Waffenruhe zwischen Israel und Hamas: Der Gaza-Krieg kennt nur Sieger

Israels Regierung und die Hamas reklamieren Erfolge für sich - die einen, weil sie so viel wie möglich in Schutt und Asche gelegt haben, die anderen, weil sie noch immer leben.

Eine Stadt wie ein Erdbebengebiet: Das tunnelreiche Rafah im Gazastreifen. Bild: reuters

BERLIN taz Die ersten unabhängigen Journalisten, die den Gazastreifen nach Beginn der Waffenruhe am Sonntag betreten haben, zeigen sich erschüttert vom Ausmaß der Zerstörung, das sich ihnen nach 22 Tagen der Bombardierung und Beschießung bietet. Die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten, wo die meisten Tunnel verlaufen, gleiche einem Erdbebengebiet, gaben sie zu Protokoll. In der Tat dürften die Bilder, die in den nächsten Tagen in unsere Wohnzimmer flimmern werden, ebenso schockieren wie die Geschichten der geschundenen Menschen in Gaza. Als Propaganda der radikalislamischen Hamas wird man die Zeugnisse des dreiwöchigen Krieges wohl nicht mehr abtun können.

Propagandistisch ist dagegen das, was beide Seiten als Resultat dieses asymmetrischen Waffengangs bislang kundgetan haben. Wie erwartet haben sich beide zum Sieger erklärt. Die einen, weil sie so viel wie möglich in Schutt und Asche gelegt haben, die anderen, weil sie schlicht überlebt haben und ihr Regime im Trümmerfeld die Macht behauptet hat. Wenn man Zerstörung mit Abschreckung gleichsetzt und die Zahl der getöteten Palästinenser gegen die der Israelis aufrechnet, dann kann Israels Regierung in der Tat einen Sieg ins Feld führen, der unanfechtbar ist. Mehr als 1.350 toten und mehr als 5.500 verletzten Palästinensern stehen 13 getötete Israelis und mehrere Dutzend Verwundete gegenüber. Ein Großteil der Infrastruktur im Gazastreifen liegt in Trümmern. Das hat die Hamas gewiss ebenso hart getroffen wie die gesamte palästinensische Bevölkerung.

Doch schon unmittelbar nach der einseitigen israelischen Waffenruhe am Sonntag früh demonstrierte die Hamas ihre "Feuerkraft" und schoss mehr als ein Dutzend Raketen auf Israel ab. Das nur, um zu demonstrieren, dass Israel ein erklärtes Kriegsziel, den Raketenbeschuss aus Gaza zu unterbinden, nicht erreicht hat. Und dass der mutmaßliche Verlust von mehreren hundert Kämpfern der Hamas weder militärisch noch politisch den Garaus gemacht hat.

Ganz ungewiss ist bislang auch, ob der Schmuggel durch die Tunnel nach Ägypten wirklich dauerhaft unterbunden werden kann. Noch ist kein Mechanismus in Kraft, der eine effektive Grenzkontrolle, für die sich die EU, allen voran Bundeskanzlerin Merkel, so demonstrativ ins Zeug gelegt hat, bewerkstelligen könnte. Bislang existiert die Forderung nur auf dem Papier. Auch in diesem Punkt hat Israel also sein erklärtes Kriegsziel höchstens bedingt erreicht.

Unangenehmes droht Israels Politikern und Militärs noch aus einer ganz anderen Ecke. Die Bombardierung von UN-Gebäuden, Krankenhäusern und Zivilisten und der Tod von mehr als 350 Kindern werden Anzeigen wegen Kriegsverbrechen nach sich ziehen. Sowohl die UNO als auch Menschenrechtsorganisationen werden eine Fülle von Untersuchungen vorlegen, die eine Überprüfung beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Folge haben werden. Verantwortlichen israelischen Politikern oder Militärs könnte dann ein internationaler Haftbefehl drohen, der ihre Reisemöglichkeit sehr einschränken würde. Ähnliche Anzeigen müssten wegen des Kassam-Beschusses freilich auch gegen Hamas-Verantwortliche erstattet werden.

Die Hamas wird ohnehin vorerst Wohlverhalten praktizieren müssen, um Unterstützung für eine dauerhafte Beendigung der Blockade des Gazastreifens zu erhalten. Noch kann Israel jederzeit die Versorgung unterbinden. Die Hamas weiß aber sehr wohl, dass sie der eigenen Klientel eine Pause von Krieg und Blockade bieten muss. Am Status quo ante hat der blutige Waffengang am Ende nicht viel verändert. Solange weder Israel noch die EU oder die USA mit der Hamas verhandeln oder zumindest sprechen werden, bleibt die Lage äußerst prekär.

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