Korruptionsaffäre in Sachsen: Jägerin verläuft sich im Sachsen-Sumpf

Die ehemalige oberste Verbrechensjägerin beim Sächsischen Verfassungsschutz erhebt schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung. Die kontert: alles erfunden.

Schon 2007 eingekreist, jetzt von Simone Henneck in die Mangel genommen: Landesamtvizechef Olaf Vahrenhold. Bild: ap

DRESDEN taz Eineinhalb Jahre schwieg Simone Henneck, die ehemalige Leiterin des Referats Organisierte Kriminalität beim Sächsischen Verfassungsschutz. Und war krank. Sie gilt als Schlüsselfigur bei den Korruptionsvorwürfen im angeblichen "Sachsen-Sumpf", die 2007 den Freistaat erschütterten. Am Montag brach sie ihr Schweigen vor dem entsprechenden Untersuchungsausschuss des Landtags.

Ihren ehemaligen Vorgesetzten im Landesamt für Verfassungsschutz warf sie Dienstvergehen und schweres Mobbing vor. Die Staatsregierung soll außerdem weit vor den Medienveröffentlichungen im Mai 2007 von den Korruptionsdossiers erfahren haben.

Die umfangreiche und brisante Aktensammlung war in den Jahren 2003 bis 2006 angelegt worden. Damals beobachtete das Landesamt für Verfassungsschutz bis zu einem anderslautenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs die organisierte Kriminalität (OK). Besonderes Aufsehen erregte der Fallkomplex "Abseits", der den Eindruck eines korruptiven Netzwerks aus Immobilien- und Rotlichtszene, Politik und Justiz im Raum Leipzig der Neunzigerjahre vermittelte. Das sorgte im Frühjahr 2007 für großes Aufsehen. Im Herbst machte die Staatsregierung indes die Jägerin zur Gejagten. Mit "blinder Jagdleidenschaft und blühender Fantasie" habe Henneck die Vorgänge nur aufgebauscht, so der damalige Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU).

Als Leiterin des neuen OK-Referats war die frühere DDR-Staatsanwältin und spätere Polizeiinspektorin mit ihrem Eifer offenbar zunächst hochwillkommen. Vor dem Untersuchungsausschuss vermittelte sie nun den Eindruck, mit ihren Ergebnissen ab 2006 plötzlich ausgebremst worden zu sein.

Anfang 2006 lag das "Abseits"-Dossier bereits vor. Simone Henneck will auf eine Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden gedrängt haben. Sowohl Innen- als auch Justizministerium seien bis Mitte 2006 informiert gewesen. Eine Übergabe an die Staatsanwaltschaft habe man aber unter Berufung auf das so genannte Übermittlungsverbot zum Quellenschutz abgelehnt. Damit hatte Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos ein Jahr später offenbar keine Probleme, als er gleich sechs Informanten namentlich nannte und damit den Verfassungsschutz öffentlich bloßstellte.

Laut Henneck hat Landesamtsvizechef Olaf Vahrenhold nicht nur ihre dringenden Hinweise und Aktenvermerke blockiert, sondern auch für die Parlamentarische Kontrollkommission und Landtagsanfragen wesentliche Akten vernichten lassen. Er habe sie, als sie krank war, überfallartig zu einer Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft genötigt. Noch auf der Liege vor dem Transport ins Krankenhaus hätten er und Boos von ihr ein Geständnis des Geheimnisverrats erpressen wollen.

Mit unüberhörbarem Selbstmitleid, aber fester Stimme schilderte Henneck Einzelheiten der folgenden "Hexenjagd" auf sie, mit der Politik und Justiz sie zur Alleinschuldigen am "Sachsen-Sumpf" stigmatisieren wollten. Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses wollte Henneck kein Wort glauben. Den früheren Innenminister Heinz Eggert (CDU) hätte die Staatsanwältin 1995 in die Nähe eines Kinderschänderrings gerückt.

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