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In Finanznot geratener MilliardärAdolf Merckle begeht Selbstmord

Milliardär Adolf Merckle ist tot. Der 74-Jährige wurde bei Ulm von einem Zug erfasst. Seine Unternehmen wie der Pharmakonzern ratiopharm waren in der Finanzkrise unter Druck geraten.

Die Ermittler gehen von einem Suizid aus: Adolf Merckle. Bild: dpa

STUTTGART dpa Tragisches Ende eines erfolgsverwöhnten Großindustriellen: Der durch die Finanzkrise und Fehlspekulationen zuletzt stark in Bedrängnis geratene Milliardär Adolf Merckle hat sich am Montag bei Ulm von einem Zug überfahren lassen. Die wirtschaftliche Notlage seiner Unternehmen (ratiopharm, HeidelCement) und "die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können", hätten den 74-Jährigen gebrochen, teilte die Familie am Dienstag mit. "Er hat sein Leben beendet." Merckle galt mit einem geschätzten Vermögen von 6,9 Milliarden Euro als fünftreichster Mann Deutschlands.

Merckle wurde am späten Montagnachmittag nahe seiner Wohnung in Blaubeuren bei Ulm von einem Zug erfasst. Mitarbeiter der Deutschen Bahn hätten den Leichnam um 19.30 Uhr entdeckt und die Polizei alarmiert, teilte die Staatsanwaltschaft Ulm am Dienstag mit. Die Ermittlungen hätten "klare Hinweise" darauf ergeben, dass es sich bei dem getöteten Fußgänger um Merckle handele. Seine Angehörigen meldeten den 74-Jährigen am gleichen Abend als vermisst. Adolf Merckle war am Nachmittag aus dem Haus gegangen und nicht zurückgekehrt. Er soll einen Abschiedsbrief hinterlassen haben. Letzte Sicherheit zur Identität der Leiche soll im Laufe der Woche eine DNA-Analyse bringen.

Merckles Firmenimperium - zu dem der Pharmakonzern ratiopharm und der Zementhersteller HeidelbergCement gehören - war durch die Finanzkrise und nach Verlusten bei Spekulationen mit VW-Aktien ins Wanken geraten. Zuletzt hatte es wochenlange zähe Verhandlungen mit den Gläubigerbanken über einen Überbrückungskredit in Höhe von 400 Millionen Euro gegeben. Im Gegenzug sollte Merckle die Kontrolle über wichtige Teile seines Unternehmensgeflechts abgeben. Die baden- württembergische Landesregierung hatte eine Bürgschaft zugunsten Merckles abgelehnt.

In der Erklärung der Familie Merckle hieß es: "Die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und die damit verbundenen Unsicherheiten der letzten Wochen sowie die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen, und er hat sein Leben beendet."

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) würdigte Merckle als "große Unternehmerpersönlichkeit". "Trotz der Finanzprobleme der letzten Wochen hat Adolf Merckle ein mittelständisches Unternehmen von europäischer Bedeutung aufgebaut. Sein unternehmerisches Vermächtnis bleibt", betonte Oettinger in einer Mitteilung. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte in Berlin: "Er war ein leidenschaftlicher Unternehmer und bedeutender Mäzen. Das Gemeinwesen lag ihm immer sehr am Herzen."

Auf die Bemühungen zur Sanierung von Merckles Vermögensgesellschaft VEM werde der Tod des 74-Jährigen keine Auswirkungen haben, teilte eine VEM-Sprecherin in Ulm mit. Die letzten Vereinbarungen, die Merckle kurz vor seinem Tod mit den rund 30 Gläubigerbanken geschlossen hatte, wiesen in die richtige Richtung, sagte sie. Merckle habe "als Familienunternehmer zahlreiche Unternehmen zu nachhaltigem Wachstum geführt und damit die Voraussetzungen für eine dynamische Entwicklung von Wirtschaftsstandorten in ganz Deutschland geschaffen".

Der Finanzierungsbedarf Merckles wurde in Finanzkreisen auf bis zu eine Milliarde Euro geschätzt. Weitere Quellen sprechen davon, dass auf Merckles Vermögensverwaltung VEM mindestens Schulden in Höhe von drei bis fünf Milliarden Euro lasten. Hintergrund der Krise bei VEM sind Kapitalerhöhungen vor allem bei HeidelbergCement, die teilweise mit Krediten finanziert wurden. Als Sicherheiten für diese Kredite wurden Aktien hinterlegt. Durch die Finanzkrise ist deren Wert abgestürzt. Außerdem hatte sich der Milliardär mit VW-Aktien verzockt und einen dreistelligen Millionenbetrag verloren.

