirerin befürworte es sehr und bin über den kärntnerischen Patriotismus sehr erfreut, der vielen Österreichern leider fehlt.
Die meisten brillanten Künstler, Politiker und Musiker sind erst nach ihrem Tod berühmt geworden, weil die Menschen zu dumm sind, um ihnen zu Lebzeiten die gebührende Ehre zu erteilen.
Leider war Herr Dr. Haider für die Masse einfach zu klug und deshalb konnte ihn der Pöbel nicht verstehen.
FMH
Gast
Ein Marterl wird wohl kaum nur zum Gedenken von Märtyrern aufgestellt. Es war/ist in Österreich und Süddeutschland relativ üblich solche für tödlich Verunglückte aufzustellen. Es handelt sich hierbei also um nicht viel mehr als die Luxusvariante des gewöhnlichen Holzkreuzes am Straßenrand.
JÜZI
Gast
Seit wann haben Reifen Muttern?