Im weit verzweigten Merckle-Imperium sind mehr als 100 000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Jahresumsatz liegt bei 30 Milliarden Euro. Rund 100 Unternehmen sollen zu Merckle gehören.

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34 Kommentare

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  • F
    Füsch

    @Bleiweiss: "In dem er wurde, was er war".

     

    Nicht Unternehmer.

     

    Sondern verzweifelt.

     

    In anderen Worten: Das System macht krank, es ist krank, und läßt keinen ungeschoren, nicht oben, nicht unten.

     

    Aber was wäre dann gesund? Sollten wir dieses Monster nicht bändigen, um die Reste userer Seelen zu retten?

  • B
    bleiweiss

    Ich finde einige Kommentare hier bemerkenswert unempathisch und sachlich unangemessen. Ich meine die Kommentare, in denen Herrn Merckle z. B. Feigheit oder fehlende Verantwortung für die Angestellten seiner Unternehmen vorgeworfen wird (hätte sich deren Situation durch sein Weiterleben überhaupt verbessert?); auch Kommentare, in denen angesichts der weit größeren Not von HartzIV-Beziehern Unverständnis geäußert wird wegen des noch immer beachtlichen Restvermögens der Familie Merckle.

     

    Es wurde schon in einem Kommentar erwähnt: Wer sich in einer kritischen Lebenssituation das Leben nimmt, trifft keine freie Entscheidung. Deshalb ist es unsinnig, von Feigheit und Verantwortungslosigkeit zu sprechen. Solche Menschen sind akut krank und bedürfen dringend ärztlicher Behandlung, weil sie selbst ihre Lage in der akuten Belastungssituation als aussichtslos einstufen - unabhängig davon, ob Außenstehende diese Sicht nachvollziehen können. Wer sich ein wenig mit dem Thema Suizid beschäftigt, wird wissen, dass Merckle durch Situation, Geschlecht und Alter ein klarer Kandidat für einen im Vorfeld schwer erkennbaren Suizid war. Unabhängig von der Frage, ob er seine Krise mehr oder weniger schuldhaft selbst verursachte, war er in den letzten Lebenswochen sicherlich persönlich elend und ein Fall für die Psychiatrie. Was soll unter diesen Umständen das moralisierende Nachtreten, das jetzt vielfach zu hören oder lesen ist?

     

    Der Sturz aus einem Milliardärsdasein praktisch ohne Handlungsbeschränkung auf die Millionärsebene mag sich im Moment des Falls für Betroffene nicht weniger umstürzend anfühlen wie die Kündigung aus einer mittleren Angestelltenposition mit der Aussicht auf HartzIV. Es handelt sich in beiden Fällen um einen gravierenden Absturz, dem die Betreffenden hilflos ausgeliefert sind. Das subjektive Lebensgefühl dürfte sich am Ende bei all denen, die sich von einem Zug überfahren lassen, nicht wesentlich unterscheiden.

     

    Deshalb ist Merckles Tod wirklich eine ausschließlich persönliche Sache, die sich einer öffentlichen Diskussion und erst Recht öffentlicher Häme oder Verurteilung entzieht.

     

    Was in Bezug auf Merckle diskutiert werden kann und muss, ist dagegen das, was öffentlich von Belang ist: Merckle als Unternehmer und das System, in dem er wurde, was er war.

  • P
    Peter

    Hier nutzen verblendete Kommunisten wieder mal die einmalige Chance, gegen Kapitalisten zu wettern. Die sozialistischen Gutmenschen vergessen hier ihre soziale Ader: der Tote Merckle wird beleidigt, für verrückt erklärt, etc. um ihm ja nicht die letzte Ehre zu erweisen.

    Niemand von uns kann genau nachvollziehen, was passiert ist. Es ist doch gut vorstellbar, dass der Mann für seine Firma gelebt hat. Wo ist das Problem? Wenn ihm das Spaß macht, wieso nicht, hat uns nicht zu interessieren.

    Andere Kommentare widersprechen sich selbst. Da wird Merckle erst gescholten, weil er sich auf Kosten der Arbeitnehmer (anders gehts ja nicht) so viele Milliarden verdient hat. Dann ist er jetzt wegen seines Selbstmords besonders asozial, da viele Menschen ihren Job verlieren werden. Die Ausnutzung hat also ihr Ende, man sollte denken, alles ist wunderbar, aber was der Mann macht, es ist falsch.

    Der Kommentar von Axel Marschall setzt der Absurdität die Krone auf. Da wird vom Selbstmord auf die Dekadenz der Elite, davon dann auf deren Verachtung für normale gesellschaftliche Schichten geschlossen. Wie verblendet kann man sein? Weil Merckle reich ist ist er automatisch ein böser Mann und hasst alle Menschen oder wie ist dieses Schubladendenken zu interpretieren?

  • F
    Füsch

    Mein Gott.

     

    Es stimmt: Kapialismus tötet. Das Hirn, das Herz, das Vertrauen.

     

    Wieviele anonyme Suizide von Menschen, die "dem Druck" nicht mehr standhalten, kommen auf Merckle?

     

    Habe ich nicht letztens irgendow gelesen, dass ein Mann seine Familie ausgerottet hat - wegen Schulden? Weil er sich schämte? Oder dem "Druck" nicht mehr standhielt?

     

    Wird das erst interessant, wenn ein Multimilliardär sich suizidiert?

     

    Ich geh jetzt erstmal eine Runde Antidepressiva einschmeissen - übrigens von ratiopharm.

  • RS
    Robert Schneider

    Scheidet jemand "freiwillig" aus dem Leben, so kann dies ganz unterschiedliche Gründe haben.

     

    Ein jedeR Mensch verdient Respekt vor diesem großen Schritt.

    Ob es nun Feigheit, Mut, Verzweiflung, Dummheit oder doch Klugheit ist, wer will das wirklich wissen.

     

    DAhinter steckt immer ein DRama..

     

    Ich denke, er hat den Kopf verloren..., weil der "erfolgsverwöhnte" Herr Merckle einfach nicht wußte, wie hart der "Abstiegskampf" ist.

     

    Ich beziehe zur Zeit Hartz IV, bin chronisch krank und versuche mit dem einen oder anderen Job auf die Füße zu kommen. Ich finde, das es sich lohnt aufzustehen, zu kämpfen und die Blume am Wegesrand zu genießen.

     

    Ich denke, es ist schade für Herrn Merckle diese lohnenswerte Erfahrung nun nicht mehr machen kann.

    Nein, es ist nicht immer leicht..- aber mal ganz ehrlich: wieviele Menschen haben es schon wirklich immer leicht?

     

    Und ist es wirklich immer ein Geschenk von allen Nöten "befreit" zu sein?

  • G
    groovex

    was mir bei alledem nicht einleuchten will:

     

    ich zitiere mal aus dem artikel drei kurze sätze.

     

    1. 'Merckle galt mit einem geschätzten Vermögen von 6,9 Milliarden Euro als fünftreichster Mann Deutschlands.'

     

    2. 'Weitere Quellen sprechen davon, dass auf Merckles Vermögensverwaltung VEM mindestens Schulden in Höhe von drei bis fünf Milliarden Euro lasten.'

     

    3, '..."die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können", hätten den 74-Jährigen gebrochen, teilte die Familie am Dienstag mit. "Er hat sein Leben beendet."'

     

    warum hat er nicht einfach seine schulden bezahlt? ist man mit danach geschätzen bis zu 1,9 milliarden euro vermögen nicht mehr handlungsfähig? was für eine logik steckt hinter dem ganzen? mythenbildung? der artikel von ulrike herrmann von gestern scheint das nahe zu legen. wie kommt die taz dazu, sich an einer solchen legendenbildung zu beteiligen? beteiligungungen?

     

    wie gesagt - es will mir nicht so recht einleuchten!

  • M
    Matthias

    Ein Blick in den Abgrund des kapitalistischen Werteverständnisses. Da sieht man die Ausrichtung und Wertverdrehung in Meckles Leben und dieses Problem haben sicher einige dieser Leute. Wer ist mehr wert, ein Mensch oder dessen Kapital und ist das Leben ohne Geld sinnlos? Sein eigenes Leben hatte scheinbar weniger Wert, als sein ganzes angehäuftes Geld, erarbeitet auf dem Rücken seiner Beschäftigten. Mein Mitgefühl gilt auf jedem Fall dem Lokführer.

  • WB
    Wolfgang Brenner

    Ein mehrfacher Milliardär will verdoppeln und verzockt sich.

     

    Jetzt begeht er Selbstmord, wie feige!

     

    Er bringt nicht nur Kummer und Trauer über seine Familie, nein, es werden viele Mitarbeiter seiner zig Firmen ihre Anstellung verlieren.

     

    Ein feiner Herr ... der angeblich nur für seine

    Familie und Firmen gearbeitet hat, das mag vielleicht u.U. in etwa stimmen.

     

    Sorry, ich kann da wirklich kein Mitleid empfinden.

  • P
    powelot

    Die Komentare sind wie immer recht seltsam. Gerade in solch einem Fall wird deutlich wie weit die Spannbreite der Gedanken zu solch einem Ereignis sind. Was ich aber äusserst kurios finde ist, daß ein Schreiberling doch tatsächlich meint, ein solcher Freitod wäre Privatsache und nicht öffentlich komentierbar. Und dann kommentiert er drauf los.... Merckle war ein durch und durch Kapitalist. Er steht aber auch für das Versagen und die Hirnrissigkeit eines Systems, das immer mehr unmenschlich agiert. Die Frage, warum Einer, dem Milliarden gehören an der Börse zockt und sich dann auch noch umbringt sind berechtigte Fragen, die auch einmal den Sinn des menschlichen Handelns hinterfragen sollte. Letztendlich: Nichts von all den Millarden wird er dahin mitnehmen, wo er hoffentlich in Frieden jetzt "ist".

  • A
    achim

    Wie blöd muß man eigentlich sein, wenn man mit einem Vermögen von 6,9 Milliarden Euro als fünftreichster Mann Deutschlands nichts mehr anfangen kann.

  • HT
    Hans Türstig

    Herr Merckle ist nicht ein Opfer der Finanzkrise, sondern seiner Geldgier. Warum muss ein so reicher Mann noch mit VW Aktien spekulieren? Potentielle Gründe dafür (dass nämlich sein finanzielles Imperium auf dubiosen Beinen stand, dass es deswegen wackelte und er mehr Geld brauchte und daher mit VW Aktien spekulierte) deuten außerdem darauf hin, dass Herr Merckle mit zu den Verursachern der Finanzkrise gehörte. Sich durch Freitod aus der Verantwortung zu stehlen, war seine letzte falsche Entscheidung.

  • D
    Denninger

    Ach, ist das neue Jahr nicht schön!

    Da tötet sich einer der ach so verhassten Kapitalisten selbst und gibt uns damit wieder eine Rechtfertigung, sinn- und inhaltslose Phrasen über alles mögliche auszuspeien.

    Nein, der Lockführer ist nicht traumatisiert, da er den Suizid wohl nicht bemerkte. Sonst wäre die Leiche des M. nicht erst nach zwei Stunden gefunden worden.

    Toll, wie manche aus einer Nachrichtenmeldung heraus die persönlichen Beweggründe des Herrn M. zu kennen vermeinen und diese lauthals zum Besten geben müssen.

    Die Entscheidung, seinem Leben ein Ende zu setzen ist eine rein persönliche und nicht öffentlich diskutierbar. Weder sentimentale Trauer und post-mortales Anbiedern noch "klammheimliche Freude" (ja, der Bezug ist gewollt) sind angebracht.

    Letzteres ist in meinen Augen nur ein Indiz für ein Charakterdefizit.

  • WM
    Werner Müller

    Man liest, was man lesen will.

    Ich habe lediglich die Information eines Leichenfundes an der Bahnstrecke. Von einer Meldung eines Lokführers, er hätte jemanden überrollt, ist weit und breit keine Rede. Folglich muß das Bedauern des Lokführers auf alle, die die Strecke befuhren, erweitert werden. Haben alle von ihnen ein ungutes Gefühl? Bedürfen sie einer psychologischen Behandlung?

     

    Aber zurück zu den Tatsachen. Wie hat Merkle denn einen Verlust mit VW-Aktien hinbekommen, die Aktie boomt in den letzten Jahren, weil Porsche einsteigt. Hat der gute Mann etwa Leerverkäufe getätigt? Und hat er seine Spekulation nicht rechtzeitig schließen können? Was ist wirklich gelaufen?

     

    Also die Familienmitteilung ist die Krönung. Weil der Unternehmer Merkle nicht mehr oder weiter kreditwürdig ist, ist das System schuld. Tja und wenn der Bankmanger kalte Füße bekommt, dann springen eben die Kunden über Bord. So ist das bei den Banken.

  • AR
    ASt Reyntjes

    Merkle: "Ich war stets ein positiv denkender Mensch". - Das Imperfekt der Zeitangabe hätte schon bedenklich wirken müssen.

     

    Dass Großspekulanten wie Barschel, Möllemann oder Merkle nicht mehr durch ihre Familie/Partner/Kinder "am oder in Leben" gehalten werden können, wenn sie sich so weit isoliert haben, dass sie nicht mehr auf Verständnis und Schuldbewältigung rechnen können, ist ein evolutionär funktionales (um nicht zusagen: sinnvolles) Verhalten: Ausscheiden aus dem Herdenverband.

     

    Sie haben sich als Alphatiere in Gedeih oder Misserfolg auf den Tod hin vergaloppiert und suchen ihn nur noch pro forma, wie es Versicherungsnuancen verlangen könnten, gerne zu kaschieren.

     

    Ein erstes (?), letales deutsches Beispiel der Zins- und Zeit- und Zoff-Erscheinung "Krankbank"?

     

    S. im BLOG "Wortistik/Krankbank":

     

    http://blogs.taz.de/wortistik/kategorie/krankbank

     

    Dort könnte auch der zwanghaft-ultimative "Profit-Suizid" als Stichwort erscheinen.

     

    Dass 'Pietät' verletzt würde im Bericht darüber, nach dem röm. Gebot "nil nisi bene de mortuis" ist eine unsinnige Formel der Ent-klärung; es wäre Vertuschung offensichtlicher Gier- und Verantwortungslosigkeit-Zwänge, die jede kapitale oder martialische Gesellschaft in wechselnden Formen produziert, hier allerdings in kollektiver Form, die - als An- und Fortsatz und Erfolgsform - schon zum Normalverhalten der fam. Formation der Besitz-, Spießer- und Schmarotzerbürger mit Portfolio, Aktienberater und Bankdepot und naturgemäß unschuldiger Bänker gehört.

  • JA
    jürgen adam

    ist es wirklich so wichtig ob man diese tat selbsttötung, suizid oder selbstmord nennt?

    wer denkt an den zugführer, der völlig unverschuldet einen menschen überrollt hat und jetzt damit klarkommen muss?

  • G
    G.Schell

    Was hat den Reporter geritten, oder was hat er dafür bekommen?

    So einen dämlichen Spruch los zu lassen.

    Das der Selbstmord von Merckle, eine Ehrenlösung sei.

    Bei uns heisst das immer noch Feigheit vor dem Feind.

    cu

  • TT
    Theo Tiger

    Bei aller gebührendem Respekt; die Hinterbliebenen schreiben als Grund für den Freitod der "Finanzkrise" die Schuld zu. Aber war es nicht die Gier des Herrn Merckle, die ihn getrieben hat? War es nicht die Aussicht, in schnellster Zeit mit VW-Aktien höchste Gewinne einzustreichen? War das Scheitern dieser Aktion nicht der Grund für den Freitod? Mir scheint es, die Hinterbliebenen möchten die "Schuld" lieber einer anonymen Finanzkrise zu schreiben als lieber im persönlichen Versagen des Verstorbenen. Damit steht für mich auch das Bild der "großen Unternehmerpersönlichkeit" in Frage. Aus persönlichem Versagen den Freitod wählen, der Finanzkrise die Hauptverantwortung zuschreiben - das ist nichts, um als große Unternehmenspersönlichkeit in Erinnerung zu bleiben. Der Mammon und die Gier frisst seine Jünger.

  • C
    christian

    Mein Beileid gilt dem Lokführer!

    Wenn Herr Merckle schon meint, die Konsequenzen seines Handelns nicht tragen zu können, so soll er sich doch bitte mit Tabletten umbringen, mit Betonschuhen in den Rhein springen oder sich einen Strick nehmen - aber nicht das Leben eines Unbeteiligten zerstören, der diese Bilder, wie sich jemand vor einen Zug wirft, für den er verantwortlich ist, wohl nie wieder los wird.

  • AM
    Axel Marschall

    Dekadent

    ...

    Sicher, wir haben Verständnis dafür was dieser Mann durchgemacht haben muß. Er hat einen großen Teil seines Vermögens und sein gesellschaftliches Ansehen verloren. Sein Schritt verdient unseren Respekt. Im Gegensatz zu den vielen Leuten die ihre Arbeit und Lebensgrundlage verloren haben; die anstelle des Freitodes lieber Hartz IV gewählt haben. Haben die denn gar kein Ehrgefühl? Die untere Klasse wird zu Recht verachtet, weil sie ihr elendes Schicksal hinzunehmen bereit ist anstelle sich in Schaaren vor die Züge zu werfen.

    Einem Milliardär droht der soziale Abstieg zum bloßen Multimillionär. Grund genug, sich das Leben zu nehmen. Wenn man nicht mehr so vermögend und einflußreich wie Merkle ist, dann ist das Leben nichts mehr wert. Besser kann man nicht demonstrieren wie verworfen und dekadent Teile unserer "gesellschaftlichen Elite" sind. In diesen Kreisen hat Merkle "sein Gesicht verloren" Man spottet vielleicht sogar über ihn. Für einen Hartz IV Empfänger bedeutet das: Wenn schon ein Milliardär im Rahmen seines Wertesystems und dem seiner sozialen Gruppe nach einem solchen Absturz zu einem Nichts geworden ist, was sind in den Augen dieser Kreise, die womöglich "Verständnis" für dessen Freitod haben, die normalen Gehaltsempfänger oder gar Arbeitslose eigentlich wert?

    Dieser Mensch verdient kein Mitleid. Sondern eher der Familienvater, der sein Dach über den Kopf verloren hat, weil es diese Menschen gibt die gern viel aufs Spiel setzen. Und der dann zu seiner Jagdflinte greift weil er sich vor seiner Familie schämt, die er nicht mehr versorgen kann. Mit diesen armen Teufeln hat Merkle absolut nichts gemeinsam. Und so sollte sein Motiv auch nicht verstanden werden. Merkle hat jedes menschliche Maß für den Wert eines Lebens verloren. Sonst wäre ihm seines noch etwas wert gewesen. Er hätte schließlich nicht einmal von Hartz IV leben müssen.

  • PV
    Peter v. K.

    Vorausgeschickt: Mein Beileid gehört zum Teil der Familie. Selbsttötung schockiert die Angehörigen immer. Der andere Teil gehört einem Arbeitskollegen, dessen Sohn um die Weihnachtszeit an Leukämie gestorben ist. Kann man Beileid teilen? Mir liegt der Tod des Sohnes meines Kollegen näher und darin liegt auch viel mehr Tragik. Welcher Vater will seinen Sohn beerdigen? Sowas ist schrecklich. Aber mal ehrlich Leute, wie schrecklich ist dagegen der Tod eines Unternehmers, der sein eigenes Scheitern nicht verwinden kann? Der mit seinem Selbsttod nichts löst, sondern nur Probleme schafft? Der anscheinend kein so großartiges unternehmerisches Talent beweisen kann, wenn mal nicht alles so läuft, wie er es sich gewünscht hat? Verzockte Millionen aus dem Firmeneigentum. Sonstwieviele Milliarden auf dem Bankkonto. De Mortuis nihil nisi bene? Nö. Meiner Meinung nach ist hier der Begriff Selbstmord sehrwohl angebracht. Es hat sich ja nicht nur ein Mensch beendet, sondern eine Instanz hat sich beseitigt. Ich weiß nicht, dieser Selbstmord hat einen äußerst unangenehmen Beigeschmack. Was Schreckliches hätte er denn zu erwarten gehabt? Der wäre doch nie in Hartz 4 gelandet. Und selbst die Leute unter (unter!) Hartz 4 bringen sich nicht reihenweise um. Es geht nicht darum, Merckle zu diffamieren, es geht um diese Geisteshaltung. Merckle ist eine Symbolfigur. Mal überlegen, wer hat sich sonst noch das Leben genommen, als alles nicht mehr so lief, wie er es geplant hatte..? Die Philosophen sagen, der einzige philosophische Akt sei der Selbstmord. Aber dieser Akt war nicht philosophisch. Egal, was für Höllen der Mann davor durchschritten hat, sein Selbstmord riecht nach Feigheit. Aber selbst das kann man ihm nicht verdenken. Armer Kerl, es hätte noch soviele andere Möglichkeiten gegeben. Und er hatte sie schon ausgehandelt. So sind wir Menschen: irrational bis zum Dorthinaus. Das hat Merckle gewählt. Schade drum. Aber verlange keiner mehr von mir, die sogenannten Wirtschaftsgrößen als Vorbilder anzusehen! Sonst - hier um die Ecke verläuft auch ne Bahnlinie. Komische Zeiten, oder? Die wirtschaftliche "Elite" reitet sich selbst in die Scheiße und wir können dabei zusehen. Was sagte Obama (ohne es wirklich werden zu lassen): Time for a change!

    Yes we can? HaHa! Yes we could have if we wanted to and everything went as we wished but then it went not out as we planned and therefore we are looking for the next train! Kapitalismus ist ne tolle Sache...

  • S
    Sedanon

    Wie sollte denn bitteschön ein Leiharbeiter aus Merckles Unternehmen oder ein Hartz IV-Empfänger auf ihre eigene Lage reagieren, wenn selbst ein Unternehmer, der aus Sicht eines Normalsterblichen immer noch in Geld schwamm, aus dem Leben scheidet ?

    Wie dieser Mensch gepolt war, sieht man daran, dass er nicht heimlich abtrat, sondern das Leben des Zugführer für die Zukunft massivst negativ beeinflußte.

    Merckle ist weder als Märtyrer für die soziale Marktwirtschaft und seine Arbeiter gestorben, noch hatte er das soziale Format eines Robert Bosch.

    Merckle ist schlicht und ergreifend an seiner Gier nach immer mehr zugrunde gegangen. Nicht mehr, nicht weniger. Der Selbstmord war nichts weiter als die Handlung eines verwöhnten Egomanen.

  • F
    Frederic

    Selbstmord, Selbsttötung, Freitod, Suizid.... man kann ewig drüber diskutieren, welcher Begriff in welchem Zusammenhang angemessener ist und kommt doch zu keinem Ende. Der eine findet das passend, was der andre gerade für falsch hält. Und 'Selbstmord' ist ein vollkommen neutrales Wort und hat besitzt keinerlei christliche Konnotation.

  • HK
    Hans Kohler, Bern

    Profit oder Tod! "Mehr ein antiker Römer denn ein ..." Schwabe. Das wär' doch schlüssig. - Warum aber ein Triebwagen (wahrscheinlich ein moderner Mehrtriebwagen), das Glied der Maschine der Moderne, statt des Schwertes? Die Protagonisten wissen ja (zumindest bei Shakespeare und in der Bibel) nicht was sie treibt. War's vielleicht der Wortwitz? Hat sich der Alte lachend auf die Gleise gekugelt? - Wir wünschen Allen alles Gute!

  • S
    Shrike

    @Till:

     

    Ich stehe dem Selbstmord weniger abwertend gegenüber als die Kirche (obwohl es sich beim Suizid andererseits sicher um nichts schönes handelt).

     

    Womöglich sind unsere Positionen sogar recht ähnlich.

     

    Aber dennoch bevorzuge ich ausdrücklich das Wort Selbstmord, wobei Selbsttötung mir ebenfalls passend erscheint.

     

    Es ist sicher nicht leicht, sich selbst zu töten, gerade die innere Stärke und Überwindung, die nötig sein dürfte, schätze ich als beachtlich ein.

    Wobei allerdings ein Weiterleben unter widrigen Umständen auch Stärke unter Beweis stellen mag, je nach Situation.

     

    Und trotzdem: Man tötet sich selbst.

    Kein "Spiel beenden"-Knopf mit sicherem danach, kein Aufwachen in die Wirklichkeit, sondern - Selbstmord, man tötet einen Menschen, allerdings sich selbst, wozu man womöglich berechtigt ist.

  • WL
    Werner Lorenzen-Pranger

    Da sieht mans. Nicht einmal das kann der alleine - dazu braucht er einen, jetzt geschockten, Lokomitivführer! Hoffentlich hilft dem jetzt jemand qualifiziert!

  • A
    Andrea

    Bei aller Tragik fällt mir auf, dass Herr Merckle eine Todesart gewählt hat, die wieder einen Menschen in Mitleidenschaft zog: den Zugfahrer.

     

    Tragisch für alle Beteiligten!

  • M
    Martin

    Die Tat geschieht vorsätzlich, also ist der Begriff Selbstmord vollkommen okay und angemessen.

     

    Die Überschrift "In Finanznot geratener Milliardär" halte ich für zynisch gegenüber dem Großteil der Bevölkerung. Dieser Mensch mit einem Vermögen von 9 Mrd. wäre selbst dann noch nicht in Finanznot, wenn er 8,999 Mrd. verloren hätte. Denn dann wäre er immer noch Millionär!

  • L
    Leserin

    Wenn es wegen seiner verlorenen Milliarden sein sollte, dass er sich das Leben nahm, dann hätte er sich mal in seiner näheren Umgebung umschauen sollen, vielleicht in einer Suppenküche oder im Obdachlosenheim, wo völlig gestrandete Existenzen ohne Aussicht auf ein besseres Leben Tag für Tag ihren Kampf kämpfen. So reich und doch allein. Vielleicht vergisst man über so viel Geld zu leben?

  • KK
    Klaus Keller ,Hanau

    es ist immer schrecklich wenn ein mensch keine anderen lösungswege mehr sieht als den sich das leben zu nehmen. der begriff selbstmord oder freitot sind hier aber falsch. zum einen ist es kein Mord (der ist mit bestimmten vorausetzungen verbunden) zum anderen auch nicht freitot wie die SZ und andere schreiben da eine gedankliche einengung vorliegt die mit freiheit nichts zu tun hat. richtiger wäre suizid begehen oder sich das leben nehemen. Ich hoffe das sein beispiel keine nachahmer findet (suizid auf grund wirtschaftlicher schwierigkeiten) laut statistik gibt es 8-10.000 Suizide jährlich in Deutchland, vielleicht ist der seine aber anlass sich dies bewußt zu machen und zu verändern-zb durch bessere akzeptanz psychiatrischer behandlung im falle der krise.

  • N
    n.n

    Auch mein Beileid an die Angehörigen von Herrn Merckle.

     

    Obwohl er sich aus Profitstreben verspekuliert hat, scheint er dennoch ein aufrichtiges und authentisches Gewissen gehabt zu haben, mit dem er diesen erlittenen, großen Finanzverlust gegenüber seinen Geldgebern nicht hat länger vereinbaren können. Ich möchte hier meine Hochachtung für Herrn Merckle stellvertretend seiner Familie aussprechen.

  • NW
    Norbert Wendt

    Tragisch, entsetzlich tragisch. Und in noch größerem Maß überflüssig und unverstehbar. Ohne die Details zu kennen und daher außerstande, den Selbstmord einzuordnen, fehlt mir für diese Tat jedes Verständnis.

     

    Der Mann hat sich verhoben, hat eine wirtschaftlich massive Fehlhandlung zu verantworten. Aber seit wann ist so etwas ein Grund, sich das Leben zu nehmen? Mir fehlt jedes Verständnis. Es gibt Menschen, die haben sich aufgrund wirtschaftlichen Scheiterns restlos ruiniert und benötigen 10 bis 15 Jahre, um halbwegs wieder auf die Beine kommen zu können.

    Es muss sich um pathologische Denkstrukturen handeln, die zu solch einer Tat eines wohl ansonsten physisch gesunden Milliadärs führten.

    Und niemand war in der Nähe des alten Mannes, um ihn vor sich selbst zu schützen. Trotz all der Milliarden.

  • TR
    Tobias Rollmann

    Mein Mitleid hält sich in Grenzen!

    Es gibt genügend Menschen, die mehr Grund zur Verzweiflung haben.

  • K
    Kommentator

    1. @ Till & Moderation:

    Da muss ich Till 100%ig zustimmen:

    Selbsttötung oder einfach Suizid wäre wirklich

    wertender.

    Der Begriff Selbstmord hat sich blöderweise eingebürgert.

     

    2. Ansonsten:

    Wie konnte es soweit kommen?

    War der Geldverlust der Grund?

    Oder die Angst, mit der Situation nicht mehr fertig zuwerden, evtl. massig Leute entlassen zu müssen etc.?

     

    Wirklich hart. Gibt aber sicher auch etliche arme Menschen, die aus finanziellen Gründen Suizide begehen. Wäre das nicht auch jedes mal berichtenswert?

     

     

    Mein Beileid den Angehörigen von Hern Merckle.

  • T
    Till

    Liebe Redaktion,

     

    Selbstmord ist meiner Ansicht nach eine Bezeichnung, die im Journalismus nichts zu suchen hat. Sie ist eindeutig wertend und transportiert einen christlich-konservativen Hintergrund.

    Das eigene Leben zu beenden, das Gott erschaffen haben soll, gilt der Kirche als Mord. Dem Mensch wird hier das Recht vorenthalten, selbst über das Ende seines Lebens zu bestimmen. Das nur mal zur Info.

     

    Im Interesse eines wertungsfreien Journalismus erhoffe ich mir eine neutralere Überschrift.

     

    Beste Grüße

     

    Till